1999-12-21
In weihnachtlicher Verbundenheit
Lieber Hans
Ich weiß, es ist lange Zeit her, seit ich Dir das letzte Mal geschrieben hatte. Nun sollen diese Zeilen jene Lücke füllen, die seit unserem letzten Gespräch entstanden ist. Eine Lücke, deren Ursprung wohl in der Jahreszeit bedingt ist, denn alle Menschen sind zur Zeit im Stress. Stress, eine sehr eigenartige Wortschöpfung, deren tieferer Sinn mir sicherlich auf alle Zeiten verborgen bleibt. Synonym für die Grenzen menschlichen Leistungsvermögen. Grenzstation zum Land des Durchdrehens. Eine Grenze, die gerade in dieser Phase des ausgehenden Jahres erlebt wird, wie das Duty - Free am Wurzenpass. Ergo muss diese Stress-Grenzstation etwas anziehendes haben, denn es liegt in der Natur unseres Menschseins, jeweils Dinge aufzusuchen die von großem Reiz für uns sind. Ein vorweihnachtlich berauschender, erstrebenswerter Zielpunkt dessen Bedeutung nicht hoch genug einzuschätzen ist.
In weihnachtlicher Verbundenheit
Peter 21.12.99
Stichwort Stress!
,,Stille Nacht" ,,Oh Tannenbaum" und,,Ihr Kinderlein kommet" verbinden sich mit Unmengen an Werbematerial vor der Haustüre und dem redlichen Bemühungen einer engagierten Werbemaschinerie, die uns lehrt wie wir unseren LIEBEN weihnachtliche Freuden vermitteln können! Somit ist der Weihnachtsstress zum verbalen Orden all jener Mitmenschen geworden, die in der ,,Stillen Zeit" vor allem eine Anhäufung mehr oder minder nützlicher Dinge sehen, deren Austausch durch die Verwendung aufwendiger Verpackungen aufgewertet wird. Ich genieße es, diese Hektik rund um einen imaginären Geburtstag zu beobachten, stellt sie doch ein jährlich wiederkehrendes Ritual dar, dessen sich kaum jemand entziehen kann. Ich will in diesem Brief nicht weiter auf die Keks, Glühwein und Silberpapier geprägte Zeit eingehen. Wir können sie ja in einem Jahr wieder - und ich hoffe darauf -gemeinsam erleben, beobachten und kommentieren. Irgendwie haben diese Tage und Wochen ihre kindliche Unschuld vollkommen eingebüßt. Wie schön waren die Zeiten, ach Du weißt schon...
Hätte ich doch vor Jahren - geprägt von dem Bedürfnis erwachsen zu sein - nicht zugegeben den Glauben an das Christkind verloren zu haben. Wie hasse und verfluche ich diesen Tag meines Heranwachsens. Gerne würde ich heute noch einen ,,Brief an das Christkind" schreiben, ihn Abends ins Fenster legen und am Christabend all jene Packerl aufpacken über deren Herkunft ich nichts zu wissen habe, nur freuen muss ich mich ohne den Gedanken an Weihnachtseinkäufe zu verschwenden. Wie gesagt, ich hasse den Tag, an dem ich alles zugegeben hatte.
In weihnachtlicher Verbundenheit
Peter 21.12.99
Flug nach Bethlehem
Nachtflug in der Stille,
Samt Exupery,
der Kleine Prinz,
die Motoren dröhnen Jacques Brel.
Irrlichter der Instrumente folgen dem Kometen.
Stahlschwere Schwingen schneiden in das Schwarz,
weiße Linien zeichnen den Weg.
Josef Maria und ein kleines Kind,
in Frankfurt am Main.
17.12.1999
Im Gasthaus
Weihnachtsmützen der letzte Schrei,
Christbäume Design-geplagt,
neigen sich vor Unverständnis.
Oh Tannenbaum
Herodes fordert die Regenwälder,
Sternspritzer sind Notrufe aus Venezuela,
oder
aus Afrika,
Tschetschenien,
Afghanistan
Oder ...
20.12.1999