2012-10-24
Gedenkstätte für die NS-Opfer im Oberen Drautal - Eröffnung am Sonntag, 28. Oktober
Im Jahr 2005 begann der Verein kuland mit seinem Projekt „Aus dem Gedächtnis in die Erinnerung“ die Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus im und aus dem Oberen Drautal zu erforschen. Es gelang, die Biografien von 39 Menschen zu rekonstruieren, die von den Nationalsozialisten ermordet worden sind. Viele von ihnen stammten aus dem Oberen Drautal, manche wurden hier getötet, manche von hier aus in die Konzentrationslager der Nationalsozialisten deportiert, von manchen fehlt bis heute jede Spur.
Es waren Menschen, die nicht in die nationalsozialistische Vorstellung von einem "gesunden Volkskörper" und „echtem Deutschtum“ passten, die aus rassistischen Gründen verfolgt wurden, die aus politischer Überzeugung Widerstand leisteten, die aus religiösen oder anderen Gründen nicht (mehr) am NS-Krieg teilnehmen wollten und desertierten; es waren Zwangsarbeiter, die an ihrem Los verzweifelten oder Kriegsgefangene, die sich befreien wollten.
Eines der Ziele von kuland im Rahmen des Projektes war es, eine Erinnerungsstätte für die Opfer des Nationalsozialismus im Oberen Drautal zu realisieren, um das lokale Gedächtnis nachhaltig zu verändern und einen monumentalen Anknüpfungspunkt für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, seinem Nachwirken und dem Entstehen ähnlicher politischer Ideologien und Programme zu schaffen.
Als langjähriger Begleiter und Beobachter des Projektes hat der Berger Bildhauer Hans-Peter Profunser ein Modell nach dem Leitmotiv "Aus dem Gedächtnis in die Erinnerung" erarbeitet. Im Mai und Juni 2011 wurde das Modell der Bevölkerung präsentiert und mit einer Bausteinaktion begonnen. Nachdem die Deckung der Materialkosten gesichert waren, begann Hans-Peter Profunser in seinem Freiluftatelier am Oberberg mit dem Bau der etwa 20 Meter langen begehbaren Skulptur, die Erinnerungsfenster für die 39 Todesopfer des Nationalsozialismus enthält.
Da wir keine öffentliche Fläche für die Aufstellung fanden bzw. zur Verfügung gestellt bekamen, mieteten wir von den ÖBB ein Grundstück am Bahnhof Greifenburg. Die Bauverhandlung Anfang Oktober verlief ohne Einwendungen von Behörden und Anrainern. In der letzten Oktoberwoche wird das Denkmal an den Standort transportiert und aufgestellt. Die Eröffnungszeremonie findet am Sonntag, 28. Oktober 2012, 14.00 Uhr statt.
Der Standort zwischen Bahnhof Greifenburg und Weissenseestraße ist in mehrfacher Hinsicht geeignet: Historisch war der Bahnhof im Jahr 1934 Schauplatz des gewaltsamen Putschversuches der Nationalsozialisten. Der Wehrmann Johann Dame war damals eines der ersten Opfer der NS-Gewalt. Unweit des Denkmalstandortes wurde im Jahr 1942 der entflohene französische Offizer Raoul De Dompsure erschossen. Im selben Jahr wurde der Slowene Franz Deschmann, Fahrdienstleiter in Ausbildung am Bahnhof Greifenburg, wegen "staats- und deutschfeindlichen Äußerungen" der Gestapo ausgeliefert. Etliche der im Oberen Drautal von Gendarmerie und anderen NS-Einheiten festgenommenen NS-Gegner passierten auf dem Weg in Gefängnisse und KZ den Bahnhof. Unter den Todesopfern und Widerstandskämpfern befinden sich mehrere Eisenbahner. Die Gedenkstätte ist frei stehend und somit gut sichtbar. Sie liegt an der Zufahrtsstraße zum Weißensee und nahe am viel frequentierten Drauradweg.
Die Geschichte des lokalen Nationalsozialismus und der NS-Opfer ist im Begleitbuch „Aus dem Gedächtnis in die Erinnerung“ (hg. Peter Pirker/Anita Profunser, Drava Verlag) dokumentiert. Bekannte und lokale AutorInnen haben zu den Biographien der Opfer Lyrik, Essays und Reflexionen verfasst. Mehr zum Buch und zur Gedenkstätte ist auf: www.nsopfer.kuland.org zu finden.
Termine:
Samstag, 27. Oktober 2012, 19.00 Uhr, Kulturhaus Berg/Drau
Buchpräsentation und Lesung mit Lydia Mischkulnig, Antonio Fian, Gertraud Patterer, Silke Hassler, Elisabeth Faller, Jana Revedin, Reinhard Kacianka u.a.
Sonntag, 29. Oktober 2012, 14.00 Uhr, Bahnhof Greifenburg
Eröffnung und Einweihung der Gedenkstätte
Ansprachen: LR Wolfgang Waldner (angefragt), Univ. Prof. Peter Gstettner (Mauthausen Komitee Kärnten/Koroška, Dr. Renate Meissner (Nationalfonds der Republik Österreich)
Lesungen: Silke Hassler, Lydia Mischkulnig; Eröffnung durch Hans-Peter Profunser
Montag, 30. Oktober 2012, 19.00 Uhr, Landesarchiv Kärnten, Klagenfurt
Buchpräsentation und Lesung mit Egyd Gstättner, Silke Hassler, Elisabeth Faller u.a.