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2011-06-26

Unser Freund, das Atom

Vom Geist in der Flasche
Hintergründe der Veranstaltung „Unser Freund, das Atom. Eine (schräge) Einführung in Kernphysik und Naturverständnis" am Di, 28.6., 20:00, r Uhrzeit, Ort u.a. Details

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Bild aus dem Film „Unser Freund, das Atom“

Im Jahre 1957 produzierte Walt Disney einen Zeichentrickfilm mit dem Titel »Our friend the atom«. Der Film erzählt das alte Märchen aus „Tausend und einer Nacht“, vom Fischer und dem Geist in der Flasche, auf neue Weise. Wie in „Tausend und einer Nacht“ befreit im Film ein Fischer einen Geist aus einer Flasche. Der Geist jedoch quittiert seine Befreiung mit Zorn und Feindschaft. Mit einer List gelingt es dem Fischer den Geist wieder zurück in die Flasche zu locken. Ein zweites Mal, so sagt er, werde ihm die Freiheit nur geschenkt, wenn er verspricht, für immer gut zu sein.

Als Kommentator im Film tritt der deutsche Physiker und Wissenschaftsjournalist Dr. Heinz Haber auf. Er übersetzt das Märchen: Der Geist in der Flasche ist das Atom. Einmal, in Hiroshima und Nagasaki, hat das Atom sich als Feind der Menschheit offenbart. Von nun an aber werde das Atom seine guten Seiten zeigen.

Der Film wurde im Auftrag der amerikanischen Regierung produziert, um das Image der Atomphysik zu verbessern. Er wurde sehr häufig in österreichischen und deutschen Schulklassen gezeigt. Auch von mir als Physiklehrer im Villacher Peraugymnasium. Einerseits propagiert er die friedliche Nutzung der Atomenergie, andererseits ist er ein ausgezeichneter Lehrfilm zur „Atomtheorie“, der wohl wichtigsten naturwissenschaftlichen Theorie des 20. Jahrhunderts.

Unkritisch, naiv und technikgläubig

Es lohnt sich noch heute, diesen Film anzusehen, um eine Ahnung davon zu bekommen, wie unkritisch, naiv und technikgläubig die Menschen in den 50ziger und 60ziger Jahren der Atomtechnologie gegenüberstanden. Wer damals die Kernkraft kritisch beäugte, ist von der Mehrheit der Zeitgenoss/innen ausgelacht worden. Man dachte damals nicht nur daran, Atomkraftwerke zu bauen, sondern auch Raketen, Schiffe, Autos und Flugzeuge sollten vom »Atom« angetrieben werden. Der Historiker Joachim Radkau schreibt in seinem Standardwerk über Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft: „Der Traum von der friedlichen Nutzung der Atomindustrie ist die Integrationsideologie der fünfziger Jahre gewesen“.

Der deutsche Ökonom Edgar Salin verfasste eine „Ökonomik der Atomkraft“, in der er die Welt durch das Atom zum Blühen bringen und in eine neue Phase des Kapitalismus führen wollte.

Auch der Marxist Ernst Bloch schwärmte in seinem Buch „Prinzip Hoffnung“ davon, dass die Atomenergie „in der blauen Atmosphäre des Friedens aus Wüste Fruchtland und aus Eis Frühling“ schaffe.

Trotzdem ist alles anders gekommen

Im Laufe der 70ziger Jahre bis heute entstanden überall auf der Welt und in fast allen europäischen Ländern zahlreiche Kernkraftwerke.

Trotzdem ist alles anders gekommen. In Österreich und in Deutschland drehte sich in den 70ziger Jahren die Stimmung und es entwickelte sich ein beachtlicher Widerstand gegen die friedliche Nutzung der Atomenergie. In Österreich wurde die Inbetriebnahme des AKW Zwentendorf verhindert und in Deutschland wurden die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf und die Inbetriebnahme des schnellen Brüters Kalkar verhindert. Zumindest in diesen Ländern ist es der Atomlobby nicht gelungen, die Ängste und Bedenken in der Bevölkerung zu zerstreuen. Vor allem ist es nicht gelungen den Zusammenhang zwischen friedlicher Nutzung und militärischer Nutzung zu entschärfen. Schon in den 70ziger Jahren hat der Zukunftsforscher Robert Jung immer wieder darauf hingewiesen, dass die friedliche Nutzung und die militärische Nutzung nur zwei Seiten derselben Medaille sind. Der jetzige Konflikt mit dem Iran bestätigt das. Wer in der Lage ist, Atomkraftwerke zu bauen, ist auch in der Lage, die Bombe zu bauen!

