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2004-01-10 Der Ulrichsberg ruft - IV Oder: Alles was recht(s) ist Erstveröffentlichung: Lisa Rettl, Der Ulrichsberg ruft. Oder: Alles was recht(s) ist, in: Peter Gstettner/ Grete Anzengruber/ Peter Malina (Hrsg.), Die Mühen der Erinnerung. Zeitgeschichtliche Aufklärung gegen den Gedächtnisschwund Bd.1 (=schulheft 105/2002), Wien 2002, S. 108-123.
Der Ulrichsberg ruft - I Zeitgleich zur (vom sogenannten Kärntner Heimatdienst) initiierten (Unterschriften) "Protestaktion gegen Kollektivschuld und Sippenhaftung“[38] bzw. die so genannte „Schlussstrich-Diskussion“ titelt etwa die Kleine Zeitung einen Tag nach der Feier am Ulrichsberg „Gute und böse Seiten der Geschichte“, um vorweg festzustellen, dass es Ewiggestrige (vorausgesetzt es wären welche anwesend gewesen) bei der sonntäglichen Ulrichsbergfeier nicht leicht gehabt hätten, sei doch „ein Schwarzer auf dem Podium“[39] gewesen, der Gott auf Englisch gepriesen hätte. Über den Festredner Georg-Bernd Oschatz weiß andererseits etwa die Kärntner Tageszeitung, dass dieser Kärnten liebe und seine Urlaube schon mehrmals hier verbrachte[40] - damit also schon ein potentieller Freund. Des Lobes nicht genug, „freut“ sich auch der ehemalige SP-Politiker Rudolf Gallop[41] (laut Kleiner Zeitung mitverantwortlich für den angeblich „neuen Geist“), dass es sich bei Oschatz um einen Hochintellektuellen handle, bei dem nichts schief gehen könne.[42] Und man wolle „weg vom Nationalen und mehr das Kameradschaftliche betonen“[43] , wobei der Kompetenznachweis Gallops kraft seiner Mitgliedschaft in beiden Vereinen, dem Kameradschaftsbund und der Ulrichsberggemeinschaft, erbracht wird. Und nicht zuletzt: Oschatz schlägt „neue Töne“ an: „Ein Volk könne als Nation nur überleben, wenn es sich den guten und bösen Seiten der Geschichte stelle sagte er und klammerte auch KZ-Opfer, Bombentote und Vertriebene nicht aus“[44] Anlass zu Jubel? Wohl kaum. Grundsätzlich kann für die Inszenierung der Feier eine strategische Zweigleisigkeit konstatiert werden, die sich in der Wahl der Festredner manifestierte. Einerseits fungierte als offizieller Festredner erstmals ein nicht-österreichischer Referent, der durchaus als gemäßigt bezeichnet werden kann: Der Direktor des deutschen Bundesrates Georg-Bernd Oschatz.[45] Andererseits wurde als „Nebenredner“ Kamerad Karl Semmelrock bemüht, der eben jene Themen ansprach, die von Oschatz nicht angesprochen wurden, nämlich die „alten Begriffe“. Auffällige Charakteristika bei der Oschatz Rede waren u.a., dass er bei der Thematisierung der (NS) Vergangenheit zwar die Bilder der „Appellplätze und Gaskammern der KZ’s“[46] miteinbezog, allerdings immer in Form einer Parallelstellung zu den „untergehende[n], geopferte[n] Armeen von verzweifelten Soldaten auf allen Seiten“[47] Damit bediente er sich einer gegenwärtig gängigen Strategie, die zumindest auf den ersten Blick eine Political Correctness“ vorgetäuscht, tatsächlich aber ausblendet, dass einerseits das Funktionieren der Gaskammern mit dem Geschehen an der Front in unmittelbaren Zusammenhang stand, anderseits der Eindruck vermittelt wird, dass es sich beim Holocaust um eine simple Facette des Krieges handelte und nicht um ein zentrales Moment. Oschatz fokussiert allerdings nicht ausschließlich die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart, die noch ganz im Zeichen des 11. Septembers stand. Hier dominieren, wenig überraschend, neoliberale Ansichten zu den Themenbereichen innere und äußere Sicherheit, d.h. Ausbau von Geheimdiensten, Militär und Zivilschutzeinrichtungen (was immer damit gemeint sein mag)[48], ferner müssten Wohlstandsopfer für die Sicherheit gebracht werden[49], auf die geistlich-sittliche Verfassung käme es nun an, Opferbereitschaft, Bürgersinn, Patriotismus seien nun im Kampf der Zivilisationen gefragt, wohingegen es mit der Selbstverwirklichung der Spaßgesellschaft zu Ende gehe[50]. Kurz: eine "Gemeinschaft der Bürger“[51]. Während Oschatz rechte Inhalte auf „intellektuellem“ Niveau vermittelte, sprach Semmelrock als „echter Heimkehrer“ die rechte Gefühlswelt der „Altsoldaten“ und vermutlich auch jene der zahlreich anwesenden Neonazis an: „Und heute stehe ich als heimatverbundener Kärntner mit meinen 80 Jahren am Fuße unseres so mächtigen Heimkehrerkreuzes. Meine Gedanken gehen zwangsläufig in jene Zeit zurück, in welcher wir nach den Worten eines unbekannten Frontsoldaten noch folgend beten konnten:
Herrgott, mit Worten sind wir karg, Neben der Verklärung der guten alten Zeiten, als man noch so beten konnte, scheut sich Semmelrock in seiner Rede auch nicht vor der Verwendung diverser NS-Propagandabegriffe, wenn er etwa neben den gefallenen „Altsoldaten“ auch jener Frauen und Männer gedenkt, die „auf der Flucht vor der roten Flut elend zugrunde gegangen sind“[53]. Ferner interpretiert er die Vereinigung Deutschlands als „eine späte Bestätigung dafür, dass wir mit unserem opfervollen Einsatz gegen den Kommunismus und Bolschewismus seinerzeit nicht ganz falsch gelegen sind.“[54]. Um den Widerspruch zwischen Kriegsablehnung und positiven Kriegserinnerungen aufzulösen, greift Semmelrock auf ein im Kameradschaftskreisen weithin gebrauchtes und bewährtes diskursives Element zurück: Krieg bleibt an sich verwerflich, aber die im Krieg gezeigte Leistung findet Anerkennung.[55]. Dem vermeintlichen „Versöhnungscharakter“ und dem angeblich „neuen Geist“ der Ulrichsbergfeiern zum Trotz, bleiben die alten Werte aufrecht, wie am besten die visionär und pathetisch gereimten Schlussworte der Rede erkennen lassen, wo Semmelrock das ulrichsbergische Vermächtnis für die Zukunft formuliert:
„Wenn sie unsere Zeit beschreiben Ende der Serie
teferle bernhard, 2004-01-16, Nr. 931 hallo!
xaver, 2005-09-19, Nr. 2084 wirst du, liebe lisa, wohl nicht mehr lesen, da nun schon über 2 jahr vergangen. ich habe deine beiträge mit interesse gelesen. hab dank! |
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