2008-12-20
Wenn die Ratlosen Ratschläge erteilen
ZUM INTELLEKTUELLEN VAKUUM DER BÜRGERLICHEN ÖKONOMIE
"Alle unsere Vorhersagen und Modelle, die wir - gestützt auf volkswirtschaftliche Daten und Expertisen - entwickelt haben, haben versagt.",
antwortet Veit Sorger, Chef der österreichischen Industriellenvereinigung, am 19. Dezember 2008 auf Seite 4 der Kleinen Zeitung auf die Frage:
"Ist es nicht eigenartig, dass die Kamarilla an Unternehmern und Wirtschaftsexperten im Dunkeln tappt, wenn es darum geht, ein Gefühl für 2009 zu bekommen?"
Nun ist allein diese Frage für die bekanntermaßen unternehmerfreundliche Kleine Zeitung ungewöhnlich präzise formuliert. So liest man etwa auf wikipedia zum Begriff "Kamarilla":
"Unter Kamarilla oder Camarilla (von spanisch: camarilla (Diminutiv von cámara, Kammer) „Kämmerchen“, Privatkabinett des Königs) versteht man eine Günstlingspartei, die ohne Befugnis und Verantwortung Einfluss auf die Entscheidungen eines Herrschers ausübt ..."
Es kann nun gar nicht verwundern, dass diese handfeste Polemik dem Veit Sorger noch nicht einmal auffällt. Wie sonst ist es möglich, dass seine Antwort darauf so beginnt:
"Alle UNSERE Vorhersagen ..."
Man weiss also in diesen Kreisen sehr genau um seine Position in der Gesellschaft! Umso erschreckender sollte es für uns alle sein, dass gerade jene "Unternehmer und Experten", die jetzt ganz genau wissen, was zu tun (Konjunkturpakete ohne Ende, Bankenmilliarden, etc..) und was zu lassen (Rekommunalisiserungen, bedingungsloses Grundeinkommen, etc...) ist, nicht die geringste Ahnung davon haben, wie es zur aktuellen Krise kommen konnte und welche Dimension sie noch annehmen wird. Keine Ahnung woher's kommt und keine Ahnung wohin's geht. Aber rauf auf's Gas. Und diese Zyniker dürfen das auch noch offen zugeben!
Da ist in der Tat Hopfen und Malz verloren für jeden auch noch so kleinen Ansatz einer emanzipatorischen Transformation der Krise. Der politische Dienstweg über die von diesen "Experten" beratenen Parlamente und Regierungen kann von einer wie immer gearteten emanzipatorischen Bewegung jedenfalls nicht mehr beschritten werden. Denn die etablierte Politik kann und wird mit solchen "Experten" die aktuelle Krise bestenfalls stabilisieren. Aber um welchen Preis? Die Repression des dazu benötigten "Krisenmanagements" wird auf ein unerträgliches Ausmaß steigen. Die ersten Anzeichen dafür gibt's bereits: Gnade nämlich Gott all den Zigtausenden, die in den nächsten Wochen und Monaten ihre Arbeit verlieren werden und denen der ÖVP-Koalitionsverhandler Karl-Heinz Kopf vor wenigen Wochen (also bereits mitten in der manifesten Krise) im Standard ausrichten lies: "Selbstverständlich sind die Zumutbarkeitsbestimmungen ein Thema". Und weiters war dort zu lesen: "Kopf kann sich auch vorstellen, dass Bezieher von Arbeitslosengeld zur Erbringung von gemeinnützigen Tätigkeiten verpflichtet werden."
Ja, ja. Nur so weiter! Gute Ansätze sind das - für eine "ordentliche Beschäftigungspolitik".
PS: Demnächst gibt's hier den 1. Teil des Einführungskurses "Kapitalismus für Wirtschaftsexperten I". Gewissermaßen "Lebenslanges Lernen" als Herausforderung - einmal für die andere Seite.