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2003-09-09 Der Stiftzahn Eine dentologische Betrachtung (Teil 3) Mitnichten! Erstens verließen wir die Szene mit einem Provisorium und zweitens ist der Verlauf um diesen jugendlichen Stiftzahn weitere Betrachtungen wert. Peter, wusste nämlich mittels seines Provisoriums die ohnedies lähmenden Schulstunden kurzweilig zu gestalten. Da Peter von allen Lehrkräften der Mittelschule ganz besonders geliebt wurde, legten sie viel Wert darauf Ihn in der ersten Bank unterzubringen, wohl um ihrem Lieblingsschüler ganz nahe zu sein. Peter, der gerade im Begriffe war, Frauen und Mädchen nicht als blöd und unnotwendig zu empfinden, hegte just zu dieser Zeit, eine für ihn unbegreifliche Verehrung für seine Mathematik Professorin. Diese wiederum muss ähnliche Gefühle empfunden habe, da sie versuchte den hoffnungsvollen Schüler durch eine Nachprüfung an sich zu binden. Obgleich die verhasste Mathematik, für Peter nur aus Zahlen und völlig unzusammenhängenden Buchstaben bestand, schaffte er diese Prüfung. Somit trennten sich auch die Wege in dieser aufkeimenden Liebe. Ja, ich komme schon wieder zurück. Peter, dem ein strahlendes Lächeln zu eigen war, strahlte sein mathematisches Frauenidol immer an, nicht um der Anerkennung, sondern seines Provisoriums willen. In der Zwischenzeit hatte er nämlich bereits gelernt, das Provisorium durch akrobatische Verrenkungen von Zunge und Oberlippe den Interimszahn von seinem Stift zu ziehen. Abermals strahlte er die, ihm unergründliche Zahlenfrau an, die ob des silbrigen Stiftes ganz große Augen bekam. Er schloss wieder seinen Mund und steckte das Provisorium wieder an seinen angestammten Platz und lächelte erneut voller Hingabe. Nachdem dieses Auf und Ab eine Zeitlang ebenso ablief, wie die verbleibende Zeit für die Fertigstellung der Schularbeit, hatte Peter sicher zehnmal die Möglichkeit ihre schönen strahlenden Augen zu genießen. Rückschlüsse auf ein allfälliges Ergebnis der Schularbeit, sowie auf die Augen, es die Schularbeit unterschreibenden Vaters, gehören hier einfach nicht zum Thema. Nun reifte der bereits Elfjährige, ausgestattet mit einem prachtvollen Stiftzahn, zum stattlichen Manne heran. Bei einer Laienbühne legte er sein Debüt auf die Bretter, die sozusagen die "Welt" bedeuten. Es ergab sich an einem Aufführungsabend, als sich bei Herrn Peter, inzwischen 26 Jahre alt, beim Versuch eine Nudelpackung aufzureißen der Stiftzahn glatt spaltete. Zum Glück fielen dessen Teile aus dem staunend geöffneten Mund und nicht nach hinten in die Speiseröhre, was eine kurzfristige Suche eher erschwert hätte. Damit in seiner Rhetorik reichlich behindert, wusste der angehende Star am Schauspielhimmel nicht, wie er die abendliche Vorstellung meistern sollte. Der Zufall spielte ihm Superkleber in die Hand. Der daraus entstandenen Eingebung folgend, klebte er die beiden Porzellanteile an den freigelegten Platinstift. Ja, Platin, dieser Stift ist wirklich aus jenem wertvollen Metall, was jedoch nicht Grund war, dass der Onkel Zahnarzt damals auf die verbesserten Heiratschancen hinwies. Ganz im Gegenteil, Herr Peter war bereits zwei Jahre verheiratet und seine Frau wusste nicht einmal von dem Wertgegenstand in seinem Munde. "Superkleber, sind Sie verrückt, der ist ja giftig!" Nicht schon wieder, jetzt noch so ein Gesundheitsapostel, wahrscheinlich in elendslangen Schafwollpullovern auf einer Hühnerstange, Getreide essend. Zugegeben gehört Superkleber zu den eher unverträglichen Materialien, nur frage ich mich, was dem Magen mehr schadet? Mikrospuren von Superkleber, oder zwei Hamburger? Obendrein, sie neunmalkluger Körndlfresser, sie sind wohl gegen die Kunst der Schauspielerei. Ich spüre es, ich weiß es. Waren sie überhaupt jemals im Theater. Haben sie Shakespeare gesehen? "„Sicher, außerdem liebe ich Kultur, habe mir sogar eine eigene Sojasprossen Kultur angelegt." Soja Kulturen, erlauben sie mir ihnen leichten Zynismus mittels meiner Kugelschreiberspitze zu übermitteln. Sie und Kultur, sie und Weltliteratur. Was wissen sie schon von den weltbedeutenden Brettern? Stellen sie sich einen Schauspieler in Hamlet vor, der seinen Stiftzahn nicht mit Superkleber geklebt hätte. Stellen sie sich die Szene vor. Ja, stellen sie es sich nur vor! Es gibt nämlich noch andere Dinge im Leben als Körndl und Wollpullover. Es gibt ewige kulturelle Werte. Dramatik oder die Sinnfrage an der Schriftsteller und vor allem Leser bereits millionenfach gescheitert sind. Strecken sie ihren Hals aus dem Rollkragenpullover der Einfältigkeit. Ich habe Visionen, haben sie die auch? Wahrscheinlich ist ihnen dies bis dato ein wiger „Dinkel“ geblieben? Aber ich habe eine Vision. Ich sehe den Schauspieler ohne oberen Schneidezahn. In seiner Hand hält er den Totenkopf. Ergriffene Stille im Publikum. Der Schauspieler blickt in Augenhöhlen des Schädels. Unter Aufbietung all seiner schauspielerischen Fähigkeiten richtet er an den Totenkopf die weltbedeutende Frag. Behindert durch den fehlenden Stiftzahn klingen seine Worte von unglaublicher Bedeutung plötzlich wie; "Fein oder nicht fein?" Super, der alte Shakespeare würde sich im Grab umdrehen. Sehen sie Kunst verlangt nach ganzem Einsatz, nach Opfern wobei die Mikromenge Superkleber kein wirkliches Opfer darstellt. Daher wiederhole ich ihnen die Frage der Weltliteratur abermals, obgleich ich keinen Totenschädel, aber einen Eindruck von ihnen vor mir habe. "Sein oder nicht ein?" Diese Frage stellt sich aber auch für jeden Stiftzahnbesitzer, dessen Zahn stiften gegangen ist. So, das war´s. Nun ist die Diskussion eröffnet und da mich letztlich niemand früge, warum ich dies geschrieben habe, möchte ich auch den Grund eingestehen. Ich sitze an meinem Schreibtisch, einen Apfel in der Hand in dessen Fruchtfleisch ein Stiftzahn steckt und ich kann ihnen versichern; "Ef muf meiner fein!"
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