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2013-11-18 AUS DEM GEDÄCHTNIS IN DIE ERINNERUNG HOLEN ABSCHIED VON HERMINE, FELIX, LIESL, EVA, UND PETER PREIS Sprecher A Um die Jahrhundertwende kamen zahlreiche jüdische Neuansiedler, aus den habsburgischen Kronländern nach Kärnten. Sie betrieben Gemischtwarenhandel, Holz- und Lederhandel, verkauften Bekleidung oder auch Geschirr. Einige Juden arbeiteten auch als Gastwirte, Ärzte, Beamte oder auch Handwerker. Sprecher B Die Geschichte der Klagenfurter Familie Preis beginnt im Jahre 1892 mit Adolf Preis, der im Jahre 1892, nach seiner Verehelichung mit Hermine Mautner, von Linz nach Klagenfurt übersiedelte. Der Ehe entstammten fünf Kinder – Robert, Emil, Marianne, Felix und Dora – die in den Jahren 1893 bis 1898 zur Welt kamen. In der Folge baute das Ehepaar eine Schneiderei und ein Herrenkonfektionsgeschäft in Klagenfurt auf. Es handelte sich um einen klassischen Familienbetrieb: Sowohl die Kinder, die dementsprechend ausgebildet wurden, als auch die Gattin arbeiteten ständig mit. Die Werkstätten und das Geschäftslokal befanden sich am Alten Platz in Klagenfurt. Sprecher A Die zwanziger und dreißiger Jahre in Kärnten waren geprägt durch einen zunehmenden gehässigen und aggressiven Antisemitismus. Sprecher B Trotz der allgemein schwierigen Zeiten ging die wirtschaftliche Expansion der Familie Preis weiter. Adolf Preis erwarb am Dr. Adolf Lemisch Platz ein großes Haus, das zum Wohnsitz der Familie wurde. Im Dezember 1931 verstarb Adolf Preis. Kurz zuvor hatte seine Tochter Marianne Preis den nichtjüdischen Architekten Mathias Schiffler geheiratet und trat zum katholischen Glauben über. 1931 kam ihre Tochter Elisabeth zur Welt. Felix Preis verheiratete sich mit Liesl Steiner. Aus dieser Ehe stammten die beiden Kinder Eva und Peter, geboren 1935 und 1936. Das Ehepaar betrieb ein Konfektionsgeschäft in der Paradeisergasse und eine Hemdennäherei in der Bahnhofstraße Sprecher A Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes vom 15. September 1935. Der Reichstag hat einstimmig das folgende Gesetz beschlossen, das hiermit verkündet wird. Sprecher B Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Großdeutsche Reich kam es in Kärnten zu weiteren massiven Diskriminierungen und Einschränkungen gegenüber den jüdischen Bürgerinnen und Bürgern. Der Besuch von höheren Schulen wurde ihnen verboten. Rechtsanwälte, Notare, Ärzte und Beamte durften ihre Berufe nicht mehr ausüben. Verhaftungen, Beschlagnahmungen jüdischen Eigentums und die Auflösung jüdischer Vereine gehörten zum Alltag. Jüdische Geschäfte wurden gekennzeichnet und es war verboten bei Juden einzukaufen. Freunde und Bekannte bemühten sich fortan, den Kontakt mit ihren jüdischen Mitbürgern zu meiden. Schritt für Schritt nahmen die Ausgrenzungen nahmen ihren Lauf. Sprecher A Sieben Monate später ereignete sich die von den Nazis so genannte Reichskristallnacht, die Historiker sprechen vom Novemberpogrom 1938. Auslöser war ein Schussattentat. Der 17jährige Jude Herschel Grynszpan, dessen Eltern Ende Oktober 1938 nach Polen deportiert wurden, verübte am 7. November 1938 in Paris ein Schussattentat auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath. Daraufhin