![]() | Independent Carinthian Art & Cult | |
Thu May 01 2025 23:01:05 CET |
|
2010-11-28 Mit Solidarität sollte kein Staat zu machen sein Überlegungen zu einer sonderbar verqueren Frage . Da sitze ich nun vor dem Computer und soll nun einen Artikel zu einer Frage schreiben, die mir die Ich gestehe, ich bin ziemlich ratlos. Warum meine Ratlosigkeit, wo doch die Fragestellung so vielen ja sonnenklar erscheinen wird? Nun, erstens ist da die Gegenüberstellung von Leistung und Solidarität: Mit der oben genannten Fragestellung wird unterstellt, es würden sich diese beiden Begriffe ausschließen. Aber das sei mal klar auf den Punkt gebracht: Solidarität ist eine zutiefst humane „Leistung“, bereits die Fragestellung in Form einer Gegenüberstellung beinhaltet schon etwas Hochideologisches. Und wir wissen ja: Wer fragt, führt bzw. verführt! Und einer solchen Führung will ich mich verweigern. Das wär’s dann auch schon. Man könnte meinen: Ende des Artikels. „Leistung“ in der „Leistungsgesellschaft“ Doch das alleine ist es nicht, in der Fragestellung steckt noch mehr. Denn diese Fragestellungen werden ja gemeinhin nicht als reaktionärer Unsinn abgetan, sie beherrschen ja die Medien und die Köpfe. Da ist etwas vorhanden, was mit der real existierenden Begriffsbedeutung von „Leistung“ zusammenhängt, einer Begriffsbedeutung, die in einem ganz bestimmten gesellschaftlichen Zusammenhang entstanden ist: In einem entfesselten Kapitalismus, der auf Markt, sogenannter aktivierender Sozialpolitik (damit ist die Drangsalierung der aus dem Arbeitsmarkt Ausgespuckten gemeint), Workfare statt Wellfare... beruht, meint „Leistung“ etwas ganz Spezifisches. Wieder zurück zur Ausgangsfrage: Da kommt der Begriff der „Leistung“ in Kombination mit „Gesellschaft“ daher: Da geht es um EINE sehr spezifische Form von Vergesellschaftung und EINE sehr konkrete Form von sogenannter Leistung. Konkret gemeint ist damit eine Unterform des Kapitalismus, wie sie sich seit den 80erJahren des 20. Jahrhunderts durchgesetzt hat und die mit dem Begriff der „Leistungsgesellschaft“ ideologisch verklärt wird. Aber schauen wir uns noch einmal die Fragestellung, die uns da (ver-)führt, genauer an: Da ist von „Leistungsgesellschaften“ in der Mehrzahl die Rede. Indem der Plural verwendet wird, wird suggeriert, dass eine in einer ganz bestimmten gesellschaftlichen Konstellation auftretende Form von Tätigsein als Erwerbsarbeit und „Leistung“ einen überhistorischen Charakter habe und damit quasi zum Menschsein gehöre. Das aber ist nichts anderes als Ideologie. Aber auch wenn wir den Begriff „Leistungsgesellschaft“ nur in der Einzahl verwenden, so ist noch immer der Begriff der „Leistung“ massiv zu dekonstruieren: „Leistung“ in der „Leistungsgesellschaft“ heißt, sich in ungefesselter Konkurrenz am Arbeitsmarkt zu verdingen, sich als „Marke Ich“ als der Konkurrenz überlegen zu präsentieren, immer neue Bedürfnisse beim kaufkräftigen Gegenüber herauszukitzeln, tendenziell dem individuellen Verhandlungsgeschick am Markt ausgeliefert zu sein, tendenziell ohne Kollektivverträge, tendenziell bei „freier“ Vereinbarung der Arbeitszeit. Und „Leistung“ heißt auch, dass diejenigen, die Geldreserven haben, dieses in „Kapital“, also etwas sich Vermehrendes, verwandeln. Sie „investieren“. Will heißen: Da wird fremde Arbeit angeeignet. Soviel zur Bedeutung des Begriffes „Leistung“, wenn man ihn im Kontext seiner konkreten gesellschaftlichen Genese verwendet und nicht das Geschäft seiner Enthistorisierung (und damit die Verschleierung gesellschaftlicher Verhältnisse) betreibt. „Solidarität“, „Steuern“ und „Staat“ Wenden wir uns nun dem zweiten Teil der Ausgangsfrage zu, den „solidarischen Gesellschaften“ in Verbindung mit dem „Steuersystem“: Ich denke, dass sich auch hier hinter dem Plural der „solidarischen Gesellschaften“ eine ganz konkrete gesellschaftliche Phase im Kapitalismus versteckt, nämlich die „goldenen Zeiten“ des fordistischen Aufschwungs der 50er bis 70er