2011-04-30
1. Mai 1890 in Villach
Aus dem Archiv des Vereins Industriekultur und Alltagsgeschichte
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Im Juli 1889, beim Internationalen Sozialistenkongreß in Paris, beschlossen die Teilnehmer die Durchführung einer internationalen Kundgebung zum 1. Mai 1890. (siehe dazu auch die Vorgeschichte, das sogenannte Haymarket-Massaker von Chicago 1886,
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Unter einem ungeheuren sicherheitspolizeilichen Aufwand – Polizei- und Gendarmeriepatrouillen sowie Militäreinheiten prägten schon Tage vor dem eigentlichen Ereignis das Erscheinungsbild der Städte – beteiligte sich auch die Villacher Arbeiterbewegung an den 1. Mai-Kundgebungen 1890.
Die Angst des Bürgertums vor den Arbeitermassen schwingt in den Worten nach, mit denen die „Freien Stimmen” vom 3. Mai 1890 über die 1. Mai-Feierlichkeiten in Villach berichteten:
„Geängstigte Gemüther athmen erleichtert auf, den der gefürchtete 1. Mai ist ohne Blutvergießen, Brand und Plünderung, welche die eifrigen Verleumder der Arbeiterschaft den Stadt- und Dorfbewohnern prophezeiten, vorübergegangen. Wohl lockte er auch verschiedene Neugierige in die Stadt und diese bot deshalb das bewegte Bild des Sonntagslebens, zugleich mit kriegerischem Charakter, da in mehreren öffentlichen Gebäuden Militär in Bereitschaft stand und die Gendarmen fleißig patroullierten. Aber niemals ward Anlaß zum Einschreiten geboten, in musterhafter Ordnung ist die Versammlung, vollkommen anständig und friedlich das Volksfest und Kränzchen verlaufen.”
In Villach verbarrikadierten sich am 1. Mai 1890 manche Bürger aus Angst vor einer revoltierenden Arbeiterschaft in ihren Wohnungen. Ein Arbeiter erinnerte sich an die Feier des 1. Mai 1890 in Villach 13 Jahre später im „Volkswille”:
„Die Genossen Eich, Wilhelm Schatzmayer und Bierkopf wurden als Komiteemitglieder auf die Bezirkshauptmannschaft gerufen, wo ihnen die Proklamierung des Standrechtes angedroht wurde und ihnen der Bezirkshauptmann erklärte: ‚Sie haften mit ihren Köpfen für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung.‘ Am Vorabend durchzogen Infanterie- und Kavallerieabteilungen die Stadt, letztere sogar mit gezückten Säbeln, und als die Versammlung am Vormittag im Fischer-Garten stattfand, wurde eine Kompagnie Jäger, aufgelöst in Schwarmlinien, längs der Gartenmauer postiert, Front gegen die Versammlung, schußbereit und nur dem Kommando harrend: ‚An! Feuer!‘ Für die Festredner, denen die Bajonette und Gewehrläufe entgegendrohten, ein besonders aufreizender Anblick. Das Militär hielt den Garten die ganze Nacht besetzt und es fehlte nur noch, daß die Franzikaner-Patres das Hochwürdigste gegen den umstürzlerischen Feind auf die Mauer postierten.
Als kleine Episode sei erwähnt, daß zwei Soldaten über die Mauer sprangen, auf die versammelten Arbeiter zukamen, ihnen die Hand schüttelten und erklärten: ‚Wir sind Bergarbeiter aus der Steiermark, Parteigenossen von euch, wir hätten auf euch nicht geschossen.‘“
1909: Kaiser-Josef-Platz (möglicherweise Ecke Widmanngasse) in Villach mit dem Arbeiter-Consum- und Sparverein
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Weiterführendes
Ausstellung „Der Zukunft entgegen“: In Villach in der Alpen-Adria-Mediathek, Kaiser-Josef-Platz 1 ab jetzt bis Ende Mai während der Öffnungszeiten der Mediathek (Mo - Mi, Fr jeweils 11:00 - 16:00; Do 11:00 - 18:30 und Sa, 09:00 - 12:00). Die Ausstellung zeigt das Wirken, die Errungenschaften und den Kampf der Villacher Arbeiterschaft um demokratische Freiheitsrechte, politische Mitsprache, gewerkschaftliche Organisationsformen sowie einen umfassenden Arbeiterschutz.
Dazu auch
1. Mai 1924 in Villach / Fellach