Independent Carinthian Art & Cult | ||
Mon Oct 14 2024 10:47:22 CET |
|
2009-05-25 Open Source Ecology = Commons + Solidarische Ökonomie 3 Leute, 15 Hektar Land. Missouri, USA. Marcin Jakubowsky steht vor uns und spricht. Ort: → Uni Klagenfurt. Marcin spricht langsam. Er setzt seine Worte wie ein Baumeister Ziegel setzt: eins aufs andere. Und was er sagt, das hält. . Marcin startet ein → Youtube-Video, das die Gruppe in Missouri gedreht hat. Das Bild ruckelt, die Aufnahme stammt von einem Amateur. Man sieht winterliche Landschaft, wenig attraktiv. Der Film zeigt Menschen und eine Maschine, die Ziegel presst. „Aus Ton”, erläutert Marcin. Für Marcin und seine Freunde ist die Maschine der erste Schritt in eine erneuerbare Zukunft. → „Open Source Ecology" heißt das Projekt. Es wird die Welt verändern. „Wir bauen ein real-life-LEGO-set”, erklärt Marcin Jakubowsky. Die Produkte sind heute viel zu unflexibel, meint der Amerikaner. Auf der Open Tech Farm in Missouri rollen sie die technologische Entwicklung deshalb neu auf. Was herauskommen soll, ist „hyper-modular” – wie LEGO eben. Aber das ist nicht alles. Der hyper-modularen Bauweise der Open Source-Maschinen, die in Missouri entwickelt werden, entspricht eine neue Art des Produzierens und eine spezifische Art der Verbreitung von ökologisch angepasster Technologie. All das ist Open Source Ecology. Open Source Ecology vereint fünf Features:
„Open Source ist besser als kommerzielle Software”, sagt Marcin, und deshalb ist Open Source Ecology nichts weniger als eine „Neuerfindung des ökonomischen Systems”. – „Nehmen wir zum Beispiel einen Traktor her, den können sich die meisten Leute ganz gut vorstellen. Er hat einen Dieselmotor, der aus Metall besteht, das wir hier nach wie vor kaufen müssen. Aber wir können bereits eine neue Art von Motor herstellen: einfach auseinanderzunehmen, einfach zu reparieren, einfach für andere Maschinen zu verwenden.” Der Motor, der den → Traktor auf der Open Tech Farm betreibt, kann genausogut für eine Maschine verwendet werden, die einen Brunnen bohrt oder für einen Mixer. Für alle Arbeitsgänge einer modernen Farm genügen ein bis zwei Motoren. „Das ist ein sehr kleines Set von Hardware, das wir im Open Source Ecology-System brauchen”, so Marcin. „Das technologische System für eine Farm kostet auf die Art rund 20.000 $. Wenn du das konventionelle System mit derselben Leistung kaufst, dann musst du rund 250.000 $ zahlen.” Open Source-Technologie ist um den Faktor 10 billiger als die konventionelle Technologie, und sie ist besser. Warum konventionelle Firmen dann nicht längst auf diese Art produzieren? Marcin gibt die Antwort: „Unsere Maschinen werden ein Leben lang halten, du kannst sie selbst reparieren, sie werden so designed, dass man sie auseinandernehmen und neu zusammensetzen kann, sie sind sehr flexibel.” Der Grund ist einfach: man kann mit Open Source Ecology keinen Profit erzielen. Den Nutzerinnen und Nutzern aber nützt gerade das. „Es geht hier um Ökologie”, betont Marcin. Die ökologischen Vorteile der Open Source Ecology-Technologie beruhen auf ihrem besonderen Design. Die lange Lebensdauer, ausgeprägte Reparaturfähigkeit und vielfältige Rekombinierbarkeit erlauben nicht nur dezentrale Produktion und soziale Autonomie, sondern führen auch zu einer enormen Einsparung von natürlichen Ressourcen und Arbeitszeit. Die Open Source-Ziegelpressmaschine, die Marcin uns im Video zeigt, dient dazu, Häuser zu bauen. Die Pressmaschine kann aus