Jahre. Denn sicher nicht gemeint sind ursprüngliche „solidarische Gesellschaften“ etwa im Amazonasregenwald, denn die kannten ja keinen Staat und damit auch keine Steuern. Sowas ist sicher nicht gemeint, hinter den Begrifflichkeiten „Steuersystem“ und „solidarische Gesellschaften“ stecken Bilder von massenhafter, gut bezahlter Erwerbsarbeit, einem vergleichsweise starken Staat, der massenhaft Steuern einhebt, wodurch das Sozialsystem leicht finanzierbar sei... Auch dies ist ein verklärtes Weltbild, denn selbstverständlich war auch in dieser Phase „unseres“ Systems die Form von „Leistung“ prägend, die auf Konkurrenz, auf der Schaffung von belieferungsbedürftigen Mängelwesen, auf der Produktion für den Profit,.... beruht. Das Ganze war allerdings erträglicher, weil die beständig wegrationalisierte Arbeitskraft durch das hohe Wirtschaftswachstum aufgesaugt wurde und so das Ausmaß der Konkurrenz minimiert war. Es ist offensichtlich: Von „Solidarität“ kann man in so einer Konstellation nur unter Anführungszeichen sprechen, zumal dieses Wirtschaftswunder alles andere als solidarisch gegenüber den kommenden Generationen, aber auch der damaligen „3. Welt“ war. Und erst vor diesem Hintergrund konnten sich Bewegungen wie die Gewerkschaften für die Verstärkung solidarischer Ausgleichsmechanismen stark machen. Freilich: Wenn man es sich aussuchen könnte, würde ich mich für diese Version des Kapitalismus entscheiden, no na net. Das ist so aussagekräftig wie der Spruch „Besser reich und g’sund als arm und krank.“ Herrschaft und Freiheit Da haben wir also die bereits genannte Grundvoraussetzung dieser Art von „Solidarität“: Der Sphäre des Marktes, im Kern beruhend auf dem Kampf der Menschen gegeneinander, wird ein Teil der Leistungen abgeschöpft. Unausgesprochen, aber offensichtlich, schwebt aber noch etwas mit im Raum: Der moderne Staat. Oft als Gegenteil des Marktes gesehen, ist er doch nur dessen Ergänzung: Wie Yin und Yang gehören Markt und Staat zusammen: Der Markt mit seiner privaten (also im Kampf gegeneinander erstellten) Produktion, der die Waren nur gegen entsprechende Kaufkraft herausrückt und nur bei ständigem Wachstum funktioniert, ist eine sonderbare Form ungesellschaftlicher Gesellschaftlichkeit, die aus sich selbst heraus nicht funktionieren würde. Er braucht eine entsprechende Korrekturinstanz, den Staat, der wiederum auch eine sonderbare Form von Gesellschaftlichkeit, nämlich eine vermittelte, herrschaftsförmige, darstellt. Diese Form von Gesellschaftlichkeit hat am Beginn des „modernen Staates“ Thomas Hobbes in der Gestalt des Leviathan (erschienen 1651) erkannt: Ein Souverän, der scheinbar über den verschiedenen Sphären schwebt, sie beherrscht, und gleichzeitig aus uns allen zusammengesetzt ist. WIR sind der Staat, und WIR sind damit gleichzeitig unsere eigene Herrschaft. Staat, auch in seiner demokratischen Form, ist keineswegs der Ort, wo sich die Freiheit der Menschen manifestiert, sondern er ist von seiner ganzen Struktur darauf aufgebaut, primär einmal die Funktionsfähigkeit der Marktsphäre zu erhalten. Das heißt, zuallererst einmal die Eigentumsverhältnisse zu garantieren. Erst dann, wenn alles und alle „funktionieren“, beginnt die Welt des demokratischen Diskurses, wo vielleicht auch ein Quantum „Solidarität“ möglich ist. Heute, im Zeichen erreichter und überschrittener ökologischer Grenzen, ist die Frage nach der Solidarität und nach der Form des Tätigseins neu zu stellen: Es gilt zunächst einmal die Säulen des Systems zu hinterfagen und neue Formen des Wirtschaftens zu entwickeln. Solidarökonomie etwa ist so eine Idee, die es zu konkretisieren gilt. Nicht hinten herum ist nach einer privaten Produktion (vulgo „Leistung“) über Steuern („Staat“) die Solidarität herzustellen, sondern auf gleicher Höhe unter freien Menschen gilt es zu vereinbaren, was gebraucht wird, wie man es produziert und wie dies alles auch für zukünftige Generationen verträglich ist. That’s it! . Dazu auch: .
. |
|