2011-01-01
Hoffentlich hat er einen ordentlichen Kater, der Frido Hütter
Denn zu Silvester wollte er auf das Aussterben von Rücksicht und Kompromissen sein Glas erheben. Über den Geisteszustand bürgerlichen Denkens in der Systemkrise
.
Am letzten Tag des Jahres hat Frido Hütter, seines Zeichens einer der Leitartikelschreiber der Kleinen Zeitung, nochmal so richtig Dampf abgelassen. Nachdem er so unterschiedliche Dinge wie die Erfolge der Wintersportler, den Oscar für Christoph Waltz („Inglourious Basterds“), die Preise für Michael Haneke („Das weiße Band“), den Sieg von Red Bull bei der Formel I („Fahrer- und Konstrukteursmeisterschaft“) und das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker unter Welterfolge Österreichs [!?] zusammengematschgert hat, bejammert er zunächst:
„Aber: Eine wirklich nachhaltige (Wert)Schöpfung des visionären Unternehmers Dietrich Mateschitz für das wirtschaftlich ausbaufähige Aichfeld wurde mit fadenscheinigen Argumenten abgewürgt. Jetzt entsteht eine für Österreich so typische Kompromissvariante.“
dieses und die folgenden Zitate aus:Frido Hütter, Erheben wir das Glas auf eine aussterbende Art. Warum lernt Österreich selbst aus Welterfolgen nichts? In: Kleine Zeitung, 31.12.2010, S. 10
Schon interessant, was da der Herr Hütter mit den Eigenschaftswörtern „nachhaltig“ und „visionär“ bedenkt: Einerseits das Herumrasen auf einer Rennstrecke im Kreis, andererseits eine aufputschende, extrem mit Zucker angereicherte, dann in Dosen abgefüllte und sauteuer verkaufte Substanz namens Red Bull. Echt „visionär“!
Und dann resümiert dieser Denker in nationalistischer Manier:
„Auf Massenmärkten aller Art wird Österreich immer weniger Chancen vorfinden. Was hingegen zählt, sind unverwechselbare Qualität, konkurrenzorientierter Wissensvorsprung, kreatives Genie.
Mit Kompromissen und Weichschieberei ist das nicht zu erzielen. Hinsichtel und Rücksichtel haben in diesem Qualitätsmanagement nichts verloren. Ebenso wenig wie die Pfründe-Fafners der Parteien. Kurzum, all die Kreaturen, die durch unsere Politik kreuchen, Sachzwänge heucheln, wo Sachlichkeit gefragt wäre, und Elitebildung für Teufelszeug halten.“
Da ergreift einer Partei für ein kapitalistisches Kollektiv (Nation / Staat / Volks-Gemeinschaft) namens „Österreich“. Das ist der Patriotismus der Standortwettkämpfer, bereit, auch noch die größte Dummheit zu begehen. Hauptsache ohne Kompromisse, mit der entsprechenden Härte (ohne „Weichschieberei“), ohne Hinsicht und Rücksicht. Er nennt sie Kreaturen, wünscht ihnen den Tod auf den Hals – denn
„auf ihr Aussterben sollten wir heute [am 31.12.2010] das Glas erheben. – Prosit 2011“.
Eigentlich ist das aggressive Geschreibe zu ignorieren. Zu denken geben aber:
- Da schreibt einer nicht in einer rechtsextrem Postille, sondern in einem Massenblatt der bürgerlichen Mitte, wo man Ähnliches – wenn auch nicht immer derart offen – immer wieder liest.
- Das Ausmaß an Aggression, das sich da Bahn bricht und doch nur die Aggression eines Systems und seiner Funktionsträger ist, das sich in einer Art „finaler Raserei“ ( Michael Scharang) befindet.
- Und: Die absolute Resistenz gegenüber Reflexion eines wahrscheinlich durchaus gebildeten Menschen. Gebildete Elite (dazu kritisch Studie über rechtsextreme Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft.). Eine Elite, die glaubt, zu denken, und doch nur von der Systemlogik gedacht wird: „Sachlichkeit“ nennt es hier der Hütter, bei anderen wie seinem Chef Patterer heißt es „Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit“ (dazu Vernunft statt Populismus?).
In diesem Sinne: Nicht Prosit 2011, Herr Hütter, sondern: „Na, Prost Mahlzeit!“ Für 2011 müssen nachdenkliche Menschen („Kreaturen“ in ihren Worten) Angst haben, vor Ihnen und Ihresgleichen. Und vor dieser Form der Vergesellschaftung am Rande des Amoks.