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Andreas Exner

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2010-03-04

Schicksal Avatar?

Ökokrieg, das Fremde und die Perspektive

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Die Macht der Bilder bringt Gewalt zum Ausdruck. Riesenhafte Schaufelbagger, überwältigende Kraterwunden in der Erde, ein Raumschiff ist im Anflug. Rundum Tropenwald. Eine idyllische Landschaft umgibt grünwuchernd eine Militärbasis in Grau und Schwarz. Das Raumschiff entlässt Soldaten auf die Landebahn. Zuletzt gleitet ein Mann im Rollstuhl hinaus auf Pandora.

So beginnt Avatar. Wir befinden uns auf einem fremden Planeten. Doch wie es anders gar nicht sein kann: Der Film handelt von der Erde.

Der Avatar ist das Zwischenwesen – halb extraterrestrischer Indigener, halb Mensch – mit dem eine Handvoll Wissenschafter_innen, die auf der Militärbasis arbeiten, das Vertrauen der Ureinwohner_innen gewinnen und sie zur freiwilligen Umsiedelung bewegen wollen. Denn die Menschen tun auf dem Planeten Pandora genau dasselbe wie hier auf Erden: sie beuten die Natur nach Strich und Faden aus. Dem stehen die Eingeborenen wehrhaft im Weg.

Als die Avatare ins Bild rücken und unser Handicap-Held, ein Soldat im Rollstuhl, mit technischer Hilfe in den übergroßen, kraftvoll-eleganten Avatar schlüpft, von dessen Hinterhaupt ein Asiatenzopf baumelt, verdichtet sich das Bild der US-Marines im Tropenwald zu einer Assoziation: Vietnam. Viel deutlicher noch ist allerdings die Anspielung auf die Native Americans, die den Eingeborenen viele Züge leihen. Freilich entspricht das Militär auf Pandora – eine Privatarmee im Dienst des business – eher postfordistischer Kriegführung im Irak als den Hippie-Marines in Vietnam.

Der Held, in real life gelähmt, entdeckt als Avatar an der Seite einer Eingeborenen die Wunder des Science Fiction-Dschungels. Der Wald wirkt wie ein Hollywood-Abklatsch vom Paradies: Farbeffekte, unerhört eindrucksvoll, treten zur fantastischen Formenvielfalt der Computeranimation – ein Märchenzoo, getaucht in Lichtstimmungen, die zuweilen fast überirdisch anmuten. Diese Bilder im Kopf wirkt der businessman auf der Militärbasis, der die geschäftliche Seite des Rohstoffprojekts verkörpert, nachgerade grotesk, als er einen Stehsatz westlicher Zivilisation, die ihre segensreichen Früchte von den unbelehrbaren „Wilden“ verschmäht sieht, von sich gibt: „Sollen sie doch in ihrem Dreck verrecken“.

Der Held derweil erkennt, dass die Eingeborenen kein gutes Zureden und kein „Zivilisierungsangebot“ dazu bewegen wird ihre Lebensweise aufzugeben – was sollen sie von uns wollen, sagt er den Militärs: Jeans, alkoholfreies Bier?

Und in der Tat. Nachdem die Strategie der Wissenschafter_innen nicht aufgeht, das Vertrauen der Eingeborenen zum Zweck von „Herrschaft durch Konsens“ zu gewinnen, kommt die harte Faust der Militärmaschinerie zum Einsatz. Der Held, anfänglich ein eingeschworener Diplomat, erkennt, dass in der Logik von Militär und Geschäft eine friedliche Koexistenz mit einer davon unberührten Kultur unmöglich ist. Während er eine Rede vor den Eingeborenen schwingt, stellt er fest: Die Angreifer kennen keine Grenzen, sie werden das machen, was sie auch auf der Erde machten – alles zerstören, was sich ihrer Logik der Expansion und Ausbeutung in den Weg stellt.

Es wirkt wie ein impliziter Kommentar auf die abgeschmackten NGO-Predigten der „Win-Win-Situationen“ zwischen Umweltschutz und Kapital, als die Eingeborenen zu den Waffen greifen, ermutigt noch durch einen Erdling, der seinen Kampfaufruf mit den Worten unterstreicht: Er wisse, wovon er spreche.

