Independent Carinthian Art & Cult | ||
Tue Sep 17 2024 00:14:25 CET |
|
2014-10-28 Tagung: „Krisenherde weltweit. Welche Welt bilden wir? Welchen Beitrag können Bildungskonzepte wie das Globale Lernen leisten?“ In welcher Welt leben wir? Israel, Palästina, Syrien und die Ukraine befinden sich in Aufruhr, weltweit entstehen immer neue Krisenherde. Worin bestehen die Ursachen all dieser Konflikte, welche Zusammenhänge bestehen und zeichnen sich emanzipatorische Ansätze innerhalb der betroffenen Länder ab? Um dies beantworten zu können, stellen sich weitere Fragen: Wie werden uns diese Konflikte vermittelt, welche Sichtweisen schwingen dabei mit? Wie bilden wir uns eigentlich unsere Meinungen? Den Blick für Neues öffnen Jede Gesellschaft hat ihre eigene Sicht auf die Welt. Dies ist nie reine Ideologie, sondern jede gesellschaftliche Sicht auf die Welt wird wahr, weil Menschen nach ihr handeln: in der Welt des 19. Jahrhunderts, in der Frauen und Schwarze für dumm gehalten wurden, wurden sie auch dumm gehalten. Bildung kann dementsprechend zweierlei ermöglichen: Sich in dieser Welt erfolgreich zurechtzufinden. Das ist der Weg, den Globales Lernen als pädagogische Antwort auf die Komplexität der Globalisierung verfolgt. Oder die Welt, wie sie ist, in Frage zu stellen, um den Blick für neue Horizonte zu eröffnen. Das ist der Ansatz, wie ihn Paulo Freire mit seiner aus sozialen Bewegungen entnommenen Pädagogik verfolgte. Dies entspricht aber auch jüngeren Ansätzen wie dem Post-Development, in denen es um die Infragestellung des westlichen Entwicklungsmodells geht.Bildung als Werkzeugkiste Das Bündnis für eine Welt versucht, ein Konzept des „Globalen Lernens als Kritik“ (GLaK) zu verfolgen und zur Diskussion zu stellen, welches die Warum-Frage und die Verstricktheit von uns Beteiligten als Lernende und Lehrende in den Mittelpunkt stellt. Letztlich geht es darum, Bildung nicht als Wegweiser zu verstehen, sondern Bildung als Werkzeugkiste. PROGRAMM Freitag, 31.Oktober
„Welchen Beitrag können Bildungskonzepte wie das Globale Lernen leisten?“ Strukturen in Frage stellen Die Frage nach dem „Warum?“„Warum“, fragen kleine Kinder zu allem, bis es uns Erwachsenen gehörig auf die Nerven geht. Dabei ist es gerade diese Frage, die nicht nur in herkömmlicher Bildung, sondern auch beim Ansatz des Globalen Lernens zu kurz kommt: Warum frisst das Vieh der Reichen das Brot der Armen? Warum sollen Kinder lernen, besser als andere Kinder zu sein? Und warum geht es immer nur um Problemlösungen für die „Weltgesellschaft“, ohne diese Gesellschaftsordnung grundsätzlich zu hinterfragen? Solange Globales Lernen nur die pädagogische Antwort auf die Globalisierung ist, solange es nur als Orientierungshilfe in einer verdichteten, komplexen Welt dient, während die ´Eine Welt´ ökonomisch vielfach auseinanderfällt, droht es, Machtverhältnisse und bestehenden Ungerechtigkeiten zu stabilisieren. Dann bleibt Globales Lernen ein Wegweiser. Keine Werkzeugkiste. Fairness in der globalen Welt?So wird vielfach vertreten, Globales Lernen wolle vermitteln, wie sich in dieser Welt fair zu verhalten ist. Doch was sehen Sie vor Ihrem geistigen Auge, wenn es heißt: ´Die Kinder spielen´. Kinder, die friedlich miteinander oder alleine Verschiedenes spielen: Puppen, Lego, in einer Sandkiste? Und was sehen Sie, wenn es heißt: ´Die Kinder spielen fair´? Mit einiger Wahrscheinlichkeit sehen Sie einen Wettkampf. Und unabhängig davon, was gespielt wird, ist klar, was gemeint ist, wenn die Sprache auf Fairness kommt: Es geht um ein Spiel, dass auf Gegeneinander/ Wettkampf / Konkurrenz beruht; daher muss es Sieger/innen und Verlierer/innen geben. Fair ist, wer sich an diese Regeln hält. Die eigene VerstrickungZwar wird im Globalen Lernen eine verzweckte Bildung abgelehnt und Bildung als offener Prozess definiert, doch droht dies zur leeren