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2004-01-01 Vollkaskomentalität 2 (ergänzte Version) Ausgelöst durch den Leserbrief 811, in dem 2 Fragen an Walther Schütz formuliert werden, hat sich hier auf der kärnöl-site eine interessante Diskussion zu entwickeln begonnen. Der letzte Beitrag zu dieser Diskussion 'rutschte' uns gestern leider unaufbereitet und ohne Querverweise ins Journal. Dieses Versehen machen wir heute wett. Zum Stand der Debatte: Am 7. 11. 2003 veröffentlichte Walther Schütz hier auf der kärnöl-site seinen Beitrag Fetischismus II: Der Markt - Garant von Freiheit und Menschenrechten?Darin formuliert er, ausgehend vom degoutanten Begriff des 'militärischen Humanismus' Ansätze einer radikalen Kapitalismuskritik. Dieser Beitrag zog am 8. 12. 2003 folgende, im Leserbrief 811 formulierte Reaktion nach sich:
Leserbrief 811 Walther Schütz reagierte am 15. 12. 2003 auf diesen Leserbrief mit seinem Artikel Vollkaskomentalität?, in welchem er unter anderem die Frage nach der genaueren Bedeutung des Begriffs 'Vollkaskomentalität' aufwirft. Am selben Tag reagiert Martin Müller mit dem Leserbrief 842:
Leserbrief 842 Auf diesen Leserbrief nun reagiert Walther Schütz mit dem folgenden (gestern ohne Querverweise versehenen) Beitrag: Hallo Tine, danke für deine nunmehr ausführlichere Darstellung des Begriffes „Vollkaskomentalität“ im Leserbrief 842. Für mich zeigt es aber genau das, was ich von Anfang an mit dem Begriff assoziiert habe – nämlich dass er ein schwammiger Begriff ist, der vor allem problematische Bilder einschließt. Ich gehe im folgenden auf die genannten Beispiele ein: Fingierte Unternehmenskonkurse Da geht es ganz einfach um Kriminelles. Dieses Beispiel ist genau die Ebene, auf der im 1. Beitrag meine Beispiele angesiedelt sind. Es zeigt eins: Vom vielgepriesenen Unternehmerrisiko ist in der Realität nicht so viel zu sehen, Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Ob es sinnvoll ist, diese strukturelle Bevorzugung gegenüber den Lohnabhängigen unter dem Begriff Vollkaskomentalität zu subsumieren, ist meines Erachtens fraglich, aber von mir aus .... Jene die Autobatterien nächtens zur Müllinsel schleppen und dann abhauen Ein unerfreuliches Phänomen. Da wird ein Punkt angesprochen, der tatsächlich bedenkenswert und für mich schwierig zu handeln ist. Meines Erachtens ist der Punkt ein Merkmal unserer Gesellschaft, das uns so selbstverständlich ist, dass es uns gar nicht mehr auffällt: Es ist dies die sonderbare Arbeitsteilung zwischen KonsumentIn (das ist eine entfremdete, weil durch das Geld deformierte Form des Verbrauchens) und den ProduzentInnen und VerkäuferInnen (die ja auch in der kapitalistischen Form der Arbeitsteilung darum bemüht sein müssen, nicht gegenüber der Konkurrenz in Nachteil zu kommen). Diese Kette führt zu einer strukturellen Verantwortungslosigkeit, hat aber wenig mit Mentalität zu tun. Auch wenn da natürlich mit der Zeit ein spezieller psychologischer Charaktertyp entsteht, der ja auch unter Linken weit verbreitet ist (Über gesündere Lebensweise oder über ökologisch verträglicheres Einkaufen nachzudenken wird da von manchen geradezu als reaktionäre Zumutung empfunden ...). Aber was ich betonen will ist, dass der Teil des Problems, der mit Einstellungen zu tun hat, nichts mit „dem Menschen an sich“ zu tun hat, sondern eben Produkt einer speziellen Sozialisation ist. Und vielleicht ist das Problem sogar noch komplexer: Möglicherweise ist nicht nur die kapitalistische Form der Arbeitsteilung (siehe oben) das Problem, sondern überhaupt die Tatsache der Arbeitsteilung überhaupt – meine These ist, dass eine Nachhaltige Gesellschaft sich die Frage der Arbeitsteilung an sich anschauen muss: Nur wenn jedeR Einblick in die verschiedenen Arbeitsbereiche der Gesellschaft erhält, lehrt einen das eigene Tun die Konsequenzen des Handelns. Anzuschließen wäre hier an eine der Utopien aus den Frühschriften von Karl Marx, die es jedeM ermöglichen sollte, „heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu betrieben, nach dem Essen zu kritisieren ..., ohne je Jäger, Fischer oder Hirt oder Kritiker zu werden“, wie es in der Deutschen Ideologie heißt. „Falschanmeldung von Hauptwohnsitzen um Pendlerpauschale einerseits und Mietbeihilfe andererseits zu erschleichen“ Eine vergleichsweise Lapalie 9-jähriges Beziehen von Arbeitsloser/ Notstandsgeld bei 100%iger Erwerbsfähigkeit während dem AMS vorgegaukelt wird daß die vermittelten Stellen schon besetzt/ nicht zumutbar wären Unsauber, aber die Frage zu stellen wäre: Die Tatsache, dass da eine unsaubere Vorgangsweise vorliegt, verweist ja nur auf das Problem, dass es so etwas wie ein Grundeinkommen in unserer Gesellschaft nicht gibt! Mindestens 2 strukturelle und keine einzige moralische Ebene stecken dahinter:
Der Begriff „wohlerworbenes Recht“ wie er letzterzeits in verschiedenen politischen Diskussionen im typischen Sozialstaat Österreich vorkam Und damit subsumierst du unter Vollkaskomentalität etwas, das leider nicht Selbstverständlich ist, aber Erkämpfenswert wäre Es geht um Rechte! Das einzige, was in den Nachkriegsjahrzehnten den Kapitalismus überhaupt ein wenig erträglich gemacht hat, war die Tatsache, dass es ein paar wohlerworbene Rechte gegeben hat und noch immer gibt, auch wenn sie jetzt immer mehr wegreformiert werden. Zusammenfassung: Das Problem bei solch schwammigen Begriffen wie Vollkaskomentalität allerdings ist, dass ihre Botschaft sehr konkret ist: Da werde ein zu teures System massenhaft von moralisch nicht sauberen Menschen ausgenutzt – und nachdem nun einmal der Mensch schlecht sei, müsse Vater Staat einschreiten: weg mit den Sozialleistungen, mehr Kontrollen, härtere Strafen. „Vollkaskomentalität“ – das ist wie z.B. „Sozialschmarotzertum“ ein autoritärer Kampfbegriff! Du selbst hast ja die Botschaft derer, die diesen Begriff in Umlauf bringen, so verstanden, wie aus deiner rhetorischen Frage hervorgeht: Neoliberalismus als Selbstschutz des Sozialstaates?
tine, 2004-01-08, Nr. 898 Hallo!
tine, 2004-01-08, Nr. 899 Zur Korrektur der Rechtschreibfehler:
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