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Peter Gstettner

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2008-05-18

Rede bei der Protestversammlung am 14. Mai 2008

im Konzerthaus in Klagenfurt/Celovec.
Unkorrigierte und ungekürzte Version. Es gilt das gesprochene Wort

Dober večer sosed, guten Abend Nachbar, hast du gehört? – Es ist nichts zu hören. Es herrscht Ruhe im Land. Es herrscht der Kärntner Dialog!

Zum Vergrößern anklicken!
Josef Feldner und Marjan Sturm. Kärnten neu denken. Zwei Kontrahenten im Dialog. Vorworte von Bundespräsident Heinz Fischer und Friedensforscher Johan Galtung. Hg.: Wilfried Graf / Gudrun Kramer
Verlag: Drava und Heyn. Klagenfurt / Celovec 2007, 256 S.,
ISBN: 978-3-85435-525-0
ca. EURO 22,--

„Es gibt keine Alternative zum Dialog der Volksgruppen“ (29.3.2008 Kleine Zeitung). - „Es gibt keine Alternative zum Kärntner Konsens.“ -

„Ich glaube an den Dialog der Volksgruppen. Es gibt keine Alternative zum Dialog der Volksgruppen.“

„Ich glaube an den Kärntner Konsens. Es gibt keine Alternative zum Kärntner Konsens.“

Oft genug wiederholt, oft genug nachgebetet, bekommen diese Schlagworte den Stellenwert, den sie heute in der Kärntner Volksgruppenpolitik haben – und ein Eigenleben: vom Schlagwort zum Kärntner Dogma.

Das neue Kärntner Glaubensbekenntnis, mal beschwörend, mal mit drohenden Unterton ausgesprochen, heißt im Grunde nichts Anderes als: Es darf keine Alternative zum Dialog der Volksgruppen geben. Es darf keine Alternative zum Kärntner Konsens geben. Es darf keine Zweifel daran geben, dass der Kärntner Konsens zum Besten der slowenischen Volksgruppe ist.

Das ist nicht neu: Es ist zum Besten der slowenischen Volksgruppe, wenn sie deutsch spricht, und wenn sie Verständnis dafür hat, dass die Deutschkärntner nur auf deutsch den „Dialog“ führen wollen, und wenn der Obmann der deutschkärntner Vereine die Seinen dazu aufruft, sie sollten doch, etwas mehr nationales Selbstbewusstsein zeigen. Auch das soll zum Besten der slowenischen Volksgruppe sein, denn sie dürfe ja auch „nationales Selbstbewusstsein“ zeigen.

Zwei Obmänner von slowenischen Organisationen sind der Konsensglaubensgemeinschaft beigetreten, eine Organisation ist wieder ausgetreten – konvertiert zu den Konsenskritikern. Die slowenischen Jugendorganisationen waren von Anfang an auf Seite der Kritiker. Sie sprachen mit einer Stimme, was die alten Organisationen bis heute nicht zusammen brachten.

Marjan Sturm und Bernhard Sadovnik sind also der Konsensglaubensgemeinschaft beigetreten, aus freien Stücken, nehme ich an; das ist als persönliche Entscheidung zu akzeptieren – wenn da nicht das Problem wäre, dass Minderheitenrechte Menschenrechte sind, und wenn Menschenrechte eingeschränkt werden, dann sind wir alle davon betroffen, auch die Mehrheit.

Die beiden genannten Obmänner bekamen – was jeder leicht überprüfen kann - als verständigungsorientierte, versöhnungsbereite Kärntner neben Josef Feldner ein Plätzchen auf dem Altar der Heimattreuen. Heinz Stritzl, Vorkämpfer für die heimattreue Minderheit, für die deutsche Minderheit in Slowenien, steht auch schon dort, Seite an Seite mit dem schlagenden treudeutschen Recken Andreas Mölzer, der die deutsche Heimat auf europäischer Ebene verteidigt.

Der Altar hat für viele Schäfchen Platz, für die neu bekehrten wie für die unbelehrbaren. Sie alle treten jetzt gemeinsam an, der neuen Gefahr aus dem Osten die Stirn zu bieten. Die Gefahr heißt nun nicht mehr „Slowenisierung des Grenzlandes“; das ist für den Kärntner Heimatdienst Schnee von gestern. Die neue Gefahr heißt „Islamisierung Europas“, frei nach dem Motto des freiheitlichen FPÖ-Partei- und Propagandachefs H.C.Strache: „Daham statt Islam“.

