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Peter Gstettner

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2009-10-27

Rede zur Gedenkstunde beim Mahnmal in Annabichl

Ansprache von Peter Gstettner bei der Gedenkstunde beim Mahnmal in Annabichl am 26.10.2009

Sehr geehrte Damen und Herrn, liebe Freunde und Freundinnen,

als Gründungs- und Vorstandsmitglied von Memorial Kärnten/Koroška freut es mich besonders, dass sich heute an diesem Ort und an diesem Tag so viele Menschen eingefunden haben, um sich zu erinnern, dass es der zivile und militärische Widerstand war, der – neben und mit den Alliierten - Österreich vom Nazifaschismus befreit hat. Diesem historischen Faktum ist es zu verdanken, dass Österreich heute als ein unabhängiger Staat und als ein freies Land im Herzen von Europa existiert. Auch geistig und moralisch ist Österreich wieder erstanden, wenngleich uns heute immer noch und immer wieder ein gewisses „Nachleben“ des Faschismus zu schaffen macht. Seit vielen Jahren gedenken wir an dieser Stelle „der Opfer für ein freies Österreich“. Seit einigen Jahren verfolgen wir das Projekt, diese Opfer auch hinsichtlich ihrer Namen zu identifizieren, denn mit dieser Namensnennung soll der österreichische Widerstand ein Gesicht bekommen und in Zukunft ein konkretes, personalisierbares Vorbild für die Jugend hinsichtlich Mut und Zivilcourage sein. Das heißt: Der Kampf für die Freiheit Österreichs soll nicht länger anonym bleiben. Auch die Überlebenden und die Nachkommen dieses Freiheitskampfes sollen stolz darauf sein können, dass es eine österreichische Beteiligung am Sturz des Naziregimes gegeben hat. Und sie sollen die Namen dieser mutigen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen kennen, oder zumindest wissen, wo die Namen aufgeschrieben sind und wo ihrer gedacht wird.

Wir wissen, dass sich Kärnten mit der Anerkennung der „eigenen Beteiligung“ am NS-Widerstand besonders schwer tut. Diese Schwierigkeit hängt mit der Nicht-Anerkennung des Beitrags der Kärntner Partisanen und Partisaninnen für die Befreiung Österreichs zusammen. Entsprechend schwer ist es in Kärnten auch, den Widerstand von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren anzuerkennen. Zeugen Jehovas waren in der Regel Wehrdienstverweigerer, Partisanen oft Wehrmachtsdeserteure, die KZ-Häftlinge vom Loiblpass häufig alles zusammen: Saboteure, Deserteure und Partisanen.

Nicht schwer tut sich dagegen das offizielle Kärnten damit, NS-legitimierende und –verherrlichende Politikeraussagen als „Ausrutscher“ und als harmlose „Rülpser“ zu entschuldigen. Als Landeshauptmann Haider den Partisanenwiderstand geschmäht hat, den Antifaschismus lächerlich gemacht hat, die Rechtsprechung unserer Republik gebeugt hat, als er über die „ordentliche Beschäftigungspolitik“ der Nazis wohlwollende Worte und über die Konzentrationslager den Ausdruck „Straflager“ fand, gab es – nach einer kurzzeitigen Empörung und Ablehnung – jede Menge Rechtfertigungen und Verharmlosungen, nicht nur aus seiner Partei. Bald darauf setzte der übliche Gedächtnisschwund ein.