Altmetall selbst hergestellt werden, der Bauplan steht im Internet, niemand kann die Maschine zum Privateigentum erklären, die dafür nötigen Ressourcen sind überall und relativ billig zu erhalten. Marcin und sein Team sind sich im Klaren, dass Einzellösungen nicht genügen. Nötig ist vielmehr ein integriertes technologisches System. Nur so wird Autonomie wirklich. Die Pressmaschine zum Beispiel kann nur dann selbst produziert werden, wenn es entsprechend einfach herzustellende Produktionsmittel dafür gibt. Der ganze Produktzyklus muss Open Source werden. Marcin zeigt uns Fotos eines → Brenntischs, auf dem mit einem Laser Metall einfach zugeschnitten werden kann. Und er verweist auf einen 3-D-Drucker, mit dem man auf einfache Art dreidimensionale Objekte produzieren kann. Ein Induktionshochofen wiederum ermöglicht, aus Altmetall in dezentraler Art selbst die nötigen Ausgangsmaterialien für die Open Source-Maschinen zu gewinnen. Die Energie für die Maschinen der Open Tech Farm wird auf erneuerbarem Weg produziert. Das → Biomass-to-liquid-Verfahren ist für Marcin ein Zukunftsweg, den er und sein Team bereits erproben. Konventionellen Agrosprit sieht er kritisch: zu geringe Nettoenergiebilanz, zu viel Verschwendung von Pflanzenmaterial. Technologien wie die Zielgepressmaschine oder der Traktor sind nur erste Schritte. Marcin und Co. wollen die nächsten 2 bis 5 Jahre ein vollständiges Set für eine Open Tech Farm, ein Life-Support-System entwickelt haben: leicht zu replizieren, aus Altmetall herstellbar, mit offenem und ständig verbesserbarem Design, langlebig, leicht zu reparieren, vielfältig rekombinierbar, und mit Einzelkomponenten, die aufeinander abgestimmt sind. Einer der nächsten Schritte ist für Marcin die Entwicklung einer Open Source-Dampfmaschine. Sie ist viel effizienter als ein Dieselmotor, insbesondere wenn man sie mit mikroelektronischer Steuerung optimiert. Was Marcin als Ziel der Experimentalfarm in Missouri im Kopf hat, nennt er „Global Village Construction Set”, ein LEGO-System für den Aufbau globaler Dörfer also: „Share design globally, but produce locally” – „Teilt das Design global, aber produziert lokal”, bringt seine Message auf den Punkt. Derzeit sind Marcin und Co. voll damit beschäftigt, die Technologie der Open Source Ecology zu entwickeln. „Man muss sich alle Technologien aneignen, sortieren, was man davon brauchen kann”, erläutert Marcin den Prozess. Es ist Versuch-und-Irrtum, der die Gruppe leitet. Manchmal glaubt man, etwas funktioniert gut, bis man es ausprobiert, spricht Marcin aus Erfahrung – und dann probiert man eben etwas anderes. Die Technologieentwicklung ist aber nur ein Teil, und nicht einmal der wichtigste, meint Marcin. Der andere ist ein „business model”, wie Marcin, ganz US-Amerikaner in der Wortwahl, die spezifische Art der Technologieverbreitung nennt, die er anvisiert. Einerseits, so Marcin, wird in Missouri eine Ausbildungseinrichtung geplant. Sie soll die traditionellen Universitäten in Wettbewerb zur Open Source Ecology bringen. Andererseits wird die Open Source-Technologie, die Marcin und Co. entwickeln, auch auf dem Wege des Verkaufs verbreitet werden. Marcin ist dabei völlig pragmatisch: „Wenn ein normales Unternehmen unsere Maschinen herstellen und verkaufen will – ich habe nichts dagegen; wenn sie unser Produkt verbessern: sehr gut.” Dass die Open Source-Technologie von konventionellen Betrieben aufgegriffen wird, sieht Marcin Jakubowsky nicht als Gefahr. Die