Landauf, landab, jahraus, jahrein, das neue Kärntner Glaubensbekenntnis im Gewand des alten Wunschbildes, der fiktiven „Kärntner Einheit“ – in Kärnten gemeinsam „daham“ sein!

Der Glaube soll ja bekanntlich Berge versetzen, dass er auch neue Ortstafeln aufzustellen vermag, war bis jetzt nicht zu beobachten.

Glauben und nicht fragen sollen wir, wer mit wem koaliert, wie weit rechts das Bündnis angesiedelt ist und wer da aller mitmischt. Der Zweck heiligt die Mittel. Doch was ist der Zweck? Politischer Pragmatismus heißt das, nicht „Zweckbündnis“, so wurden wir belehrt.

Vertrauen zu Gesprächspartner, die nie den Rechtsstaat in Anspruch genommen oder gar herausgefordert haben, die schon eine Allergie bekommen, wenn man zum zivilgesellschaftlichen Ungehorsam oder gar zum Widerstand aufruft, dieses Vertrauen wird uns abverlangt. Warum sagen die Dialogbereiten nicht klipp und klar, was Sache ist? Kärnten braucht nämlich gar nicht neu gedacht zu werden, sondern Kärntner braucht eine neue Politik, die die Regeln von Demokratie und Rechtsstaat wieder zur Grundlage ihres politischen Handelns macht.

Es muss ja auch nicht der österreichische Staatsvertrag „neu gedacht“ werden, er müsste nur endlich einmal umgesetzt werden – in einem neuen europäischen Geist, und nicht unter den Bedingungen des engen Kärntner Heimat-Konsens-Verständnisses, dieser Kärntner Minimalvariante, des kleinsten gemeinsamen Nenners, den man uns heute als „historische Lösung der Kärntner Frage“ anbietet.

Früher – im vorigen Jahrhundert - hätte man die Kritiker des Kärntner Dialogs vielleicht wegen Majestätsbeleidigung angeklagt. Heute geht das nicht mehr mangels Paragraphen, die unsere Majestäten vor Kritik schützen. Deshalb waren sie auch so überrascht davon, als sie ins Zentrum der Kritik kamen; nach einer längeren Schrecksekunde dämmerte es ihnen: Da gibt es doch tatsächlich noch Leute, Konsensungläubige, die das Bekenntnis zum „historischen Kompromiss“ verweigern.

Tatsächlich, es gibt gar nicht so wenige Menschen, die sehr wohl eine Alternative zu dieser ihnen vorgespielten „Dialogpolitik“ sehen. Diese Leute sind wir.

Wir kommen nicht mit dem Anspruch etwas Neues zu erfinden; wir stehen für das, was wir schon seit Jahrzehnten in diesem Land vertreten, was wir selbst hegen und pflegen und leben: das kritische Gespräch und die interkulturelle Verständigung darüber, dass Signale des Protests und des Widerstandes gegen die Kärntner Verhältnisse notwendig sind, ja schon längst überfällig sind.

Mit der Veranstaltung heute haben wir so ein Signal gesetzt. Wir brauchen keine wissenschaftlichen Moderatoren, die uns sagen, auch in Südafrika, im Baskenland, in Irland, in Palästina, jetzt auch in China und in Tibet würden „Konfliktdialoge“ zur Lösung der Probleme beitragen. Wir hätten kein Problem mit den „Konfliktdialogen“, wenn solche geführt würden. Davon ist aber bislang nichts zu sehen oder zu hören.

Wir haben ein Problem mit diesen unseren „Kärntner Verhältnissen“, zu denen jetzt auch die Aktivitäten der selbsternannten „Kärntner Konsensgruppe“ gehören. Sie sind mit Bestandteil der Kärntner Verhältnisse, die von ganz oben getragen werden und die dazu angetan sind, die demokratischen Grund- und Menschenrechte immer weiter zu schmälern. Kärntner Eliten, die sich über alles hinwegzusetzen, was nicht der Nomenklatur der Kärntner Heimatschützer entspricht, die sind unser Problem. Dass sich jetzt auch zwei slowenische Organisationen für diese Nomenklatur vereinnahmen ließen, dies war auch mit Ursache für den Aufruf unserer Initiative.

