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2009-07-28 Stopp dem Postraub (?) Bis Mo, 3. August 09 läuft das Volksbegehren „Stopp dem Postraub". Dazu Gedanken in kritischer Solidarität . Der Text des Volksbegehrens: „Wir fordern: Aufrechterhaltung der Infrastruktur und dadurch Sicherung von Postdienstleistungen zu gleichen Bedingungen für die gesamte Bevölkerung. Novellierung des Postgesetzes und Erhebung in den Verfassungsrang; Fixierung von mindestens 1300 Postfilialen im Postgesetz welche durch die Post AG zu führen sind. Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen die auch nach der Liberalisierung Brief einen fairen Wettbewerb sicherstellen.“ Zu diesem Kerntext gibt es Erläuterungen, worum es im Detail geht, nachzulesen → hier. Dazu ein paar Gedanken: Fairer Wettbewerb? Meines Erachtens ist das Volksbegehren äußerst bieder und konservativ, das heißt, ausschließlich auf die Bewahrung des Bestehenden ausgerichtet, ohne laufende Prozesse zu hinterfragen. So heißt es im Begleittext, dass es um die „Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen die auch nach der Liberalisierung Brief einen fairen Wettbewerb sicherstellen.“ ginge. Was soll das? Ist die Liberalisierung - also das Vermarktwirtschaftlichungs-Gebot ein vom lieben Gott kommendes Gebot? Was heißt fairer Wettbewerb? Ist nicht genau die Schaffung dieses Wettbewerbs das Problem? An anderer Stelle heißt es: „Durch die gänzliche Liberalisierung des Briefmarktes 2011 (Europäische Postrichtlinie III), in den meisten Staaten Europas, so auch in Österreich, ist es notwendig, den Postmarkt neu zu regeln.“ Klar, da geht es um's Eingemachte der gesamten neoliberalen Krisenverwaltung auf EU-Ebene, aber genau um diese – wahrlich nicht leicht zu organisierende – Widerstandsebene ginge es, hier gälte es, einen gesellschaftlichen Diskurs über unser aller Zukunft zu entfalten. Die breit angelegte Kampagne gegen das Dienstleistungsabkommen GATS der Welthandelsorganisation WTO hat gezeigt, dass dies doch ansatzweise gelingen kann. Die sich gerade entfaltende Krise wäre für eine solche Hinterfragung des marktwirtschaftlichen Wahns sicher hilfreich. Marktwirtschaftliche Verhältnisse Überhaupt nicht thematisiert wird, was konkret in der Wirtschaft, die vom hochgelobten fairen Wettbewerb geprägt ist, abgeht. Dabei zeigt das Beispiel der bereits liberalisierten Paketzustellung, was Konkurrenz bedeutet: Paketzusteller(innen?), die mit größter Hektik parallel fahren, um das Paket an die Kundschaft zu bringen. Welch eine sinnlose Vergeudung, welch eine Degradierung menschlicher Tätigkeit (dazu → Aufbruchstimmung Packerlschupfen). Die Frage nach einer gesamtgesellschaftlichen Effizienz UND nach den konkreten Auswirkungen des Gegeneinanders auf jede/n Einzelne wäre in aller Konsequenz zu stellen. Anzusprechen wäre auch die Unternehmensform der PostAG: Wie jedes kapitalistische Unternehmen muss es (!) als AG auf Expansion und Profit aus sein. Und dies gelingt auch: So ist der teilstaatliche börsennotierte Konzern nicht nur geschrumpft, sondern auch gewachsen, und zwar kräftig im Ausland. Mittlerweile hat die Post 19 Auslandsbeteiligungen in Zentraleuropa (→ ORF, 27.2.2009). Und die PostAG schüttet gewaltig Dividenden aus, während sie bei den Lohnabhängigen spart. Man wollte 600 Briefträger abbauen und an deren Stelle Billigfirmen beauftragen. Davon musste der Vorstand der AG aber Abstand nehmen, weil die Gewerkschaft Kampfmaßnahmen angekündigt