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2003-10-06 Fragment II Brotherr Der Mann in der schweren , schwarzen Limousine war der gleiche, der vor nicht allzu langer Zeit Christus für einige Silberlinge verkauft hat. Dieser Mann lebte lange in einem unterwürfigen Verhältnis, nun hat er sich selbstständig gemacht. Dafür hat er sich eine neue Grimasse anfertigen lassen. Neulich wollte er mich peitschen. Ich sagte, er soll sich ein Gewissen kaufen. Daraufhin wollte er mich peitschen. Einige Tage oder einige Jahre - jedenfalls später traf ich ihn auf der Straße. Er saß in der schweren schwarzen Limousine, eine Hand hing heraus. Die grauen Handschuhe lagen auf dem weißen Lenkrad. " Brotherr", sagte ich. Seine Augenlider senkten sich. Ein Hund - ja, ein Hund lief vorbei, ein Foxterrier. " Überall", streunt das Gesindel herum", sagte er leise und verächtlich zu den Handschuhen. " Überall ", wiederholte ich mit einer knappen, starren Verbeugung. Meine großen leeren, starren Augen, ich meine mein Blick, war von ihm gebannt. "Man müßte die Welt desinfizieren", sagte er ärgerlich. "Das wäre notwendig", pflichtete ich bei. Man muß beipflichten, dachte ich. Denn das ist unmoralisch. Er liebt es. Und hier die Wirkung: " Es ist kühl heute ", sagte er plötzlich einlenkend. "Im Schatten", antwortete ich. " Ich würde die Sonne suchen." (Es gibt Dinge, die im Schatten geschehen; Sonne, weißt du das? - Klingt das nicht nach Anam? " Die Sonne - " Er machte eine wegwerfende Handbewegung. In sich gekehrt murmelte er: "Der Schatten ist mild."
" Brotherr", sagte ich, " du hast Milde verdient." "Ich habe verdient", sagte er zweideutig und lächelte mit geschlossenem Munde. Wie liebte ich den Brotherrn! Ich hätte ein Messer zerreißen können. Ich hätte weinen wollen mit geschlossenem Mund, ich hätte wollen mein Leben wegwerfen. "Brotherr", flüsterte ich in wilder Hast, ich flüsterte heiser, in dieser Situation tut man es. " Brotherr, wenn ich dich auch nur mit einer Fingerspitze berühre, zerfällst du zu Asche." Ganz nahe war mein Zeigefinger bei ihm, nur wenige Millimeter. Meine Augen glühten: "Alles was du bist, ist ein wenig Farbe!" "Mich kannst du nicht beschwören", sagte er geringschätzig und schüttelte den Kopf. Ich ließ meinen Arm sinken. Müde, kraftlos, gebeugt stand ich vor der Ehre eines Toten. Die Ehrerbietung in der Welt, die Demut und Einsicht. "Es ist schade um jede Farbe - darum", sagte ich. Ich weiß nicht, warum er seine zierliche, kleine Pistole aus der Tasche holte. Töten wollen - töten dürfen - müssen. Ich weiß nicht. "Siehst du", sagte er und strich mit dem Zeigefinger entlang dem Lauf zur Mündung. "Da sind viele Kugeln drin - " Er hob den Kopf und zum erstenmal blickte er mich an, er blickte mich grinsend an: " Es muß nicht die nächste sein, aber - ", er richtete die Mündung spielerisch gegen meinen Kopf, " - aber eine !" Blitzschnell öffnete er die schwere Wagentüre und schloß sie wieder, Durch den Schlag taumelte ich und fiel zu Boden. Leise surrte der Motor. Das geschah im Schatten.
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