kam es im gesamten Deutschen Reich, organisiert von den Nationalsozialisten, zu einer ungeheuren Welle der Gewalt gegen Jüdinnen und Juden. Die gesamte jüdische Bevölkerung wurde einem beispiellosen Terror ausgesetzt. Beinahe alle Synagogen wurden zerstört und niedergebrannt, die Schaufenster jüdischer Geschäfte wurden eingeschlagen, die Geschäfte und die Wohnungen wurden verwüstet. Jüdinnen und Juden wurden gedemütigt, verspottet, geschlagen, verhaftet und in Konzentrationslager deportiert. Etwa 30 000 Juden wurden festgenommen und in die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen eingeliefert. Hunderte von ihnen sind in den Konzentrationslagern zu Tode geschunden worden. Auch Robert, Emil und Felix Preis wurden verhaftet und in das KZ Dachau eingeliefert. Ein Monat später kehrten sie abgemagert und kahlgeschoren nach Klagenfurt zurück. Erstmals wurde der Bevölkerung die Verfolgungspolitik und Brutalität des NS-Regimes direkt vor Augen geführt. Das Ausmaß der Barbarei übertraf alles Bisherige. Die Hoffnung, mit der Zeit würde die Hetze gegen die Juden nachlassen, war nun endgültig gebrochen. Das ganze Reich war für Juden Feindesland, wurde zur Todeszone. Für die Juden gab es nur noch zwei Möglichkeiten: zu flüchten oder zu sterben. Sprecher B Die damals siebenjährige Elisabeth Schiffler, die Tochter von Marianne Preis, erinnert sich später an die Verwüstung der Wohnung ihrer Großmutter Hermine Preis: SPRECHER A Viele Kärntner Juden wurden im Zuge des Novemberpogroms von der Gestapo verhaftet und in Konzentrationslager deportiert:
Berthold Altmann aus Klagenfurt in das KZ Dachau SPRECHER B Nach dem Novemberpogrom 1938 änderten sich die Verhältnisse für die Familie Preis grundlegend. Die Konten wurden gesperrt. Es gab ständig Hausdurchsuchungen. Von der Gestapo wurden sie aufgefordert, Kärnten zu verlassen und nach Wien zu gehen. Kärnten sollte judenfrei werden. Die Witwe von Adolf Preis, Hermine Preis, durfte in ihrer Wohnung nur noch ein Kabinett bewohnen, der übrige Teil wurde von der Gestapo als Quartier benützt. An der Wohnungstür wurde der Judenstern angebracht. Die meiste Zeit verbrachte Hermine Preis in der Nachbarwohnung bei ihrer Tochter Marianne und ihrem Enkelkind Elisabeth, die die Ereignisse mit den Augen eines siebenjährigen Kindes miterlebte. Sprecher A Robert und Emil Preis gelang die Flucht aus dem Reichsgebiet. Im August 1939 fuhren sie mit dem Zug von Klagenfurt nach Triest. Die Geldbeträge, die sie bei sich hatten, betrugen jeweils fünfzehn Reichsmark, mit mehr Geld durfte man die strengen Grenzkontrollen nicht passieren. Beide wurden in Italien verhaftet und in das Internierungslager Ferramonti-Tarsia in Kalabrien eingeliefert. Dort wurden sie im September 1943 von den alliierten Truppen befreit. Nach dem Krieg kehrten beide nach Klagenfurt zurück. Felix Preis, der wegen seiner Kriegsverletzung ständig invalid blieb, ging mit seiner Frau Liesl und seinen beiden Kindern Eva und Peter nach Wien. Seinen Brüdern sagte er, dass er sich in Wien sicherer fühle und dort vielleicht untertauchen könne. Von Wien aus versuchte er verzweifelt für seine Familie eine Ausreisegenehmigung zu erhalten. Diese wurde ihm aber verwehrt. Sprecher