2012-12-14
TEXTE AUS DEM EXIL
Ungewissen Ursprungs
Stella Rotenberg
Ich bin unbekannt in jedem Land.
In jedem Lande bin ich unbenannt.
Ist keiner da, der mich beim Namen nennt.
Ist keiner da, der meinen Namen kennt.
Ich bin unbestätigte Vergangenheit.
Ich lebe. Doch ist keiner, nah noch weit,
der bezeugen kann, daß ich entsprungen war,
wie andre Menschen, einem Menschenpaar.
Stella Rotenberg, geboren 1916 in Wien, musste 1938 ihr Medizinstudium an der Universität Wien wegen ihres Judentums abbrechen und über die Niederlande nach Großbritannien flüchten. Im Exil begann sie 1940 Gedichte zu schreiben, später auch Prosa, die sie in den Bänden "Gedichte" (Tel-Aviv 1972), "Die wir übrig sind" (Darmstadt 1978), "Scherben sind endlicher Hort" (Wien 1991), "Ungewissen Ursprungs" (Wien 1997) veröffentlichte. Ihre Gedichte sind in ihrer Auseinandersetzung mit der Shoah und ihren Folgen von höchster Aktualität. Im Jahre 1996 erhielt sie das österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. Stella Rotenberg lebt seit 1948 in Leeds.
Stella Rotenberg: Gesammelte Gedichte. Hg. v. Siglinde Bolbecher u. Beatrix Müller-Kampel. Wien: Theodor Kramer Gesellschaft 2003.
224 S., ISBN-10 3-901602-07-0. ISBN-13 978-3-901602-07-8.