2011-10-16
kärnöl in der Krise
Einführende Worte zur 6. kärnöl biennale
Ökokrise, Eurokrise, Bankkrise, Wirtschaftskrise, Lebenskrise, Sinnkrise, Griechenland in der Krise und jetzt ist auch noch kärnöl in der Krise. Wohin soll das führen?
„The answer is blowing in the wind“ singt Bob Dylan und kärnöl stimmt ihm zu.
Krise, ein Wort dessen Konnotation in uns Gefühle der Hilflosigkeit, der Angst, der Existenzbedrohung auslöst. Doch das altgriechische Wort „krisis“ bedeutete ursprünglich Meinung, Beurteilung und Entscheidung. Aus dieser Perspektive betrachtet beurteilt kärnöl seit dem 16. Oktober 1999 die Kärntner Kunst- und Kulturlandschaft. Die juridisch nicht gefasste Begegnung von kunst- und kultur-schaffenden und kunst- und kulturinteressierten Personen, initiiert, kommentiert und analysiert, veranstaltet und diskutiert künstlerische und kulturelle Aktivitäten im nicht subventionierten Kärntner Kulturraum.
Hat sich kärnöl in der 5. biennale thematisch noch im Sinne des Wortes jenes Leben wieder genommen, von dem wir durch die vorherrschende Verkapitalisierung in sämtlichen Lebensbereichen fortlaufend entfremdet werden, so nimmt sich kärnöl in der 6. biennale die Freiheit, sie mit künstlerischen Meinungen, Beurteilungen und Entscheidungen über ein rigides und den menschlichen Grundbedürfnissen – wie gemeinsames Tätigsein, gemeinsames Essen und gemeinsames Genießen – nicht entsprechendes Gesellschaftssystem zu konfrontieren.
Fabio Zolly: „Kunst ist meine Anwesenheit ist Kunst“, Performance und Installation, 2011
In den Arbeiten von Fabio Zolly sind Logos, Slogans, und Zeichen seit langem ein durchgängiges Thema, mit dem er den Begriff der Öffentlichkeit – nicht zuletzt als Gegenstück zum Privaten – zur Diskussion stellt. Im Sinne von Joseph Beuys lautet sein jüngstes Motto: „Kunst ist meine Anwesenheit ist Kunst“, das nicht zuletzt auch den marktorientierten Kunstbegriff, wie sein „Copyright by Fabio Zolly ©“ in Frage stellt.
„In God we trust“, einer Objekt- und digitalen Fotoinstallation, beleuchten Maria Grimm und ich - Hans D. Smoliner - den Fetischcharakter des Geldes und die Entfremdung des Tätigseins durch kirchliche Institutionen und kapitalistische Wirtschaftssysteme.
Maria Grimm & Hans D. Smoliner:„In God we trust“, einer Objekt- und digitalen Fotoinstallation, 2011
Robert V Kravanjas Objektinstallation „Chant down Babylon“ kann man nicht erklären, denn alles ist schon gesagt, sonst hätte er als künstlerische Kommunikationsform die Sprache und nicht Schaukästen gewählt.
Robert V Kravanja: „Chant down Babylon“, Objektinstallation, 2011
Die bildnerischen und aktionistischen Beiträge zur 6. kärnöl-biennale sind eine künstlerische Beurteilung des gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaftssystems und verzichten auf Lösungsperspektiven.
Mario Grasser, Reinhard Latritsch und Hans Maurer: „Freies Spiel“, Improvisationskonzept, 2011
Ab 20.00 Uhr trifft das Trio Mario Grasser, Reinhard Latritsch und Hans Maurer mit ihrem Improvisationskonzept „Freies Spiel“ jedoch eine musikalischen und klangexperimentelle Entscheidung. Im Gegensatz zur durchstrukturierten und vordefinierten musikalischen Komposition fordert die Improvisation – das freie Spielen – von den Musikern neben der perfekten Instrumentalbeherrschung, höchste soziale Kompetenzen. Denn ohne ein Miteinander, ein instrumentales Vor- und Zurückgehen, ein Eingehen auf die musikalischen Bedürfnisse des Anderen und dessen Befriedigung ist das „freie Spiel“ zum musikalischen Tode verurteilt.
Wie schon Eingangs erwähnt bezeichnet Krise eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation.
kärnöl hat sich gegen ein Gesellschaftssystem entschieden, das einen Kulturraum geschaffen hat, in dem nur mehr eine ihrer nicht kodierten und dysfunktionalen Systemregeln im Zentrum steht: „Töte deinen Nächsten, wie dich selbst.“
kärnöl hat sich für ein Miteinander entschieden und kärnöl nimmt sich das Leben.
Guten Abend