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2010-03-12 Wer das Saatgut kontrolliert, beherrscht die Welt! Dieser Satz des ehemaligen US-Außenministers und Friedensnobelpreisträgers Henry Kissinger kommt mir in den Sinn, wenn ich die Vorgänge rund um die Revision der EU-Saatgut-Gesetzgebung beschreiben will. .In meinem Garten lasse ich Salat einer alten steirischen Landsorte blühen. Die Samen reifen heran nur mithilfe von Sonne, Wasser und einem gepflegten Boden. Die Samen eines einzigen Salatkopfes reichen aus, um viele andere Gärten damit zu versorgen. Lange Zeit waren Samen keine Ware: Sie wurden getauscht oder verschenkt. Und da sie so leicht und klein sind, kann man sie auch leicht mitnehmen und verbreiten. Dann kamen Menschen auf die Idee, dass mit Saatgut gute Geschäfte zu machen sind. In Europa entdeckte das internationale Business nach Inkrafttreten der ersten Saatgutverkehrsgesetze in den 1960er Jahren den Saatgutmarkt. Inzwischen kontrollieren die zehn führenden Saatgutund Agrochemiekonzerne – unter ihnen Bayer, Monsanto, Syngenta, Limagrain, BASF – 67% dieses weltweiten Marktes. Damit nicht genug, sie üben auf die Gesetzgebung der EU entscheidenden Einfluss aus. Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit hat die EU-Kommission 2008 begonnen, das EUSaatgutverkehrsrecht zu überarbeiten. Die Änderungen sollen Ende 2010 in Kraft treten. Unter der Bezeichnung „Better Regulation“ will sie beim Saatgutrecht Bürokratie abbauen und die Gesetze vereinheitlichen. Das sind löbliche Vorsätze, alle Anzeichen deuten jedoch daraufhin, dass die Konzerne diese Gelegenheit nutzen, um ihre Macht noch auszuweiten. Der nichtkommerzielle Zugang zu Saatgut soll erschwert oder ganz verboten werden. Neue Bürokratie für alte Sorten. In den meisten europäischen Ländern konnten Landsorten von Nutzpflanzen bisher ohne grössere rechtliche Einschränkungen angebaut, gezüchtet und verkauft werden. Die EU-Kommission hat imJuni 2008 eine Richtlinie für die Erhaltung von Getreide und Kartoffeln vorgelegt, welche die Vermarktung von Landsorten, regional angepassten oder vom Aussterben bedrohten Sorten regeln soll. Dazu zählen auch die meisten Sorten aus biologischer Züchtung. Eine entsprechende Richtlinie für Gemüse soll folgen. Diese so genannte Erhaltungsrichtlinie müssen alle EU-Länder in nationales Recht umsetzen. Sie ermöglicht Züchter/innen zwar endlich, Land- und Bio-Sorten in eine eigene nationale Liste für Erhaltungssorten einzutragen. Wir erwarten aber, dass nur wenige Sorten, für die sich der bürokratische Aufwand wirtschaftlich lohnt, angemeldet werden. Außerdem gelten sowohl geographische als auch Mengenrestriktionen. Alle nicht registrierten Sorten laufen Gefahr, auszusterben, da sie dann illegal sind. Die Schweiz, die durch bilaterale Abkommen an die EU-Gesetzgebung gebunden ist, hat heuer fünf Kartoffelsorten keine Bewilligung erteilt. Die Begründung: Diese Sorten hätten ihren Ursprung nicht in der Schweiz. Wie wir alle wissen, kamen die Kartoffeln zu uns aus Amerika. Die Schweiz verfügt streng genommen nur über eine einzige Kartoffelsorte, die hier aus zwei Landsorten gekreuzt und während 25 Jahren erhalten wurde: die Blaue St. Galler. Die Schweizer Stiftung für die Erhaltung bedrohter Kulturpflanzen und Tierrassen Pro Specie Rara sammelt Unterschriften gegen die Kartoffelverbote (www.vielfalt-für-alle.ch). Samen haben nie an Landesgrenzen halt gemacht. Schon die alten Wikinger nahmen vermutlich auf ihren Fahrten nach Nordamerika Saatgut in ihren Booten mit und brachten welches von dort zurück nach Nordeuropa. Hätten Samen nicht schon immer Grenzen überschritten, wäre es um die Kulturpflanzenvielfalt bei uns schlecht bestellt: Es würden in den Alpenländern wohl nur Erbsen und Pferdebohnen angebaut. Denn Tomaten, Paprika, Mais und Weizen kommen ursprünglich von anderen Kontinenten. Die absurden Restriktionen der