2008-03-05
Wir brauchen ein neues WELTLEBENSSYSTEM
Fortsetzung des Nachdenk-Prozesses:
Was bedeutet das bisher Diskutierte konkret für uns?
Fr., 28. März, 14:00-19:00
Gasthof Kasino, Villach, Kaiser-Josef-Platz
|
Gott sei Dank werden heute 84% der Weltbevölkerung von den Honigtöpfen unseres Wirtschaftssystems ferngehalten. Stellen Sie sich vor, diese Mehrheit hätte annähernd unseren Lebensstandard, nicht auszudenken, unser Planet wäre längst aus allen Nähten geplatzt.
Oft habe ich das Gefühl, unsere politischen Vertreter denken so, denn wie sind sonst 0,33 oder 0,7 % des BNE als Entwicklungshilfe zu sehen oder der Schuldenerlass, der multinationalen Konzernen Tür und Tor und Versuchsfelder in Entwicklungsländern öffnet.
Das zeigt uns, wie abstrus unser wirtschaftlich geprägtes Handeln in eine globalen Betrachtungsweise – „global“ in Bezug auf das Weiterbestehen des menschlichen Leben auf unserem Planeten – ist.
Was uns Menschen ausmacht, ist Denken und Bewusstsein. Wir können aus unserer kollektiven Erfahrung heraus die Folgen unseres Handelns zu einem Gutteil abschätzen. Wenn ich heute z. B. mit dem Auto fahre, weiß ich, dass ich dem Erdklima einen weiteren Nadelstich versetze. Aber wir haben in den letzten Jahrzehnten das Denken in Alternativen verlernt, denn wir sind nicht mehr für unser Überleben verantwortlich, sondern bekommen es als Instantprodukt zum Erwerb frei Haus. In unserem heutigen durch die Wirtschaft geprägtem Gesellschaftssystem wird der homo sapiens zum homo consumensis degradiert.
Wir sind so gut sozialisiert, dass selbst unsere Kinder wissen, dass Strom doch aus der Steckdose und Milch aus dem Tetra-Pak kommt, es im Drive-In bei MacDo lecker Fastfood und bei H&M trendige Klamotten zum niedrigsten Preis gibt – alles was der homo consumensis zum Überleben braucht. So ist es auch nicht verwunderlich, dass angesichts einer sportlichen Großveranstaltung und eines neuen Einkaufstempels Zufahrtsstraßen für teures Geld ausgebaut werden, während der öffentliche Nahverkehr für berufstätige Eltern weiterhin unbrauchbar bleibt.
Was heute zählt, ist Gewinnmaximierung – business as usual. Aber Ausblenden von Nebenwirkungen – eine beliebte Vorgehensweise in der Nationalökonomie – und die Thesen der politischen Ökonomie, in denen die Nutzenmaximierung des Einzelnen zum größtmöglichen Nutzen aller Beteiligten führt, haben in der globalen Wirklichkeit schlichtweg versagt und wären in der Ausbildung unserer künftigen Eliten zumindest kritisch zu hinterfragen.
Entwicklungshilfe wäre heute nicht nötig, wäre unser Vorgehen gegenüber den Entwicklungsländern wirklich fair. Afrika z.B. erlebte und erlebt 2 große Katastrophen – die Kolonisierung und nun den Klimawandel. Wenn in den kommenden Dekaden Millionen Afrikaner sich an den Grenzen zu Europa drängeln, dann werden wir vielleicht erkennen, dass wir am Beginn des 21. Jahrhunderts kein Immigrationsproblem hatten, sondern nur ein Übungsfeld für die Herausforderungen der Zukunft.
In wenigen Dekaden werden sich wahrscheinlich keine Kriegsverbrecher in Den Haag sondern Wirtschafts- und Klimaverbrecher vielleicht in Kairo oder Nairobi verantworten müssen. Wir, die wir in einem christlich geprägten Kulturkreis leben, werden den Gutteil der Verantwortung übernehmen müssen. So generös wie wir heute jeden Moslem mit radikalen Islamisten in einen Topf werfen, können wir nicht darauf hoffen, dass nicht auch wir dereinst mit dem republikanischen Hinterhof, der den Klimawandel als Vorzeichen der Apokalypse und jedes Einschreiten dagegen als Gotteslästerung ansieht, in den gleichen Topf geworfen werden.
Wie werden Sie antworten, wenn Ihre Kinder und Enkelkinder dereinst fragen: „Was hast Du gegen das Unrechtssystem der globalen Ausbeutung und der Zerstörung unseres Lebensraumes gemacht?“ - Sie können nicht antworten: „Ich habe es nicht gewusst!“
Die Forderung, die sich daraus ergibt, ist, im Namen unserer Kinder ein neues WELTLEBENSSYSTEM zu schaffen. Wir müssen nicht nur endlich Verteilungsprobleme nachhaltig lösen, sondern auch den Klimawandel so gut es noch geht, aufhalten und lernen seine Folgen solidarisch zu tragen. Jeder einzelne muss sich selbst seiner Verantwortung stellen, denn auf unsere Eliten können wir nicht warten. Jeder Haushalt muss sich selbst dazu verpflichtet fühlen, CO2-reduzierend zu agieren und seine benötigten Rohstoffe möglichst bio & fair zu erwerben. Generell aber wird ein Modell „auf der grünen Wiese“ gefunden werden müssen, das keine erworbenen Rechte, keine Patente und keine Nutzungsdauer im Sinne von „wir können irgendwo nicht aussteigen, denn die Investition ist noch nicht abgeschrieben“ kennt.
Um der Krise proaktiv zu begegnen, müssen wir uns von überkommenen Traditionen, die global gesehen auch in der Vergangenheit nichts gebracht haben, verabschieden, wieder in Alternativen denken lernen und generell jeden einzelnen Erdenbewohner in die Pflicht nehmen. Eine Politik des Mindestmaßes hat ausgedient, denn der von uns selbst ins Spiel gebrachte Gegner Klimawandel addiert gnadenlos, ohne Zertifikate, Sonntagsreden und Deklarationen zu berücksichtigen.