Der Rest ist Vietnam. Die Eingeborenen schlagen die Übermacht der Erdlinge im Dschungelkrieg. Dort wo die Gerätschaften der Angreifer versagen, lukriert die Guerilla ihren Heimvorteil. Die blaugetönten Native Americans dieses fremden Regenwaldplaneten erfahren eine selbst filmisch seltene Genugtuung, fast so als hätte der Regisseur den Ausspruch „es ist nie zu spät, eine schöne Kindheit gehabt zu haben“ auf die Geschichte des amerikanischen Kontinents umlegen wollen: die US-Marines werden geschlagen und das Korps wird, extraterrestrische Humanität verpflichtet, feinsäuberlich nach Haus geschickt. Ein Happy End, das zur Realgeschichte wie bekannt in genauem Gegensatz steht. Folgerichtig kommentiert ein konservativer Filmkritiker: „If you can get a theater full of people in Kentucky to stand and applaud the defeat of their country in war, then you’ve got some amazing special effects” (Quelle: Wikipedia).

Im Showdown zwischen dem in bester Vietnamfilmtradition halb durchgeknallten Kommandanten und unserem an den Rollstuhl gefesselten Helden, der nur durch den Kunstkörper des Avatars, der mit seinem Geist funktioniert, volle Beweglichkeit erhält, kommt die Ökostory auf den Punkt. Kurz vor seinem Tod schleudert der Kommandant dem Helden ins Gesicht: Nie hätte er sich gedacht, dass der Marine die eigene Rasse verraten würde.

So funktioniert der Film wie auf zwei Ebenen: oberflächlich gesehen eine Kitsch-Geschichte voller Klischees, die in der Tat weitgehend vorhersehbar abläuft (Lovestory zwischen der amazonenhaften Eingeborenen und dem wie in einer griechischen Tragödie halb-gebrochenen Marine inklusive). Auf einem Stockwerk tiefer jedoch gibt es Brüche, und zwar mehrfach. Zum Einen funktioniert der Streifen aus der Perspektive der Unterdrückten, was angesichts der Vietnam- und Westernfilme herkömmlicher Bauart ungewöhnlich ist. Zum Anderen erteilt er der Ökodiplomatie eine Absage, fast so als wäre Avatar eine Parallelerzählung zum Klimagipfel in Kopenhagen.

Am stärksten aber irritiert der Subtext dort, wo die Lösung der Ökokrise auf Pandora und die Versöhnung der „Menschen“ miteinander und der Natur impliziert, dass der Held – am Endpunkt des Films – seine bisherige Existenz aufgibt und buchstäblich zum „Wilden“ wird; nicht zum Weißen, der zum „besseren Wilden“ wird, sondern zu genau dem, und zwar mit Haut und Haar, was Inbegriff des „Alien“ ist.

Denn zweierlei ist daraus zu lesen: Eine Alternative zu Kapital und Staat, zu businessmen und Militär, erfordert, dass wir zu „ganz Anderen“ werden, dass sich die westlich-kapitalistische Scheinzivilisation in das auflöst, was ihr als das Fremdartigste, Gefährlichste und Verabscheuenswürdigste überhaupt gilt – oder aber: dass eine Lösung der ökologischen Krise nur im Traum, in Gestalt eines Science Fiction-Films noch denkbar scheint; als eine rein halluzinatorische Auflösung des Widerspruchs zwischen Kapital und gutem Leben, die lediglich die fortgeschrittene Filmtechnik des 21. Jahrhunderts fiktiv möglich macht.

Avatar erlaubt beiderlei Interpretation. Es bleibt zu hoffen, dass die erste zutrifft.

Dabei ist der Film selbst eine fast schon monströse Ausgeburt jenes Widerspruchs, den er implizit kritisiert. Die schier endlose Reihe der beteiligten Firmen und Personen, die im Nachspann minutenlang über die Leinwand flimmert, Zeugnis der enorm komplexen Kooperation in den fortgeschrittensten Bereichen kapitalistischer Produktion, bricht sich an der bis auf den Gipfel getriebenen Verwertungslogik des kulturindustriellen Kapitals: Noch nie ist ein Film so sehr auf das Marketing am Spielemarkt getrimmt worden wie Avatar.

Redaktionelle Hinweise:

Der Artikel von Andreas Exner, „Schicksal Avatar?" ist am 3.3.2010 erschienen auf www.social-innovation.org.

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