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Walther Schütz

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2003-03-14

Wir als Opfer der WTO?

Von Profiteuren und Mitläufern am Beispiel der Globalisierung des Gesundheitssektor. Anmerkungen.

Wer sich erstmals mit Fragen der Regulation der weltweiten Wirtschaftstätigkeiten beschäftigt, den beschleicht manchmal das Gefühl der Fassungslosigkeit: Über das MAI (Multilaterales Abkommen über Investitionen, gescheitert 1998), die WTO mit ihren Unterbereichen ... werden die Eingriffsmöglichkeiten von Staaten drastisch beschnitten, wird die gesamte Weltwirtschaft zunehmend einem vereinheitlichten Marktmodell unterworfen: Betriebswirtschaftliche Effizienz als einzige Steuerungsgröße. Klar ist auch, dass von solchen Regeln vor allem hochproduktive, kapitalkräftige Unternehmen profitieren. WTO, MAI ... als Verfassung einer Weltgesellschaft, die nur eine Art von Weltbürgern, die Marktsubjekte, kennt. So viel zum Bild, das sich einem aufdrängt. Auf den Punkt gebracht wurde dieses Szenario durch eine Grafik im Zusammenhang mit dem Kampf gegen das MAI, das ich aus einem Buch über Konzerne übernommen hatte: Eine übermächtige Krake umschlingt die Erdkugel und verschlingt in den verschiedenen Kontinenten Fabriken ...., während sich kleine Menschlein gegen diese Attacke rund um den Globus wehren.

Doch stimmt dieses Bild des von Außen kommenden "Bösen"?

Am Beispiel des Gesundheitswesens lässt sich zeigen, dass mitnichten Staaten unschuldige Opfer dieses neoliberalen Globalisierungsprozesses sind – und auch die "kleinen Leute" sind alles andere als nur Opfer in diesem Prozess!

Der ins Gerede gekommene Gesundheitsbereich (Stichwort Kostenexplosion, Ablöse Sallmutters, Selbstbehalte ...) steht durch die WTO von mindestens 2 Seiten unter Druck.

Da ist einmal das WTO-Unterabkommen TRIPS zum sog. Schutz des sog. geistigen Eigentums. Für den Gesundheitsbereich bedeutet dies, dass hier pharmazeutische Konzerne enorme Monopolprofite machen können. Dies zeigt ein Vergleich Indien - Pakistan: Bei identen Medikamenten lag der Preis in Pakistan zum Teil 13 mal (!!!) höher als in Indien. Dieser Unterschied erklärt sich daraus, dass Pakistan das TRIPS mit allen Konsequenzen unterzeichnet hat - und damit enorme Patentkosten anfallen.

Aber nicht nur im Süden, auch bei uns explodieren die Medikamentenkosten (siehe Grafik). Während der Gesamtaufwand der Kärntner Gebietskrankenkasse von 1995 bis 2000 um 27% stieg (von 3,8 auf 4,8 Milliarden Schilling pro Jahr), explodierten die Kosten bei den Medikamenten um über 100% (von 0,6 auf 1,3 Milliarden pro Jahr). (Gesundes Kärnten 4/2000). Der Verdacht drängt sich auf, dass neben anderen Faktoren AUCH die TRIPS-Patentregelungen hier Monopolprofite ermöglichen.

Also nur Opfer in Nord und Süd? Nein, denn dieses TRIPS, das weltweit den PatientInnen sehr viel kostet, wurde durchaus nicht gegen, sondern v.a. durch die Regierungen des Nordens durchgesetzt. Warum? Weil eine florierende Wirtschaft Voraussetzung ihrer Steuerleistung und damit ihrer Handlungsfähigkeit ist, weswegen sich die Regierungen massiv dafür stark machen, dass IHRE Konzerne optimale Verwertungsbedingungen am Weltmarkt vorfinden.

Das zweite WTO-Regelwerk, das sich massiv auf den Gesundheitsbereich auswirken wird, ist das Dienstleistungsabkommen GATS, die zweite der drei Säulen der WTO.

Das GATS (General Agreement on Trade in Services) will die Grundprinzipien des Handels mit Waren (umfassender weltweiter Marktzugang, keine Schutzmechanismen für heimische Märkte) auch auf den Dienstleistungsbereich ausdehnen. Dabei fallen unter den Begriff Dienstleistungen tendenziell auch Bildung, Gesundheit, Bereitstellung von Gütern wie Wasser ...

