2004-05-07
ROT
Hans D. Smoliner über die Bilder von Erika Stengl
Mit ihrem kleinformatigen Zyklus ROT konfrontiert Erika Stengl den Betrachter mit dem Janusgesicht einer Ansichtskarte. Ein mittlerweile alltägliches, heute schon fast antiquiertes Kommunikationsmedium und doch Vorläufer der neuesten digitalen Bildhandys. Vorne der Strand von Grado, ein gelbroter Sonnenuntergang, das Lächeln der Mona Lisa oder der schiefe Turm von Pisa, hinten der Wetterbericht der Mitzi Tant, Liebesschwüre von Franz, letzte Grüße von Christine oder das Marmorkuchenrezept von Muttern. Alltäglichkeiten, die eine zeitlang auf einer Pinwand hängen, uns mit Erinnerungen streicheln oder quälen, fast vergessen in bunten Schachteln neben den Briefen der großen Liebe liegen.
Eine Ansichtskarte, Wort und Bild, digitale und analoge Kommunikation auf 10 x 15 cm.
Erika Stengl nimmt den Dialog auf, überarbeitet, übermalt deren Vorderseite - die Ansicht eines Fremdausdruckes - mit Farbe und durch den bunten Untergrund, das Kleinformat verdichtet sich die Farbe, wird das, mit kräftigen Duktus aufgetragene Rot zum Selbstausdruck, wie das geschriebene Wort auf der Rückseite der Ansichtskarten.
„Die Feder ist die Schwester des Pinsels“ schreibt Maria Lassnig in einer ihrer Tagebücher. Erika Stengl malt wie sie schreibt. Spontan, hungrig, nur dem Augenblick der Gefühle verpflichtet, Regeln umstoßend verleiht sie dem Erlebten sprachlichen Ausdruck. Sowie sie mit ihren Wörtern das Erfahrene, das Erlebte demaskiert, so verdichtet, abstrahiert, maskiert sie mit ihrer malerischen Ausdrucksform das Bild der Erinnerung. Fast akribisch befolgt Erika Stengl eines der Malrezepte Maria Lassnigs (1960):
„man muss hungrig sein, hemmungen haben, alle bilder – ansichtskarten - vergessen können.
das bild – die ansichtskarte - ist nebensache (beim malen nicht hinsehen!)
den stil verwerfen! Man wird sich früh genug selbst ausbeuten.
man muss versuchen, dauer und ausdehnung mit
bewegung und vehemenz zu vereinen“
Was bleibt ist ROT