Von Demokrit bis zur Atombombe

Der Physiker Heinz Haber führt die Zuschauer/innen durch den Film und erklärt dabei die Entstehung der Atomtheorie und den Aufbau des Atoms. Er beginnt mit dem griechischen Philosophen Demokrit aus dem vierten Jahrhundert vor Christus. Dieser behauptete, dass alle Materie auf dieser Welt aus kleinen unteilbaren Teilchen, den Atomen, besteht. Der Philosoph Aristoteles widersprach ihm und so geriet diese Theorie jahrhundertelang in Vergessenheit.

2000 Jahre später stellte der Chemiker John Dalton im Jahre 1808 wiederum eine Theorie der Atome auf. Er meinte, dass die verschiedenen chemischen Reaktionen nur mit einer Atomtheorie vernünftig erklärt werden können.

Danach werden kurz die technischen Entwicklungen angesprochen, die es im 19. Jahrhundert gab. Diese benötigten große Mengen an Kohle und Öl, die für wichtigere Dinge hätten verwendet werden können.

1896 entdeckte Henri Becequerel, dass Urangestein einen Fotofilm schwärzen kann. Die Radioaktivität war entdeckt, die in weiterer Folge von Marie Curie erforscht wurde.

Am Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelte Albert Einstein seine berühmte Formel zur Relativitätstheorie: Die Äquivalenz von Masse und Energie.

Im Jahre 1939 konnte Otto Hahn in Berlin die Kernspaltung experimentell nachweisen. Die theoretische Erklärung dazu lieferte die österreichische Physikerin Ilse Meitner, die sich damals als Jüdin im schwedischen Exil befand.

Nun stellt Haber, um die Kettenreaktion zu veranschaulichen, einen berühmten Versuch vor, der inzwischen von vielen nachgeahmt wurde: das Mausefallenexperiment. Er schießt einen Tischtennisball auf eine große Anzahl von gespannten und mit zwei Tischtennisbällen bestückten Mausfallen ab. Diese schnappen zu und schleudern dabei zwei Tischtennisbälle in die Luft, die wiederum auf bestückte Mausefallen fallen. In kurzer Zeit „entladen“ sich alle Mausefallen.

Die Energie, die bei einer atomaren Kettenreaktion frei wird, wurde erstmals im Jahre 1945 bei den zwei Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki der Menschheit vor Augen geführt.

Drei Wünsche

Wie in vielen Märchen gestattet der Geist dem Fischer drei Wünsche. Der erste Wunsch des Fischers ist es, dass wir immer genug Energie zur Verfügung haben, der zweite Wusch ist es, dass wir mit Hilfe der Radioaktivität den Krebs und den Hunger in der Welt zu besiegen können. Der dritte Wunsch ist der schwierigste. In einem Märchen ist es oft so, dass der dritte Wunsch die beiden ersten Wünsche zunichte macht. Der Fischer ist sehr vorsichtig und wünscht sich, dass das Atom immer unser Freund sein möge.

Nach Harrisburg, Tschernobyl und Fukoshima wissen wir, wie die Geschichte bis heute ausgegangen ist. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende.

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Dazu auch Veranstaltung und Diskussion:
„Unser Freund, das Atom. Eine (schräge) Einführung in Kernphysik und Naturverständnis“: Di, 28.6., 20:00 r Details

Zum Weiterlesen
Andreas Exner: r Fukushima-Kapitalismus
Walther Schütz: r Ein Widerspruch: Öffentliche Verantwortung und Entschleunigung

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