2003-05-18
Kirchengeschichten
Muss Kirche wirklich Sünde sein?
Nach erfolgreicher evangelischer Taufe, die aber wahrscheinlich die Ursache meiner Abneigung gegen Wasser ist, plätscherte die Religion in der Folge träge an mir vorbei. Das änderte sich jedoch im zarten Volksschulalter schlagartig.
Schuld daran war ein Franziskanerpater namens Pater Thomas. Alleine schon sein Erscheinen in der Schule war faszinierend: er kam mit einem alten Puch Moped mit wehender Kutte „angeflogen“. Und dieser gütige Mann gestattete es mir als ketzerischem Lutherianer am Religionsunterricht der Katholen teilzunehmen. Und es kam noch besser. Der glockenlose Turm der Kirche zu St. Leonhard hatte endlich genug arme Seelen überredet, sich mit einer Spende den Eintritt ins Himmelreich zu sichern. Er bekam so viele Spenden, dass er sich gleich drei prächtige Glocken leisten konnte. Und das musste natürlich gebührend gefeiert werden. Der listige Pater tarnte mich als Katholen – der Bischof durfte das mit dem Ketzer ja nicht wissen – und ich durfte zusammen mit zwei anderen Kindlein ein Gedichtchen für eine der Glocken aufsagen. Es war ein Bombenerfolg, wie mir die Glocke heute noch versichert und es war der Anfang einer losen Freundschaft mit dieser Konfession.
Die Jahre zogen ins Land und diese Freundschaft geriet auf Grund fehlender Kontakte fast in Vergessenheit, was sich jedoch schlagartig während meiner Mittelschulzeit änderte. Auch diesmal war es ein ehrwürdiger Vertreter der Heiligen Römischen Kirche der mich wachküsste. Der gute Mann war Pfarrer in der Stiftskirche zu Ossiach und gestattete mir ebenfalls die Teilnahme am Religionsunterricht, allerdings mit der Auflage mich mehrmals pro Stunde als Ketzer bezeichnen zu dürfen, wahrscheinlich damit er mit seinem Herrn nicht allzu sehr in Konflikt kam.
Da der Religionsunterricht, zweimal pro Woche, in der letzten Stunde stattfand und eine Schulstunde bekanntlich ja nur 50 Minuten hat, beschloss der Herr Pfarrer eines Tages den Unterricht zu verlängern. Allerdings nicht in der Schule.
Nein! Er verfrachtete mich und vier ebenfalls wissensdurstige Kameraden in seinen Opel Olympia und dann ging es abwechselnd in das alte Brauhaus, das Hotel Europa oder das Hotel Post. Dieser Intensivunterricht wurde durch den spendablen Kirchendiener durch ein paar Biere und Marlboros verfeinert und ihr werdet sicherlich verstehen, dass wir bemüht waren keine einzige Stunde zu versäumen.
Damals begriff ich, dass die Kirche einfach aus Schulungsgründen Gasthäuser braucht. Das Gespräch über den Herrn und mit dem Herrn funktioniert mit Alkohol einfach besser.
Und da Gasthäuser in der Regel nicht so groß wie Kirchen sind, gibt es bei einer Kirche meist mehrere Gasthäuser, damit alle Wissensdurstigen Platz finden.
Nächste Folge: Maiandacht im Juni