In Bezug auf den Gesundheitsbereich könnte das GATS unter anderem wirksam werden in Bezug auf Krankenanstalten (Krankenhäuser) und die Versicherungsanstalten.

WTO bzw. GATS schreiben fest, was läuft: einen (beinahe weltweiten) Prozess der Privatisierung / des Raubes ÖFFENTLICHER GÜTER. Neben dem Effekt, dass einem in Übermaßen vorhandenem Kapital Anlagemöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, ist die Hauptwirkung, dass sich die Öffentliche Hand um die Verantwortung drücken kann, weil das Risiko Krankheit individualisiert wird.

(Bisherige) Öffentliche Programme werden aus Steuermitteln bzw. Sozialabgaben (Lohnnebenkosten!) finanziert und haben die Tendenz, allen (meist: StaatsbürgerInnen) zuzustehen .... Sie erzeugen ein "Menschen-Recht" auf eine Sozialleistung, heutzutage oft als "Anspruchsdenken" verteufelt.

Ganz anders bei einem privatwirtschaftlichen Gesundheitssystem: Gesundheitsversorgung wird als Dienstleistung gesehen, die man sich eben leistet oder nicht. Schließlich investiere ich als homo oeconomicus in meine eigene private Lebensplanung. Die Gesellschaft und die Verteilung des wirtschaftlichen Gesamtkuchens steht nicht zur Disposition: Überlegungen, wie viel vom Produktivitätszuwachs etwa über steigende Sozialabgaben, über eine Wertschöpfungsabgabe, über eine produktivitätsorientierte Lohnpolitik (und damit automatisch aliquot mit steigende "Lohnnebenkosten") ... in den Sozialbereich umgelenkt werden sollten, stellen sich so gar nicht erst.

Genau hier setzen Regierungen an, die ihre Aufgabe darin sehen, z.B. Lohnnebenkosten zu senken, um den eigenen Standort für einen (selbst mitforcierten) globalen Wettkampf fit zu machen. Dies kündigt sich etwa an, wenn in der Regierungserklärung der 1. Schwarz-blauen Regierung stand, die Pflichtversicherung durch eine Versicherungspflicht ablösen zu wollen.

Wie aber soll eine Regierung dieses neue Programm der eigenen Bevölkerung verkaufen? Da gibt es Gott sei Dank die internationale Ebene: "Die Regierungen brauchen uns, um Programme durchzusetzen, die sie sonst gegenüber ihrer Bevölkerung nicht durchbringen", tönt es zu Recht aus der WTO.

Und die "Kleinen Leute"?

Regierungen sind also keineswegs die entmachteten Akteure im Globalisierungsprozeß, als die sie sich gerne darstellen. Doch es gilt, noch einen weiteren Aspekt zu beachten: Auch die "kleinen Leute" sind nicht bloß Opfer, sondern Teil der durch WTO .... umgesetzten neoliberalen Umbaus. Regierungen setzen eine herrschende Ideologie um, die von weiten Kreisen der Bevölkerung geteilt wird.

Kern dieser Ideologie ist das Bild, dass der private Sektor sinnvoller, weil effizienter sei. Übersehen wird dabei,

... dass die Gesundheitsausgaben in Österreich 8,3% des BIP ausmachen, in den USA mit ihrem wesentlich privater organisierten System hingegen 13,9% (bei wesentlich geringerem Versorgungsgrad!); (laut Kompetenz 5/2000, S. 8)

... dass etwa die OÖ Gebietskrankenkasse Verwaltungskosten von nur 3,1% hat, während private Versicherungen durchschnittlich 22 % für ihre Bürokratie ausgeben.

... Und selbstverständlich müssen auch private Dienstleister die steigenden Kosten bezahlen, nur ist es dann halt (scheinbar) kein Politikum mehr: Bezeichnenderweise ist im Getöse um den Hauptverband völlig untergegangen, dass z.B. die privaten Krankenversicherungen per Anfang Februar 2001 ihre Prämien um 3-5% erhöhen. (Laut GLB-Presseaussendung vom 31.1.2001)

Die leichte Durchsetzbarkeit einer neoliberalen Globalisierung ist allerdings nicht nur eine Frage der Ideologie: Bislang haben wir ALLE im "Norden" von dieser Weltwirtschaft stark profitiert. Dementsprechend wurden Opfer des Verdrängungswettbewerbs ignoriert. Langfristige Strategien für eine solidarische, nachhaltige Wirtschaftsform, die auch den Menschen im Süden eine Chance gibt, waren halt im gemeinsamen Wachstumskartell nicht gefragt.

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