Heute ist die Erinnerung an den einstigen FPÖ/BZÖ-Führer vollends verklärt und der Realität entrückt. Die „Pietät“ verböte jede Art von Kritik. Die Mystifizierung seiner Person kennt dagegen weder Schamgrenzen noch Realitätsentsprechungen. Haider, der zu Lebzeiten verkündet hat, Kärnten werde einsprachig, Haider, der eigenhändig Ortstafeln versetzt und zur Demütigung der Kärntner Slowenen und des österreichischen Rechtsstaates zahlreiche Beiträge lieferte, wird heute als Freund der Versöhnung mit den Kärntner Slowenen und als Verfechter des „Ortstafelkonsens“ gehandelt. Die Mystifizierung des vormaligen FPÖ-Führers hat eine glorifizierende Dimension erreicht, an die allenfalls noch die der „Kärntner Konsensgruppe“ heran reicht. Was wird da dem alkoholisiertem Todesfahrer alles unterstellt! Da war z. B. folgendes zu hören: ER, der Fürsprecher des „Kleinen Mannes“, hätte doch sicher, anders als sein tollpatschiger Nachfolger, einen Kranz zu Ehren der KZ-Opfer vom Loiblpass niedergelegt. Die ernüchternde Wahrheit ist: Der lebende Haider hätte 15 Jahre und mehr Zeit gehabt, einen Kranz beim ehemaligen KZ am Loibl nieder zu legen. Hat er aber nicht; er hat nie etwas zu Ehren von NS-Opfern, die in Kärnten oder von Kärntnern ermordet wurden, gesagt oder getan. Als begnadeter Populist und rechtextremer Politiker hatte er immer Anderes im Sinn. Er bediente zum Beispiel, im Gleichklang mit den Kärntner „Heimattreuen“, die öffentliche NS-Nostalgie am Ulrichsberg. Er hielt über alte und neue FPÖ-Kanäle Kontakte zu heimischen und ausländischen Neofaschisten. Das war seine Realität. Und Haiders Nachfolger und Nachahmer, von Strache und Mölzer bis zu Dörfler und Haiders Kärntner Gefolgsleuten, setzen alles daran, IHM (Haider) ebenbürtig zu sein.

Konsequent und kein „Ausrutscher“ war es deshalb auch, wenn BZÖ und FPÖ im Parlament ihre Zustimmung zum Antrag der anderen Parteien verweigerten, die NS-Unrechtsurteile gegenüber Deserteuren und „Fahnenflüchtigen“ aufzuheben und damit gleichzeitig auch andere Gruppen, die vom NS-Regime verfolgt und ermordet wurden, zu rehabilitieren. BZÖ und FPÖ hätten wohl lieber vorher noch die NS-Wehrmachtsjustiz „rehabilitiert“, als die Widerstandstätigkeit von Deserteuren und Partisanen anerkannt. Die FPÖ lehnte ja auch die Fortsetzung bzw. Novellierung des Restitutionsgesetzes als „absolut nicht notwendig“ ab. Das für die Rückgabe von Nazi-Raubgut bzw. für die entsprechenden Nachforschungen vorgesehene Geld sollte doch lieber den heimischen Museen für den Ankauf von Kunstgegenständen zur Verfügung gestellt werden – so ließ die FPÖ-„Kultursprecherin“ verlauten.