Selbstverständlich sahen wir von Anfang an den Zusammenhang zwischen der Untätigkeit der Bundesregierung bei der Durchsetzung des Rechtsstaates in Kärnten und dem spezifischen Kärntner Abwehrkampf, sich nichts von Wien vorschreiben zu lassen. Das Ringen um den Kärntner Konsens mit der Perspektive „Ende nie“ oder „Kärntner Nulllösung“ lieferte der Bundesregierung den perfekten Vorwand Jahr um Jahr vergehen zu lassen und die Umsetzung der Resultate der Spruchpraxis des Verfassungsgerichtshofes auf die lange Bank zu schieben.

Selbst um den Preis, dass das neue KHD-Feindbild nun „Islam“ hieß, die slowenische Führung wird sich gesagt haben, Hauptsache ist, wir kommen aus dem Schussfeld des KHD-Sperrfeuers. Und, na ja, es gibt Schlimmeres als eine Umarmung durch den KHD; die Heimat ruft, dann kommen wir eben, nicht nur zu den 10. Oktober Feiern, sondern immer, wenn uns der Ruf der Heimat ereilt.

„Konsensarbeit“ war fortan auch etikettiert als „Versöhnungsarbeit“, als Arbeit am Bild des neuen Heimatdienstes. Ich möchte es in Form einer lebensnahen Karikatur so nachzeichnen:

Josef Feldner schwebt als Friedensengel über Südkärnten. In seinem Windschatten Marjan Sturm. Schon erwartet die beiden auf einem Flugfeld mitten im zweisprachigen Gebiet eine illustre Schar, das versöhnungsbereite Bodenpersonal des KHD. Wir erkennen den Haider Vertrauten und BZÖler Gert Seeber und den FPÖ/EU-Abgeordneten, den „freiheitlichen“ Haider-Biograf Andreas Mölzer (an seinem Schmiss). Sie tragen alle die KHD-Armbinden und winken nach oben: „Peppi Feldner, do muast londen, do gibt’s noch a poar Windische, die Ongst hoben vor de Slowener und ihre Ortstofln.“ Feldner von oben (und jetzt zitiere ich fast wortgetreu aus dem Feldner/Sturm-Buch): „Keine Angst Freunde, gebt euch nicht selbst auf, mehr nationales Selbstbewusstsein bitte schön. Schließlich: Wir sind die Mehrheit. Wir brauchen keine Angst mehr zu haben vor der Minderheit. Wir sind die Mehrheit, die in Südkärnten 90 Prozent und in ganz Kärnten 96 oder 97 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht“.

Kärnten ist also um eine neue Karikatur reicher. Nach dem Ortstafelverrücker Haider nun der minderheitenschützende Friedensengel Feldner. Als wäre Kärnten so arm an Karikaturen, dass das übrige Österreich nichts zu lachen hätte. Und jetzt noch das: Laut neuester Aussendung droht die sog. Konsensgruppe damit, nicht nur ganz Südkärnten mit ihren vertrauensbildenden Maßnahmen zu überziehen, sie will ihren „Dialog“ auch grenzüberschreitend ansetzen, auch in Slowenien etwas bewegen. Offenbar mit Blick auf EU-Förderungen hat der KHD schon mal verlauten lassen, was ihm diese „Konsensarbeit“ bisher gekostet hat: 250.000 Euro veranschlagt der KHD für seine „Konsensarbeit“ seit dem Jahre 2005 (lt. Kleine Zeitung vom 8. Mai 2008, Seite 22). Warum sollte es da der Zentralverband billiger geben? Wären also zusammen rückwirkend rund eine halbe Million Euro für die „Konsensarbeit“, Versöhnungsarbeit eingerechnet; die grenzüberschreitenden Aktivitäten sind da noch nicht dabei.

Ich hätte einen anderen Vorschlag: Der Kärntner Heimatdienst ist die allerletzte Organisation, die sich dafür eignet, als Partner für „vertrauensbildende Maßnahmen“ aufzutreten, ist die allerletzte Organisation, der man zutrauen darf, dass sie etwas zum Schutz und zur Förderung slowenischer Interessen unternimmt.

