2003-08-13
Was ist 'wirkliche Information'?
Versuch einer Antwort auf eine entsprechende Anfrage im Leserbrief Nr. 403
Das Konzept der "wirklichen Information" unterstellt offensichtlich eine Beziehung zwischen Wirklichkeit und Information. Bevor wir die eigentliche Frage beantworten können, müssen wir also die von uns zu Grunde gelegten Konzeptionen von "Wirklichkeit" und "Information" erläutern.
Zum Ersten: Der Begriff der "Wirklichkeit", wie wir ihn hier verwenden, bezeichnet jenen philosophischen Ort, an dem es (im eigentlichen Wortsinn) zu Wirkungen kommt. Ein Ort, an dem Prozesse Wirkungen auf synchrone aber auch auf nachgelagerte Prozesse ausüben. Wobei der Auslöser der hier interessierenden Prozesse menschliches Verhalten ist. Genau das kommt übrigens durch die sprachliche Nähe von "wirken" und "werken" (letzteres im Sinne menschlicher Tätigkeit) sehr gut zum Ausdruck.
Eine weitere Eigentümlichkeit der deutschen Sprache räumt uns noch die letzte Hürde weg: Wenn Menschen sich verhalten (und daher in unserem Sinn wirklich werden), so tun sie das in aller Regel nicht isoliert, sondern gegen- und/oder miteinander. Und damit gehen Menschen durch ihr Verhalten Verhältnisse ein. Nennt man nun die Summe dieser Verhältnisse Gesellschaft, so kommt man unweigerlich zur Folgerung:
Wirklich ist, was gesllschaftlich wirksam ist.
Zum Zweiten: Der hier von uns verwendete Informationsbegriff ist ein technischer (um nicht zu sagen naturwissenschaftlicher), wie ihn etwa Claude Shannon in die einschlägige Literatur eingeführt hat. In seiner Informationstheorie ist ja bekanntlich der Informationsgehalt eines Zeichens umgekehrt logarithmisch proportional zu seiner Auftrittswahrscheinlichkeit. Oder vereinfachend ausgedrückt:
Je unerwarteter ein Zeichen (oder eine Kombination von solchen) im Kommunikationsprozess, desto höher sein Informationsgehalt.
Es ist also das Unerwartete, das Neue, das Verblüffende, das Exotische, das nicht Vorhergesehene, das kaum Gesagte, welches einen hohen Grad an Information transportiert.
Damit wird klar: wirkliche Information bedeutet Information, die auf Grund ihres hohen Gehalts an Unerwartetem, Unvorhergesehenem, ansonsten tot Geschwiegenem, bewußt Vorenthaltenem, von den Medien zurück Gehaltenem wie von selbst gesellschaftlich wirksam wird. Oder anders gesagt:
Wirkliche Information ist das genaue Gegenteil von dem, was Machthaber ihren Völkern auf der ganzen Welt in elendslangen, täglich medial wiederholten Litaneien vorbeten, was also einen Informationsgehalt von genau Null hat und daher auch nicht gesellschaftlich wirksam werden kann. Das aber ist ihr erklärtes Ziel und dieses Ziel ist durch das hier vorgestellte Konzept der wirklichen Information tatsächlich in wirklicher Gefahr.
PS: Im Vorwort zu seinem Buch "Der rasende Reporter" schreibt Kisch: "Nichts ist verblüffender als die Wahrheit. Nichts exotischer als die Sachlichkeit."