Hülse zu werden ohne die Frage nach dem „Warum“. Die selbstverständliche Hinnahme der gesellschaftlichen Bedingungen sorgt dafür, dass sich der heimliche Lehrplan durchsetzt. Dass geschieht häufig nicht bewusst. Im Rückblick wird deutlich, dass vor hundert Jahren auch in scheinbar objektiver Bildung sexistische und rassistische Sichtweisen implizit waren – doch der Blick auf die eigene Verstricktheit bleibt eine Blindstelle. Welche Welt bilden wir? Bildung als KonkurrenzvorteilAnders als es der übliche Zugang von Bildung nahelegt – wonach der Mensch bewusst handelnd die Welt frei gestalten kann – fällt es sowohl Lernenden als auch Lehrenden schwer, Abstand zu nehmen zum eigenen (individuellen und gesellschaftlichen) Verfangensein in das Gegebene. Dass hiermit auch eigene Privilegien verknüpft sein können (zum Beispiel als Teil des Globalen Nordens), macht es nicht einfacher. Aber selbst Verlierer/-innen im globalen Mensch-Ärgere-Dich-nicht-Wettkampf lernen, die Verantwortung nur bei sich und ihrer unzureichenden Bildung zu suchen. „Bildung ändert alles“, plakatierte kürzlich die Kindernothilfe. Integration in was?Obwohl alleine schon die offensichtliche globale ökologische Krise eine Fortsetzung des ´Modells Entwicklung´ (dem vom Konzept her unendlichen Modell aus Erwerbsarbeit – Bedürfnisschaffung –Konkurrenz – Wachstum – Erwerbsarbeit - …) verbietet, setzen auch die ´aufgeklärtesten´ Akteur/-innen der Zivilgesellschaft auf Integration durch Erwerbsarbeit, sei es bei Migrant/-innen, bei sozial Schwachen oder bei Menschen mit Behinderungen Vom Entwicklungsparadigma zu ´Post-DevelopmentWas es braucht, ist nicht weniger, als eine grundsätzliche Hinterfragung unseres Entwicklungs-, Arbeits- und Lebensmodells. Dies ist nicht neu, sondern geschieht in der Diskussion um ´Post-Development´ – also nach einer angestrebten Überwindung des westlichen Entwicklungsmodells – gerade unter kritischen Stimmen des Globalen Südens seit Jahrzehnten. Neben einigen Ansätzen, welche das westliche Modell fundamental ablehnen, gibt es zahlreiche Suchen nach neuen Wegen in eine ökologisch und sozial nicht nur verträgliche, sondern erstrebenswerte Zukunft Globales Lernen als Kritik Bildung als WerkzeugkisteDas Bündnis für eine Welt versucht deshalb, ein Konzept des „Globalen Lernens als Kritik“ (GLaK) zu verfolgen, welches die Warum-Frage in den Mittelpunkt stellt. Zentraler Ansatzpunkt für Lernprozesse ist die eigene Verstrickheit von uns Beteiligten als Lernende und Lehrende. Letztlich geht es darum, Bildung nicht als Wegweiser zu verstehen, sondern Bildung als Werkzeugkiste. Der Rolle des Bewusstseins bewusst seinAuch dies sind Gedanken, welche im Post-Development-Diskurs präsent sind, aber auch schon die Pädagogik von Paulo Freire geprägt haben: Freire bezog sich fortwährend auf die in Wechselbeziehungen stehenden Verhältnisse von Subjekt und Objekt, Theorie und Praxis, Denken und Sein, Bewusstsein und Realität. Bildung müsse sich der Rolle des Bewusstseins für eine Gestaltung der Wirklichkeit bewusst sein. Den (globalen) Raum für Neues öffnenBoaventura de Sousa Santos (zur Zeit auch Direktor des vom Europäischen Forschungsrats geförderten Projekts Alice – Strange Mirrors, Unexpected Lessons: Leading Europe to a new way of sharing the world experience) spricht von einer ´Soziologie der Abwesenheiten´: das, was nicht existiert, wurde aktiv als nicht-existent produziert. Und er spricht von der Soziologie des Aufkommens, in welcher die Zeit und der Raum, in denen neue soziale Erfahrungen identifiziert und glaubwürdig gemacht werden können, geöffnet werden. Welche Anstöße kann es geben, um Globales Lernen in diese Richtung weiter zu entwickeln? Welche Möglichkeiten kann es für in die Institution Schule eingebundene Bildung geben, diesen hehren Ansprüchen gerecht zu werden? …
Keine Reaktionen vorhanden |
|