2011-11-16
„Kleine Zeitung“ Kommentar: „Es war eine gute Woche“ (Von Hubert Patterer)
So, 13.11.2011, S.12: Nach Berlusconi: Es gibt in Europa Anzeichen der Läuterung. Sie betrifft auch die Bürger.
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Die Flut düsterer Meldungen mag Gegenteiliges suggerieren, und doch:
Es war eine gute Woche für Europa. Der Blick in den Abgrund scheint
einen Läuterungsprozess loszutreten. Endlich beginnen sich die Dinge
zu ändern und die Köpfe. Endlich werden die politischen Eliten
Griechenlands und Italiens dem Ernst der Lage gerecht, auch wenn sie
wie Getriebene wirken, und nicht nur sie.
Das Gute dieser Woche: Nach Papandreou trat gestern auch Italiens
Regierungschef Berlusconi zurück. Er nahm eine Hypothek vom Land, das
ihm zu lange zugezwinkert hatte. Die Nachsicht ist nur psychologisch
erklärbar. Viele Italiener, so schrieb die Neue Zürcher Zeitung,
seien „selbst große Schlaumeier“ und neigten schon als Katholiken
keinem radikalen Puritanismus zu.
Papandreou musste gehen, weil er um seiner selbst willen das
Instrument des Referendums als Jeton einsetzte und gegenüber der
solidarischen europäischen Gemeinschaft brachial gegen Treu und
Glauben verstieß. Berlusconi, der egozentrische Harlekin, musste das
Feld räumen, weil er den Niedergang des Landes untätig geschehen
hatte lassen. Er verschleppte Reformen und wurde so zur
personifizierten Bedrohung für Italien, zivilisatorisch wie
ökonomisch. Wirtschaftskundige Technokraten sollen in Athen und Rom
Übergangsregierungen anführen und die Not wenden. Ob sie der Aufgabe
gewachsen sind, ist ungewiss, aber der entschlossene Schnitt lässt
Zuversicht zu.
Freilich: Hygienisch sauberer wäre es gewesen, hätten die beiden
Völker die Regenten davongejagt, und nicht ein Druck-Gemisch aus
eigener Partei, EU-Gläubigern und strafenden Märkten. Deren Pädagogik
kennt die Kategorie der Nachsicht nicht und ist dort pathologisch, wo
auf die Not gewettet wird. Aber: Die „ungezügelten Märkte“ haben
diese Macht nicht ruchlos arrogiert, vielmehr hat die ungezügelte
Politik mit ihrer Unkultur der Verschuldung den Märkten die Macht
gleichsam übertragen. Nur so konnte der Markt überhaupt in die Rolle
des Zuchtmeisters schlüpfen.
Die Zuchtrute haben die Märkte von den sorglos haushaltenden Staaten.
Verschuldung heißt vorsätzlicher Souveränitätsverlust. Ein Teil der
Zuchtrute stammt auch von den Bürgern selbst. Der Antagonismus vom
bösen Markt und dem unschuldigen Volk ist näher an den Gebrüdern
Grimm als an der Wirklichkeit. Das Volk wählt, und das Volk wählt ab.
In Griechenland und Italien hat es in beidem versagt. Das Volk ließ
sich, geblendet vom Schein des leichten Lebens, verführen, und ist
jetzt verdrossen, weil ihm die Rechnung zugestellt wird. Das Versagen
ist uns vertraut.
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Quelle:
www.ots.at
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