2004-07-19
kärnöl und ich
kärnöl - Nachlese
Da bin ich zum Abschluß meiner Tournee durchs Leben bei kärnöl angekommen. Weil ja stündlich mit meinem Ableben zu rechnen ist, wie man sagt.
kärnöl? Der Name war nicht gerade einladend. Öl überhaupt ist verdächtig. Öl ins Feuer gießen, Ölgötze, letzte Ölung. Dazu noch in Villach. Unter dem plumpen Campanile. Nur Judenburg ist trostloser. Wenn Öl auf Wasser schwimmt, irisiert es. Und das war es. Vermischt mit Nostalgie, Vergangenheit der Fünfzigerjahre, auch subventionsfreie Kunst, der Stutz, der Rogy, der Leeb und etliche mehr. Mitten drin der Urban Jank, der jetzt sekundenlang aufflackert. Allesamt verrufen, auch ein bißchen bewundert. An den Namen kärnöl habe ich mich gewöhnt wie ans Zähneputzen. An kärnöl noch nicht. Das gibt Hoffnung.
kärnöl scheint mir manchmal wie ein Kreuzworträtsel, wo man aus waagrechten Ideen herauslesen muß, was sich senkrecht ergibt. Für Sherlock Holmes ist das Alltag. Für mich nur Dienstag.
Da finde ich mich inmitten von Gesprächigkeit und brauche nicht viel zu sagen. Das paßt zu meinem Innenleben. kärnöl hat keine Mitglieder. Es besteht aus Freunden und Bekannten. Drei oder vier davon denken sich gegenseitig Richtlinien aus. Drei, vier, zehn, zwanzig verschiedene. Da sich alle mit Kunst, Kultur, Nikotin und verwässertem Alkohol beschäftigen, nennen sie sich Neudeutsch " Independent Art&Cult". Das nähert sich meinem virtuellen Anarchismus. Da lebt und blüht man ohne politisches Mäusefutter.
Es gibt da intelligente Typen aller Art. Einige sind zusätzlich noch unflätig. Daheim fehlt mir das. In Klagenfurt auch. Selbst konnte ich diese lockere, treffende Sprachkultur nie erlernen.
Ich kenne fast schon jeden, jede, und weiß, wer gerne mit wem streitet. Bei Streitereien, oder verschönt Debatten, gibt es absolute Emanzipation. Nur der drastische Sprachschatz der Damen ist geringer.
Im Kernbereich trennt mich und die Frauen eine natürliche Grenze. Keine grüne allerdings. Ich verehre alle. Aber auch einzelne. Natürlich mit Scheuklappen und gefühlsgebremst. Streng nach den Verbotsregeln. Moralisch, katholisch, einheimisch. Das ist weiter nicht tragisch. Ich war nie anderswo als in einer virtuellen Welt, in welche diese Enge nicht hineinpaßt.
Willig wie ein Schaf bin ich mit kärnöl übersiedelt. Es gibt mir zwar zu denken. Ob Spinnennetze exterritorial sind?
Was die Lokalitäten betrifft, bin ich nicht wählerisch. Dort wie da sind die Aborte sehr klein. Und ich benütze sie fast nie. Aber kärnöl versteht sich ja auf Kunst aller Art. Wo, wie, wann, - was soll es. Ich fühle mich zwar nicht als Künstler. Meine Bereiche sind zu unterschiedlich. Deshalb denke ich in hellen Augenblicken, was habe ich da zu suchen?
Die senile Passivität. Die Dunstglocke der Freiheit. Die Ernte der Nostalgie. Das Erwachen mitten im Waldbrand. Das Schloß am Meer. Alles war grenzenlos. Die Zeiten in der Subkultur. Die beträchtlich lange Verknüpfung mit der Wiener Aristokratie. Die Alabasterklausur im Proletariat.
Und das hier. Halb hängt es im Internet. Halb in der künstlerischen Realität. Durch alles zieht sich der rote Faden der verstorbenen Vergangenheit. Eine Insel im Scherbenhaufen, im Splitterfeld von Leil-leigestammel und psychischer Mordlust.
Wer jagt schon Hunde?
Nichts ist neu. Da lese ich bei Onitsch, was ich schon eine winzige Nuance anders geschrieben habe. Kern und Öl frei und ungeteilt. So oder so mag es bleiben.
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consolati, Nachbar , 2004-01-31, Nr. 970