2003-02-24
FREUDS DILEMMA MIT DER FREUDE
Liebe ist ein harter Brocken, besonders wenn er einen durch plötzliche Sofortmaßnahmen,
sozusagen Untreue der Geliebten, im Hals stecken bleibt und zugleich auf die Speiseröhre
und auf die Luftröhre drückt, wenn auch so, daß man trotzdem noch essen und atmen kann.
Das aber heißt, daß man ihn weder hinunter noch herauf kriegt, daß dieser Seelenvampir es
sich gewissermaßen auf die Dauer im gewürgten Hals gemütlich macht.
Jetzt ist aber Liebe nicht eine Angelegenheit des Respirationstraktes und der
Speisenbeförderung durch den Ösophagus, sondern eine des schmachtenden Herzens und der
demolierten Seele, so es sich nicht um die venerische Liebe, - nein, das hat üblen
Beigeschmack -, also um die rein physikalische Betriebsamkeit handelt. Um den
splitternackten Trieb, der sich mit Naschen, Vernaschen, Sinnenrausch und Ekstasen
begnügt, hinterher aber höchstens Montanatropfen oder eine Lutschtablette für die
aufgewühlten Eingeweide braucht.
Jetzt steckt einen also dieser Brocken im Hals, die Seele wimmert und das Herz blutet
und sogar die Gedanken drehen sich im Kreis, wie nach einem Tanz auf den Vulkan.
Man denkt an die Muttermale der Herzallerliebsten, sieht die verwehrten, süßen, steifen
Brustwarzen vor sich, weiß, wie ein anderer wollüstig daran nuggelt, und wünscht sich in
das tiefste Grab, das je gegraben wurde.
Denn wenn sich die Heißgeliebte plötzlich zu einem Kurswechsel entschließt, ist ja nicht
eine strenge Mutter dahinter oder eine üble Laune der Natur, sondern einer, der besser
ist und interessanter, mitunter schöner und klüger und es auch besser kann.
Denn eine Katz im Sack tauscht sich keine unversucht ein. Den Spatz in der Hand scheucht
sie erst weg, wenn der Täuberich am Dach im Bett seine Kunststücke gezeigt hat. Und nicht
nur im Gurren. Da muß wohl auch ein bißchen Pfau durchschillern, radschlagen verblüffen,
und besonders feiner, genetischer Schmuck unwiderstehlich sein.
Kurz und gut, ein stattlicher Täuberich, der eine Zukunft voll Lust und Freud verspricht und die
ständig ersehnte Sehnsucht nach dem Unmöglichen erfüllen kann.
Da hat man also seinen Brocken, kann ihn weder speiben noch verdauen, und weiß
sich nicht zu helfen, bei allem Mitleid mit sich selbst. Ein Seelenklempner kann den
Brocken nicht heraufhakeln, ein Herzchirurg nur die Blutung stillen, und eine Lungenfachfrau
bestenfalls den Fremdkörper aufs Röntgenbild zaubern.
Der Liebeskummer wächst, der Brocken quillt, die Psyche schaltet auf Schwermut um, der Geist
umnachtet sich, das Todesdezernat bespricht mit dem Stammhirn, der Lebenszentrale, eine Stillegung des
biologischen Systems, im Volksmund Selbstmord genannt.
Das Stammhirn, der Hypothalamus, sieht keinen Grund, die ihm zuständigen Funktionen funktionieren wie
ein geöltes Uhrwerk, die Psyche soll den Störfaktor beseitigen. Nebenfrage, was ist eine Geliebte,
was ist eine Frau, was ist Liebe? Was Esbesserkann?
Liebe ist ein im Hals verklemmter Brocken, der das Allgemeinbefinden beeinträchtigt. Das Stammhirn
schlägt einen Luftröhrenschnitt vor. Damit ist die Sache nicht gelöst, die Liebe ist ein kompliziertes
Gebilde, welches auch die Speisenzufuhr behindert.
Dann also Resektion der Speiseröhre und Ersatz durch plastische Chirurgie. Man produziert doch schon
andere Eingänge mit ziemlich naturgetreuer Beschaffenheit, wenn vielleicht das Ring- und Längsmuskelimitat
etwas träger arbeitet. Vibriert werden muß.
Unmöglich, die Liebe beklemmt auch den Plastikschlauch. Dann eben radikale Entfernung der Liebe.
Fremdkörperbeseitigung. Geht nicht, sie ist wohl zu orten, aber kein organisches Gebilde.
Der Hypothalamus gibt ärgerlich auf: Wenden Sie sich an einen Geisterheiler!
Wir, die psychischen Funktionen betreiben keine Scharlatanerie! Haben Sigmund Freuds Werke im Kopf.
Wissen auch, daß Liebe mit Sexualität verknüpft ist, haben aber kein Handbuch über ihre Abspaltung vom
libidinösen System. Sie ist ein fixiertes Syndrom.
Beraten Sie sich mit Nobelpreisträgern, sagt der Hypothalamus noch mürrischer.
Herr Thalamus, der Nobelpreis für die Abspaltung der Liebe wurde noch nicht vergeben.
Dann versuchen Sie es mit einer Kneippkur. Einem Kaltwasserguß.
Geehrter Herr Hypo von Thalamus, eben haben wir betont, daß wir keine Kurpfuscher sind, wir
operieren auf der Basis der Schulmedizin.
Dann operieren Sie! Kann Liebe zu einer Lungenentzündung führen? Krebs oder Multipler Sklerose?
Ja, Krebs ist möglich und bewiesen.
Dann schlage ich Ihnen eine Chemotherapie vor, wenn ein chirurgischer Eingriff nicht möglich ist.
Dadurch verliert der Patient die Haare, was sein Liebesleben noch drastischer vermindert.
Hypothalamus macht Ihnen einen letzten Vorschlag: Ich könnte Ihnen eine Extraportion Endorphine
ausschütten, wenn sie mir bei einer leichten Schlaflosigkeit psychisch entgegenkommen.
Tut uns leid, an temporären Maßnahmen sind wir nicht interessiert. Wir sind in einem psychischen
Grenzzustand und wollen das System vernichten. Wir wollten Sie nur um Mithilfe bitten.
Tja, Hypothalamus ist voll funktionsfähig. Schauen Sie, wie Sie zurechtkommen. Liebe geht uns
nichts an. Für einen Sterbefall sehen wir keine Möglichkeit. Bedenken Sie auch die Bestattungspreise!
Immer bleibt alles an der Psyche hängen. Die soll Wunder wirken. Die Psychologen selber wissen sich kaum
zu helfen. Besser dran sind die Psychologinnen. Die manövrieren sich bestens durchs Liebesleben.
Allerdings lassen sie immer einige mit einem Brocken im Hals auf der Strecke.
Und ihren Kollegen raten sie, mit vorgehaltener Hand, geben sie dem Patienten Heroin. Als Heroen sind
sie unsterbliche Dulder. Lesen Sie nach. Matriarchalische Gesellschaften. Liebhaber für ein Jahr.
Feierliche Tötung, Verspeisung und Einsetzung des neuem Liebhabers für die Große Göttin. Sie braucht
Liebhaber nur zu ihrem Vergnügen und nicht, um Kindern einen Vater zu geben. Übrigens, liebe Kollegen,
befassen Sie sich mit der Systemischen Therapie!
Herrgott! Warum gibt es denn immer noch solche, die sich nicht mit einem Körper ohne Gesicht begnügen
können? Die sich ständig im Spiegel einer Seele sehen wollen?