B Im Haus am Arthur Lemisch Platz wohnte jetzt nur noch Hermine Preis, ihre Tochter Marianne mit ihrem Mann Architekt Schiffler und ihrer Tochter Elisabeth. Die damals achtjährige Elisabeth erinnerte sich später an diese Zeit: Sprecher A In der ersten Hälfte des Jahres 1942 wurde Hermine Preis von der Gestapo festgenommen und mit dem Zug nach Wien deportiert. Ihr Enkelkind Elisabeth erinnert sich: Sprecher B Am 20. Jänner 1942 wurde auf der Wannseekonferenz in Berlin die "Endlösung der Judenfrage" beschlossen. Unter der Leitung von Reinhard Heydrich trafen sich 13 Staatssekretäre verschiedener Ministerien sowie hohe Partei- und SS-Funktionäre zu einer "Besprechung mit anschließendem Frühstück" in einer Berliner Villa am Wannsee. Das Protokoll der Besprechung führte der Österreicher Adolf Eichmann, zuständig für die zentrale Organisation der Deportationen in die polnischen Vernichtungslager. SS Reichsführer Heinrich Himmler beauftragte den Kärntner SS- und Polizeiführer Odilo Globočnik mit der systematischen Ermordung aller Juden, die in den Ghettos von Warschau, Lublin, Radom, Krakau und Lodz noch lebten. Unter der Leitung von Odilo Globočnik und seinem Adjutanten, dem Klagenfurter Kaffeehausbesitzer Ernst Lerch, wurde der Massenmord an den europäischen Juden in den Vernichtungslagern Treblinka, Belcek und Sobibor durchgeführt. Bei dieser Aktion wurden im Laufe von eineinhalb Jahren zwei Millionen Jüdinnen und Juden und 50.000 Sinti und Roma ermordet. Sprecher A Am 20. August 1942 wird Felix Preis mit seiner Frau Liesl und den beiden Kindern Eva und Peter von Wien aus in das KZ Theresienstadt deportiert. Dort treffen Eva und Peter wieder mit ihrer Großmutter Hermine zusammen, die ein Monat vorher in das KZ Theresienstadt deportiert worden war. Ihre Tochter Marianne schickte von Klagenfurt aus immer wieder Esspakete nach Theresienstadt. Im Februar erhält Marianne eine Postkarte von ihrer Mutter: „Leider muss ich Dir heute eine traurige Mitteilung machen. Am 29. Februar 1944 am Abend um 7.00 Uhr ist Felix gestorben. Er war lange Zeit sehr krank“. Am 22. April 1944 schrieb Hermine Preis die letzte Postkarte aus dem Konzentrationslager: „Endlich habe ich wieder Gelegenheit, Dir zu schreiben und Dir mitzuteilen, dass es uns recht gut geht. Wir sind gesund und ich hoffe von Euch das gleiche. Evi und Peter sind sehr erwachsen und recht brav. Ich denke immer an Euch“. Hans Haider, Oktober 2013 Quellen: Archiv der Gedenkstätte KZ Dachau. Werner Koroschitz/Lisa Rettl, „Heiss umfehdet, wild umstritten…“ Geschichtsmythen in Rot-Weiß-Rot, 2005 Drava Verlag Klagenfurt/Celovec. Enzyklopädie des Nationalsozialismus, herausgegeben von Wolfgang Benz, Hermann Graml und Hermann Weiß, 3. Auflage 1998, dtv, ISBN 3-423-33007-4. Siegfried Pucher,…in der Bewegung führend tätig" Odilo Globocnik - Kämpfer für den Anschluss und Vollstrecker des Holocaust, 1997, Drava-Verlag, ISBN 3-85435-278-6. August Walzl, Juden in Kärnten, der Fall Preis als Exempel, Zeitgeschichte Heft Nr. 5. Theresienstädter Gedenkbuch, Prag 2005. Andrea Lauritsch, Armin Wallas, Mnemosyne, Zeitschrift für Geisteswissenschaft, Novemberpogrom, Themenheft Nr. 4.
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