2012-12-11
Jura Soyfer
DAS LIED VON DER ORDNUNG
Erschienen in der Arbeiter-Zeitung im Juli 1932
Dass wir Hunger haben, ist nicht wichtig,
Nebensache, dass wir betteln gehn,
Unsere Klagen weist man ab als nichtig,
Hauptsache: Die Ordnung bleibt bestehn.
Wer's noch nicht gemerkt hat, mag's jetzt hören:
Eine Ordnung gibt`s auf dieser Welt,
Sie ist da, damit wir sie nicht stören,
Und wir halten sie, weil sie uns hält!
Die Erde ist von Ost bis West,
Von Singapur bis Budapest,
Glänzend organisiert!
Dreißig Millionen gehen stumm
In Reih und Glied, vor Hunger krumm,
Wer nicht mehr gehen kann, fällt um,
Das klappt, als wär's geschmiert!
Gibt's zuviel Brot? Dann heizt mit Brot!
Gibt's zuviel Menschen? Schießt sie tot!
Die Ordnung schuf der liebe Gott,
Wir frieren, krepieren in Tritt und Trott,
Die Ordnung funktioniert!
Ach, man merkt von ihr oft Jahr für Jahr nichts,
Manchmal glauben wir schon, sie wär' hin,
Ihr habt alles, und wir haben gar nichts:
Ist das die Ordnung oder hat das Sinn?
Aber schreien wir das in die Straßen
Von New York, von London, von Schanghai,
Wollt Ihr uns nicht länger zweifeln lassen,
Und es bleut uns ein die Polizei:
Die Erde ist von Ost bis West,
Von Singapur bis Budapest,
Glänzend organisiert!
Dreißig Millionen gehen stumm
In Reih und Glied, vor Hunger krumm,
Wer nicht mehr gehen kann, fällt um,
Das klappt, als wär's geschmiert!
Gibt's zuviel Brot? Dann hetzt mit Brot!
Gibt's zuviel Menschen? Schießt sie tot!
Die Ordnung schuf der liebe Gott,
Wir frieren, krepieren in Tritt und Trott,
Die Ordnung funktioniert!
Alles geht in schönster und in bester
Ordnung! Und wir müssen mit ihr mit -
Doch je mehr wir werden, desto fester
Dröhnt auf allen Straßen unser Tritt!
Gestern hielten wir noch fromm die Ordnung -
Heute wankt sie - Wird sie morgen stehn?
Und wir fragen: Muss es stets in Ordnung,
Muss es stets in dieser Ordnung gehn?
Wir fragen euch von Ost bis West,
Von Singapur bis Budapest,
Trotz Knüppel und Gewehr!
Wir, die wir hungern überall,
Weil Ordnung auf dem Erdenball,
Wir fragen euch, wie es einmal
Mit einer andern Ordnung wär'?
Heut gehn wir mit der Ordnung mit,
Doch morgen fallen wir aus dem Schritt.
Wir fallen aus dem Hungertrott,
Trotz Fabrikanten und liebem Gott.
Und morgen, und morgen,
Da wird in Front marschiert!
Das Lied von der Ordnung:
http://at.myspace.com/
VON DER KÄUFLICHIKEIT DER MENSCHEN
Aus dem Theaterstück Astoria
Ins Himmelblau die Rohstoffpreise steigen,
Als holde Boten junger Konjunktur.
Der Markt belebt sich schon, und schamhaft zeigen
Sich zarte Triebe börslicher Natur.
Und nur ein Kurs hält mit der Hausse nicht Schritt.
Nur eine Ware geht im Preis nicht mit
Und bleibt die billigste in jedem Land:
Das ist die Ausschussware, Mensch genannt.
Der Mensch kommt heutzutag im Durchschnittspreise
Auf zehn Pfund Sterling nur pro Exemplar,
Die Liefrungskosten spart er klugerweise,
Er liefert selbst sich aus mit Haut und Haar.
Ja, er verkauft sich fertig appretiert,
Mit seiner Menschenwürde ausstaffiert,
Und bist du, Käufer, mit den Mitteln knapp,
So kauf sie auf Kredit - und stottre ab.
Und kannst du weder heut noch morgen zahlen.
Kauf ruhig weiter, kauf sie massenweis.
Zahl statt mit Geld mit faulen Idealen,
Der Mensch verschleudert sich um jeden Preis.
Denn seinesgleichen gibt es viel zu viele,
Er weiß es selbst und handelt auch danach
Und kennt den Kurs im großen Börsenspiele;
Der Geist ist billig, und das Fleisch ist schwach.
Die Rechnung stimmt nicht ganz, du Mann vom Fach,
Du überschätzt des Gläubigers Geduld.
Hast du kein Brot für uns, hast du kein Dach,
Stehn fordernd wir vor deinem Rechenpult.
Der Schuldner löst den Wechsel niemals ein.
Die Ware Mensch will nicht mehr Ware sein.
Lied von der Käuflichkeit des Menschen:
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Dachaulied:
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