2003-11-18
Short Story I
T
omec hatte wohl, als er seine Aufträge erhalten hatte, brav mit dem Kopf genickt, aber kein Wort davon verstanden. Deshalb wunderte er sich, dass er sich plötzlich völlig alleine an einer Örtlichkeit befand, welche ihm nicht geläufig war. Seine Erinnerung an die Schapsorgie am Vortag war erloschen, aber auch an den Grund und Zweck, warum er nicht mehr im Altenheim war, in dem er sich wenigstens im Stockwerk, in dem er sein Zimmer bewohnte, auskannte. Und da war auch noch der Hund, waren solche denn nicht verboten?, dem er sich nicht entsinnen konnte. Einzig und allein der Kontrabass, der an einem Regal lehnte, schuf eine Brücke zu seiner Persönlichkeit. Tomec erkundete den Raum, indem er seine Blicke um 360° herumschweifen ließ.
Plötzlich sprang ihm der Verstärker ins Auge, und seine Erinnerung kehrte zurück, eine Erinnerung an eine Zeit, die schon sehr, sehr lange Vergangenheit war. Ein Verstärker, ein richtiger Verstärker, war damals der Wunschtraum jedes Musikers gewesen, nicht die umgebauten Volksempfänger, die nach allen Regeln der Kunst hintereinander geschaltet worden waren, damit eine Gitarre laut genug gewesen war, um mit einem Schlagzeug mitzuhalten, dafür aber keine Garantie geboten hatten, nach längerem Betrieb den Ton nicht derart zu verfälschen, dass man nicht mehr eindeutig feststellen hatte können, welches Instrument angesteckt war, oder die sich im schlechtesten Fall mit einer Rauchschwade und Stichflammen aus dem Wirrwarr aus Röhren und Kabeln verabschiedet hatten.
Tomec bestaunte dieses Ding, das als schwarzer Quader in der schmutzigen Garage stand und Gefühle in ihm auslöste wie die Kabba in Mekka bei den moslemischen Pilgern, ein 350 Watt Heiligtum, dem man sich nach Tomecs Vorstellung auf Knien nähern müsste. Obwohl er nie die Gelegenheit hatte, sich mit einem Verstärker näher zu beschäftigen, fand er auf Anhieb den Kippschalter, der das Gerät in Betrieb setzte. Vorsichtig legte er den Schalter um, und sofort erfüllte ein warmer, sanfter Brummton den Raum. Der Verstärker schnurrte wie eine Katze, die hinter einem geheizten Ofen lag und sich genüsslich seinen Mäuseträumen hingab. Ein Lächeln breitete sich auf Tomecs Gesicht aus, und als hätte ihn der Verstärker mit seinem Brummen aufgefordert, doch ein wenig mit seinen Knöpfchen und Reglern zu spielen, veränderte Tomec die Einstellungen, ohne zu wissen, was er damit anstellte. Durch das Auf- und Zurückdrehen des Lautstärkereglers konnte er die Intensität des Brummens verändern.
Tomec reizte der Gedanke, wie es wohl klingen würde, wenn eine Gitarre daran steckte. In diesem Moment entdeckte er Bleiweiß' Gitarrenkoffer. Obwohl Tomec wusste, dass es nicht in Ordnung wäre den Koffer zu öffnen, wo er denn nicht einmal eine Ahnung hatte, wem das Instrument gehörte, konnte er nicht widerstehen, die Gitarre auszupacken. Und welch Glück!!! In einem Seitenfach befand sich zufällig ein Kabel, mit dem man sie mit dem Verstärker verbinden konnte. Tomec steckte eine Klinke an der Gitarre an und machte sich an die Arbeit, das Loch zu finden, das sich am Amplifier befinden musste, damit auch wirklich ein Nutzen daraus gezogen werden konnte.
Nach kurzem Suchen steckte die Klinke in der entsprechenden Buchse. Tomec zupfte auf der Gitarre, der Lautsprecher blieb aber stumm. Er drehte den Regler der das Brummen verstärkte, voll auf. Ohne Erfolg! Tomec schlug wilder in die Saiten, wurde immer ungeduldiger, bis ihm die Idee kam, die Gitarre genauer unter die Lupe zu nehmen. Und tatsächlich waren auf dem Instrument auch zwei Regler angebracht. Dann machte Tomec den entscheidenden Fehler, indem er das Volumen der Gitarre bis zum Anschlag aufdrehte, und dadurch die leichteste Bewegung am Griffbrett Ohren betäubende Töne aus dem Verstärker schickte.
Fortsetzung folgt.