Maschinen, die er und sein Team entwickeln, sind durch eine Open Source-Lizenz vor Privatisierung geschützt. Marcin erwartet durchaus, dass konventionelle Betriebe beginnen werden, die Open Source-Technologie zu verkaufen. Allerdings nur, weil Open Source besser und billiger ist als proprietäre Produkte. Die Produktion der Open Source-Technologie muss kostendeckend sein, aber auch nicht mehr. Derzeit ist die Gruppe noch sehr auf Spenden angewiesen. Und natürlich auf ihren Zugang zu Land. Land sei überhaupt die wichtigste Ressource, betont Marcin. Der Clou ist seiner Meinung nach, dass die auf Kooperation und Teilen beruhende Produktionsweise der Open Source konkurrenzfähiger ist als das konventionelle System. Wie bei Linux wird das Open Source-Produkt früher oder später seinen Weg in die konventionelle Geschäftswelt finden, was die Technologie weiter verbilligen und die Open Source-Produktionsweise, ohne es zu wollen, immer weiter verbreiten wird. „Wenn die Leute praktisch sehen, wie gering der Aufwand sein kann, um ein gutes Leben zu führen, wird das Open Source-Modell an Attraktivität gewinnen”, ist Marcin überzeugt. „Uns genügt so wenig”, sagt er, „die meisten von uns geben sich mit einem ziemlich mittelmäßigen Leben zufrieden.” Im Unterschied dazu ermögliche Open Source Ecology ein Leben in Fülle und voll kreativer Tätigkeit. Marcin ist pragmatisch. „Die Open Source Ecology ist keine Hippie-Gesellschaft. Es geht um optimale Produktion.” Die ist laut Marcin nur durch intelligentes Design und globale Kooperation möglich. Möglich aber, und daran lässt der Botschafter des Open Source keinen Zweifel, ist sie. Die meisten Technologien sind ohnehin bereits 100 Jahre alt, stellt Marcin nüchtern fest – außer der Mikroelektronik freilich. „Das eigentliche Problem ist nicht die Technik”, zieht er daher den Schluss, „das wirkliche Problem ist, wie wir eine globale Zusammenarbeit entwickeln, wie wir Gemeinschaftlichkeit zustande bringen.” „Wir wollen keine Sozialleistungen von der Regierung”, hält Marcin fest. – „Das Überleben könnte eigentlich eine triviale Aufgabe sein… es gibt keine Materialknappheit, nur einen Mangel an menschlicher Intelligenz.” Im Kontext der Idee einer Open Source Ecology ist das auch richtig. Hört man Marcin Jakubowsky zu, so könnte man seinen Ansatz als ökologisch verbrämte Machbarkeitsillusion missverstehen. Tatsächlich ist nur im groben Umriss absehbar, welche Technologien sich in einer post-fossilen Zukunft als tragfähig erweisen, welche also nicht nur machbar, sondern auch lebensfähig sind. Deshalb ist so wichtig, was Marcin selbst betont: die Open Source Technologie ist einfach, sie hält ein Leben lang, sie beruht auf der Idee konstanter Wirtschaft und ist Baustein einer Produktionsweise, die sehr wenig Ressourcen braucht. Deshalb ermöglicht die Open Source-Technologie kollektive Autonomie, viel Freizeit und dauerhaften Wohlstand. Und aus eben diesem Grund ist sie unvereinbar mit Wirtschaftswachstum und Profitproduktion. Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft, die Marcins Open Tech Farm uns derzeit auf den Weg geben kann. Zugleich entstehen dort bereits Tools für eine andere Gesellschaft. Solche Tools müssen sich von der kapitalistischen Technologie radikal unterscheiden. Die menschliche Autonomie muss ihnen quasi eingeschrieben sein. Und genau diese Art von Technologie versucht die Open Tech Farm zu entwickeln. ACHTUNG: . Quelle: Andreas Exner
Keine Reaktionen vorhanden |
|