EU-Erhaltungsrichtlinie sollen verhindern, dass der Marktanteil der Landsorten wächst und dieses Geschäft den Saatgutunternehmen entgeht. Geistige Eigentumsrechte auf alle Kulturpflanzen? Doch das ist erst der Anfang. Weitere Richtlinien werden folgen. Die Saatgutunternehmen fordern in den Verhandlungen die Ausweitung ihrer Privilegien. Wie schon erwähnt entgehen ihnen noch gut 30% des Marktes durch „illegalen Nachbau“, wie sie es nennen, und den Anbau von nicht zugelassenen Sorten. Die Gentechnik bietet für die Industrie eine ideale Lösung, sich geistige Eigentumsrechte zu sichern, weil gentechnisch verändertes Saatgut patentiert und auf den Feldern eindeutig nachweisbar ist. Gentech-Konzerne nehmen Bauern und Bäuerinnen unter Vertrag. Sie klagen gegen Landwirte wegen illegalem Nachbau, wenn sie auf deren Feldern Spuren ihrer Patente nachweisen können. Die Monsanto-Prozesse gegen Percy und Louise Schmeiser in Kanada sind von vielen Fällen in Nordamerika die bekanntesten. Obwohl Gentechnik in Europa auf breite Ablehnung der Bevölkerung stößt, üben die Agrochemiekonzerne Druck aus, um Gentechnik durchzusetzen. Sie weigern sich, die Haftung für Schäden durch GVOs zu übernehmen und beharren auf Schwellenwerten, die gentechnische Verunreinigungen in Saatgut ohne Kennzeichnung erlauben. Da der Widerstand gegen Gentechnik wächst, sucht die Saatgutindustrie nun nach anderen Wegen. Sie fordert in den Verhandlungen um ein neues Saatgutverkehrsrecht die Identifizierung der Sorten durch eine Gensequenz, genannt genetische Marker. Mit genetischen Markern wollen die Saatgutfirmen den Nachweis ihrer Sorten auf den Feldern und im Erntegut erbringen und Nachbau verhindern. Auch auf nicht gentechnisch manipulierte Pflanzen haben Saatgutfirmen bereits Patente angemeldet. Beispiele dafür sind die „Antischrumpeltomate“, antikarzinogen wirkender Brokkoli und eine Melone mit besonders hohem Zuckergehalt. Gegen all diese Patenteintragungen gibt es breite Proteste. Durch die Einführung molekularer Marker würden alle Kulturpflanzen mit einem Schlag patentierbar, der Widerstand gegen einzelne Patente wäre sinnlos. Die Konzerne wollen die Vorteile von Patenten auf Pflanzen auch ohne Gentechnik nutzen. Sie fordern von der EU:
Die Landwirtschaft würde so noch weiter in die Abhängigkeit einiger Saatgutfirmen geraten, die mit den transnationalen Agrochemiekonzernen identisch oder eng verflochten sind. Ihr Saatgut benötigt chemische Dünger, Pestizide und Bewässerung, erfordert also eine energie- und erdölintensive Landwirtschaft. LandwirtInnen, die sich auf diese Abhängigkeit eingelassen haben, geben heute bereits fünfmal mehr für Kunstdünger und Spritzmittel aus, als für das Saatgut selbst. Die in Brüssel ausstehenden Entscheidungen zum Saatgut betreffen nicht nur die Saatgutkonzerne und Bäuer/innen, sie betreffen unser aller Ernährung. Vom 25. bis 27. März 2010 organisiert die ÖBV – Via Campesina Austria gemeinsam mit Arche Noah, Longo maï und den Wieserhäusler-Innen in Graz → „Zukunft säen – Vielfalt ernten“, das 5. europaweite Treffen der Saatgutinitiativen und -erhalter/innen. Ein Schwerpunkt des Treffens wird die Revision der EU-Saatgutgesetzgebung sein. Wir verteidigen das Recht, Saatgut aus eigener Ernte auszusäen, zu tauschen, zu verkaufen und zu verschenken. Bei dem Treffen in Graz wollen wir europaweit den Widerstand gegen die neue EU-Gesetzgebung vernetzen. Mehr darüber und über unsere Gegenvorschläge in der nächsten 'Bäuerlichen Zukunft'. Lassen wir uns die Kontrolle über unsere Ernährung nicht aus den Händen nehmen! Quelle: www.saatgutkampagne.org/PDF/Wer_das_Saatgut_beherrscht.pdf . Zum Weiterlesen / Aktiv werden ...
| GUSTAV GANS |, 2010-03-15, Nr. 4766 Hallo Heike!
| GUSTAV GANS |, 2010-03-16, Nr. 4767 Ähhhh, habe da noch was gelesen. Ich glaube MONSANTO ist schon um einiges weiter. Ist von heute:
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