hatte. Statt dessen hat man sich mit der Gewerkschaft darauf verständigt, für Neueintretende einen neuen – wesentlich niedrigeren – Kollektivvertrag auszuhandeln. (Siehe → Werkstatt Frieden und Solidarität). Angesichts dieser Tatsachen müsste eine offensive Strategie darauf ausgerichtet sein, sowohl die marktwirtschaftliche Zwangsregulierung (= Liberalisierung) als auch die de-facto-Privatisierung in Form einer Aktiengesellschaft zu bekämpfen und die Überführung in wirklich öffentliches Eigentum zu fordern. Kommunikation als Ware Die gesamte Diskussion um die Post (und nicht nur die Betreiber/innen des aktuellen hier thematisierten Volksbegehrens) berührt nicht im geringsten die Umwandlung des Kommunikationsbereiches in eine Ware. Zukunftsfähige Perspektiven Angesichts der harten kapitalistischen Realitäten und der noch schwierigeren Zukunftsperspektiven gilt es, den gesamten Kommunikationsbereich neu zu denken. Eine Möglichkeit wären Stadtteil- und Gemeindekommunikationszentren, die neben den klassischen Postdiensten freien Internetzugang anbieten, betrieben mit freier Software. Und an die Begegnungszentren angelagert sind, in denen die Menschen miteinander direkt kommunizieren können, sich sogar vielleicht in Gemeinschaftsküchen ihr Essen zubereiten. In einer Übergangsphase finanziert von den Gemeinden als gemeinnützige Leistungen. Dies als Reform in Richtung gesellschaftlicher Verhältnisse, die nicht mehr auf Wachstum und Konkurrenz beruhen. Eine verpasste Chance Nun, von einem Volksbegehren solche Perspektiven zu verlangen wäre wohl vermessen. Solche Diskussionen aufzuwerfen ist unser aller Aufgabe. Da passt die Form eines Volksbegehrens, das auf rasche Stimmenmaximierung angelegt ist, auch nicht mit der inhaltlichen Herausforderung zusammen. Umso schwerer wiegt aber deswegen, dass das Volksbegehren von seinen Betreiber/innen so aufgesetzt wurde, dass es fast nicht zu einem Achtungserfolg (und um mehr geht es bei diesem Instrumentarium unmittelbar auch nicht) werden kann. Denn schaut man sich diverse Websites durch, so gibt es bei in Frage kommenden Koalitionspartnern wie ATTAC, Friedenswerkstatt Linz ... kaum einen Hinweis darauf. Mit anderen Worten: Eine breitere Mobilisierung ist nicht gelungen, möglicherweise auch gar nicht versucht worden. Selbst auf der offiziellen Seite der Gewerkschaft der Post und Fernmeldebediensteten führt das Logo nur zu einem pdf-File mit dem Eintragsformular. Sonst nichts. Möglicherweise ist dies dem Umstand geschuldet, dass das innergewerkschaftliche Konkurrenzverhältnis zwischen den Betreiber/innen von der FCG (Fraktion Christlicher Gewerkschafter/innen) eine echte Kooperation mit der FSG (Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter/innen) verhindert hat. Immerhin wird das Volksbegehren von linken Gewerkschaftlern (etwa vom GLB) unterstützt. In Richtung von Mobilisierungsproblemen weist auch, dass ich, als ich „meinen Postler" nach dem Volksbegehren gefragt habe, er auch nur über die Medien davon erfahren hatte. Scheinbar keine Mobilisierung im Betrieb – schade um die verpasste Gelegenheit. Aber: Es besser zu wissen ist leicht. In den Computer klopft es sich locker hinein, was alles zu tun wäre, was gemacht werden hätte sollen... Daher: Gut, dass es zumindest dieses Volksbegehren gibt. Ich werde es trotz seiner Mängel unterzeichen!
helmut friessner, 2009-08-04, Nr. 4581 Find´ich ok! War deshalb auch dort.
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