Selbst ein gewandelter Feldner hat eigentlich nur eine Möglichkeit, das Vertrauen in seine Person wieder zu gewinnen: Feldner löst den KHD-Verein auf und erklärt, alle Ziele des Abwehrkampfes sind erreicht worden, die Slowenen sind klein gemacht worden, sind bescheiden und anspruchslos geworden, sie stellen keine Gefahr mehr dar. Das Vereinsvermögen des KHD fällt zu gleichen Teilen dem Partisanenverband und dem Verband der Ausgesiedelten zu als eine Art Wiedergutmachung für die durch den KHD erlittenen Schmähungen und Verunglimpfungen.

Sollte der KHD-Obmann mit dieser „Streitbeilegung“ überfordert sein, bliebe noch folgende Alternative: das Vereinsvermögen wird als Belohnung auf diejenigen Südkärntner Gemeinden verteilt, die als erste und freiwillig von sich aus zweisprachige Ortstafeln aufstellen. Dieser finanzielle Anreiz würde sicher besser als jede vertrauensbildende Maßnahme bewirken, dass in Kärnten rechtsstaatliche und staatsvertragskonforme Verhältnisse Einzug halten. Und damit wäre Kärnten doppelt gedient: Der KHD wäre auch ohne Verbot aus dem Spiel und die Ortstafelfrage wäre endlich friedlich gelöst.

Dann liegt das Problem nur mehr in Wien: „Kärnten neu denken“ heißt heute in Wien, den Kärntner Befindlichkeiten breiten Raum zu gewähren, und zuschauen dürfen bei dieser tragisch-komischen Talk-Show von Kärntner Volksgruppenfunktionären, deren Devise zu sein scheint: Dabeisein ist alles, jetzt beim lokalpolitisch relevanten Ortstafel-Ping-Pong-Spiel, das zum Heimspiel zwischen KHD- und Slowenenvereinen abgestuft wurde.

Also: Kärnten neu (ver)spielen – amüsant vielleicht für die Wiener Politiker, die abwechselnd besorgt den Kopf schütteln mögen oder zustimmend nicken und das Match in Kärnten aus sicherer Distanz beobachten – stets in der Hoffnung auf Spielverlängerung. Und darin werden sie sicher nicht enttäuscht.

Auch der Spielemacher im Hintergrund, der seine Mannen in allen strategisch wichtigen Positionen aufgestellt hat, in der Verteidigung, im Sturm, rechtsaußen und linksaußen, als Linienrichter und Schiedsrichter, der die Spielregeln festlegt und der immer wieder seine Fans zu begeistern vermag, der lachende Dritte, der Gewinner im Endspiel, er wird sich am meisten freuen.

Für die Republik Österreich sind diese beschämende Zustände in Kärnten noch längst kein Grund zum Einschreiten, ist doch Haider auch in Zukunft der Garant dafür ist, dass in Kärnten die zweisprachigen Ortstafeln zu keiner unzumutbaren Belastung für die Mehrheit werden, dass keine Moscheen gebaut werden und dass Asylwerber willkürlich in andere Bundesländer abgeschoben werden können.

Wir werden unsere Forderung „Demokratie und Rechtsstaat jetzt – nicht erst in ein paar Jahren als Stufenmodell oder als Gnadenakt“ und wir werden unsere Botschaft „Demokratie und Rechtsstaat brauchen keine vertrauensbildenden Maßnahmen“ nach Wien tragen müssen. Wir werden die Bundesregierung auffordern, umgehend das Gesetz des Handelns wieder in die Hand zu nehmen und das Schicksal der Demokratie im Bundesland Kärnten nicht länger dem freien Kräftespiel von Lokalpolitikern und Vereinsfunktionären zu überlassen.

Mit Ausreden und Vertröstungen werden wir uns nicht abspeisen lassen. Worauf warten wir eigentlich noch? Warum nicht am 10. Oktober, dem Kärntner Schicksalstag, kraftvoll und selbstbewusst in Wien auftreten?

In diesem Sinne: Die Protestversammlung heute war ein guter Anfang, ein hoffnungsvolles Signal. Danke dafür. Auf Wiedersehen in Wien.

Hvala lepa.
Na svidenje na Dunaju!

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