2003-01-16
Eine Stadt regt sich auf
Wollen wir wirklich überwacht werden?
In seltsamer Einigkeit regt sich eine ganze Stadt über den Erlass des ÖVP-Ministers Strasser auf, wonach die illegale Überwachung der Lederergasse durch die Polizei einzustellen sei. Der Bürgermeister Manzenreiter regt sich auf. Der Stadtrat Pfeiler regt sich auf. Der Polizeigewerkschafter Jürgen Pfeiler regt sich auf. Der Stadtrat Lang regt sich auf. Die Gewerbetreibenden in der Lederergasse regen sich auf. Nur die ÖVP-Gemeinderätin Helga Sacherer regt sich nicht auf. Sie befolgt wohl die neueste Villacher Stadtparteilinie, wonach berittene Polizei das Problem besser lösen würde. Schon komisch, wenn man bedenkt, dass die Videoüberwachung erst auf Antrag der Gemeinderätin Sacherer überhaupt auf die Tagesordnung gesetzt wurde. Aber die ÖVP wird sich spätestens dann aufregen, wenn's an Eingemachte, sprich Gemeinderatswahlen geht. Wer sich nämlich in Villach über die Einstellung der Videoüberwachung aufregt, der spricht mit der Stimme des Volkes.
Nun ist es aber Tatsache, daß es in Österreich weder der Polizei noch einer Gemeinde erlaubt ist, Überwachungsvideos aufzuzeichnen. Und das hat gute Gründe. Denn: Wer überwachen darf, der tut es auch. Und er tut es dann auch dort, wo die braven Gemeindebürger nicht mehr so brav sind. Dort nämlich, wo es nicht mehr nur um jugendliche Betrunkene geht, denen die braven Gemeindebürger solange Alkohol ausschenken, bis diese ihn nur mehr auf die Straße kotzen können.
Dann würden sie auch Ampeln und Parkflächen videoüberwachen, und ihre Strafverfügungen würden vollautomatich an die Bestien gelangen, welche bei Gelb schon losfahren. Mit dem Hinweis natürlich auf eine effiziente und schlanke Verwaltung.
Dann würden sie auch den Hauptplatz überwachen, weil ja den Radfahrern in der Fußgängerzone der Garaus zu machen sei. Und weil man dann so schön sehen könnte, wer bei welcher öffentlichen Parteiveranstaltung auftaucht.
Dann würden sie auch den Bahnhof überwachen, weil man ja die ungustiösen Sandler von den braven Gemeindebürgern fernhalten müsse. Und weil man dann so schön sehen könnte, wer wann wo hin fährt.
Dann würden sie auch die Trattengasse überwachen, wegen der Kinder, deren Schulweg gesichert werden müsse. Und weil man dann so schön sehen könnte, wer wann ins Puff geht.
Das alles und noch viel mehr, würden sie überwachen, wenn sie dazu eine Erlaubnis hätten. Und ich kann nur hoffen, daß sie sich nicht deshalb so aufregen, sondern daß sich der von ihnen artikulierte Volkszorn tatsächlich auf eine Gasse beschränkt, die rechts hinter der Draubrücke beginnt, wenn man vom Bahnhof in die Stadt kommt.