Wenn man den Tiefstand des demokratiepolitischen Bewusstseins in Kärnten kennt, wundert man sich über gar nichts mehr; auch nicht darüber, dass die selben FPÖ-Politiker, die Revisionisten und Holocaustleugnern publizistischen Raum gewähren, auch Leuten der sog. Kärntner Konsensgruppe ihr Presseorgan zur Verfügung stellen - und dass diese bereitwillig das Angebot annehmen. Da würdigt man zum Beispiel im FPÖ-Blatt ZUR ZEIT die „Konsensarbeit“ des Obmanns des einstmals „linken“ Slowenischen Zentralverbandes mit einem ganzseitigen Interview. Im gleichen Blatt wird für die revisionistischen Videos des Hobbyhistorikers Andreas Mölzer geworben, der in seinen „Dokumentarfilmen“ – selbstverständlich ganz „objektiv“ - die Partisanen als rachelüsterne Mordbanden dargestellt. Der Obmann des Kärntner Heimatdienstes, auch einer der Wortführer der sog. Konsensgruppe, bekommt ebenfalls eine ganze Seite für Eigenwerbung zur Verfügung, offenbar als Ausgleich dafür, dass er bei der EU-Wahl für den FPÖ-Mann Andreas Mölzer die Werbetrommel gerührt hat. Wie es unter „anständigen“ Kameraden in diesem Verein so üblich ist, werden gleichzeitig auch die alten Feindbilder bemüht. Der Kärntner-slowenische Schriftsteller Janko Messner, der übrigens weder Deserteur noch Partisan war, sondern als überzeugter Antifaschist Hitler- und Kriegsgegner, wofür ihn die Nazis in die Strafkompanie steckten und als „Kanonenfutter“ verwendeten, wird vom Heimatdienst-Obmann frank und frei zum wiederholten Male als „Titokommunist“ bezeichnet. Offensichtlich ist dies immer noch das mehrheitsfähige Verständnis von „Versöhnung“: diffamierend gegenüber Antifaschisten und widerständigen Slowenen, „versöhnlich“ gegenüber den Kärntner Slowenen, die „über ihren Schatten gesprungen sind“, die unter der jahrzehntelangen Diffamierungswalze des Heimatdienstes angepasst und brav geworden sind. Sie sind jetzt als „die guten Slowenen“ und als Du-Freunde der „Heimattreuen“ aus dem Schussfeld des Heimatdienstes gerückt. Als Dank dafür haben die „guten“, konsensbereiten Slowenen jetzt auch einem Andreas Mölzer und seiner FPÖ gegenüber keinerlei Berührungsängste. Eine Distanzierung vom Gedankengut des Kärntner Heimatdienstes war unter der Dunstglocke der Konsensgruppe ohnehin nicht zu erwarten. Dieser Domestizierungserfolg, errungen über zwei von drei Slowenenorganisationen, verdankt sich einer einzigen Strategie, bei der alle aus der gleichen ideologischen Quelle schöpfen und dem gleichen politischen Weg folgen. Strache mit Erfolg in Wien, Dörfler mit Erfolg in Kärnten und Mölzer mit weniger Erfolg auf europäischer Ebene. Das ist – trotz minimaler Schattierungen und Wendungen - SEIN Weg. Die Kopien werden naturgemäß immer etwas blasser ausfallen als das Original. Sie sind deshalb nicht weniger gefährlich. Soviel zu den Wortführern der Neuen Rechten und zum Thema „Kärnten neu denken“.

Für uns von Memorial Kärnten/Koroška kann aus Gründen, die jetzt vielleicht verständlicher geworden sind, der Beitritt zu so einer ideologisch geeinten „Konsensgruppe“ kein erstrebenswertes Ziel sein. Wir begrüßen dagegen den gesellschaftlichen Fortschritt, der auch unserer Initiative entgegen kommt:

Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die Republik Österreich Ebene mit großer parlamentarischer Mehrheit endlich ein deutliches Zeichen gesetzt hat, die Urteile der NS-Justiz aufzuheben und die NS-Opfer, ohne Wenn und Aber, zu rehabilitieren. Bis zu einer offiziellen Entschuldigung für das bisherige Versäumnis und bis zu einer ehrenden Geste den Opfern gegenüber werden vermutlich noch weitere Jahre vergehen.

Zu guter Letzt gibt es noch eine weitere „Frohbotschaft“: Dem unsäglichen Treiben am Ulrichsberg wurde in diesem Jahr Einhalt geboten; auch das ist kein Verdienst der Kärntner Konsensgruppe. Die Initiative dazu ging von Wien aus. Während Kärntner Medien schon einer Neuaufstellung des Vorstandes der Ulrichsberggemeinschaft aus „unverdächtigen“ Personen das Wort reden, wäre ein „Nie-wieder-Ulrichsberg“ ein wahrer Fortschritt für Kärnten und ganz im Sinne unserer „Plattform gegen das Wiederaufleben von Faschismus, Rassismus und Antisemitismus“.

Danke für ihre Aufmerksamkeit. Hvala lepa!

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