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2010-01-26 Das – vorläufig – letzte Aufgebot der Auto-Mobilmachung Über die Selbstverständlichkeit des Wahns oder der Versuch, mehrere getrennt erscheinende Phänomene zusammenzudenken . So ziemlich das letzte, was ich in einer Zeitung lese, ist der obligate Auto- bzw. Motorteil. Das hat was damit zu tun, weil ich ganz einfach nicht auf Autos stehe. Und es hängt zusammen mit dem Wissen um die ökologoschen und sozialen Konsequenzen der Auto-Mobilmachung. Am Freitag, den 22.1. war allerdings ein auch für mich durchaus lesenswerter Beitrag in der Kleinen Zeitung zu finden, den ich hier in seiner vollen Länge wiedergebe: Gerhard Nöhrer, Web gegen Auto-FrustSchlechte Post für die Hersteller: Die Jugendlichen verlieren zunehmend die Lust am Auto. Ob aus Tokio, London oder Los Angeles – Trendforscher melden fast unisono, dass Jugendliche die Freude am Auto verlieren. ,,Teenager haben kein großes Interesse mehr an Autos“, fasst Trendforscher Francois Bancon eine Studie im Auftrag von Nissan zusammen. Autos seien einfach kein Bestandteil ihrer Kultur mehr. Bancon: ,,Junge Leute sehen die Welt durch den Computer, bewegen sich im Internet statt auf der Straße und sind nicht an Produkten, sondern an Erlebnissen interessiert.“ In Japan reiht die Jugend das Automobil auf der Liste jener Dinge, die man haben muss, auf Platz 17. Die permanenten Staus, Limits und hohen Kosten, vor allem aber das erhöhte Umweltverständnis bewegen speziell im urbanen Bereich immer mehr junge Menschen zum Verzicht. Die Autohersteller sind längst alarmiert. Sie reagieren wie Toyota in den USA mit einer speziell auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmten Marke wie Scion oder rüsten Modelle für die Generation 2.0 auf. So wird das Auto zum Internet-Portal auf vier Rädern. Sprachbefehle, Mail-Vorlesedienste und Web-Anschluss – Microsoft hat auf der Elektronikmesse in Las Vegas gezeigt, wie man die Jugend ins Auto lockt. Quelle: Kleine Zeitung, 22.1.2010, S. 37 Anstatt dass nun im großen Umfang der Ruf erschallt: „Aus! Schluss! Schließen wir endlich 90% der Atomobilindustrie!", ist man geneigt, nach einem kurzen „Eh klar, so läuft's halt!“ zur Tagesordnung überzugehen. Genau dieses Phänomen aber gilt es zu thematisieren: 1. Es zeigt sich an dieser Selbstverständlichkeit, wie sehr wir alle in der Logik der Volkswirtschaft, denken. Mensch braucht Arbeit, damit Geld im Haus ist, damit man Lebensmittel kaufen kann. Insofern ist man bereit, auch die wüstesten Widersprüche einer solchen Art des Wirtschaftens zu akzeptieren. Dass nicht Bedürfnisse und deren möglichst „effiziente“ Deckung zählen, sondern dass für einen Markt produziert wird, der eben NIE die Bedürfnisse der Menschen decken darf, weil ja sonst die Arbeitsplätze verloren gehen könnten, das ist uns durch unsere tagtägliche Praxis in Fleisch und Blut übergegangen. Scheitern des Klimagipfels von Kopenhagen hin oder her, das Karussell muss sich weiter drehen. 2. Aber da gibt's ja noch die Bildung, könnte man meinen. Bildung, Bildung, Bildung, ... bei jeder Diskussion über Zukunftsfragen wird sie aus dem Hut gezaubert wie seinerzeit der liebe Gott. Sie werde alles lösen. Dass wir aber gegenüber dem Absägen des Astes, auf dem wir hocken, nur ein Achselzucken übrig haben, verweist nicht nur auf die Abhängigkeiten, in denen wir stecken, sondern auch auf den Charakter dessen, was „Bildung“ heißt. Denn man kann zu Recht behaupten, dass wir, die Menschen in unserem Gesellschaftsystem, noch nie so gebildet waren wie heute. Das legt nun aber den Verdacht nahe, dass nicht der Mangel an Bildung, sondern die Bildung selbst ein Teil des Problems ist. Denn Bildung vermittelt das, was zentrales Paradigma von Aufklärung ist: die „Freiheit“ als „Einsicht in die Notwendigkeit“. Das ist aber nun das Gegenteil von eigenständigem Denken, es ist der Ersatz der alten Götter durch die Logik des Systems, das mit den Begriffen „Verwertung des Werts“, der „schönen, großen Maschine“, dem „automatischen Subjekt“ umrissen werden kann (dazu → Warum versagt das Wundermittel Bildung?).
3. Wenn wir aber nun 1. durch die Verhältnisse, die sich hinter unserem Rücken durchsetzen und 2. durch die Bildung so deformiert sind, dass uns jegliche Empathie uns selbst und unserer Mitwelt gegenüber abhanden gekommen ist, dann ist „uns“ (ich meine damit uns als Gesellschaft) alles zuzutrauen, wie ja schon die 30er/40erJahre des 20.Jahrhunderts demonstriert haben. Karl Marx schrieb ein Jahrhundert davor, „... der kategorische Imperativ [sei], alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“ Von diesem Satz wurde meist nur das „Geknechtetsein“ angenommen, das es zu überwinden gelte. Das geht ja leicht von den Lippen, da ist eine Macht außerhalb von uns, die uns unterdrückt, da gibt es Gut und Böse. Dabei ist aber genauso ernstzunehmen, dass auch Verhältnisse umzuwerfen wären, in denen wir verächtliche Wesen sind: In unserem Kampf um die Aufrechterhaltung der Erwerbsarbeit machen wir gegen alles und jeden mobil. Ökologische Ignoranz, soziale Ausgrenzung, Rassismus ... wachsen auf demselben Nährboden. Eine emanzipatorische Wende ist – abgesehen von kurzfristigen Abwehrerfolgen – nur zu schaffen, wenn wir die Basiskategorien Tausch – Arbeit – Wert und die damit einhergehenden Phänomene wie Konkurrenz, Wachstumswahn, Bedürfnisse ... einer grundlegenden Kritik unterziehen UND eine neue Form der gesellschaftlichen Produktion aufbauen.
diana, 2010-01-27, Nr. 4740 Lieber Walther,
mimenda, 2010-01-27, Nr. 4741 Es will mir schon ein wenig ermutigend erscheinen, wenn das Auto für die jungen Leute weniger wichtig wird. Denn das wäre eine Abkehr von einem ganz besonderen "Fetisch", obwohl ich mir fast sicher bin, dass er seinen Ersatz finden wird.
in XS, 2010-02-03, Nr. 4744 Liebe Diana,
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