2003-01-22
Bürger statt Arbeitskräfte
Politik statt Management
Die Kommune gefällt sich in der Rolle des Unternehmers. Der
(sozial?-demokratische?) Bürgermeister sonnt sich in seiner
Doppelfunktion als Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzender.
"Leistungsbereitschaft, Vertrauen in den Standort und ein konsequentes
Bekenntnis zur (Weiter) Entwicklung des Wirtschaftsraumes bestimmen
die Zukunft der High-Tech-Drehscheibe.", so beschreibt man sich selbst
auf www.villach.at.
Aber was ist das für eine Stadt, deren Zukunft sich ausschließlich
über den Begriff 'Wirtschaftsraum' definiert? Wer ist hier bereit,
was zu leisten? Und vor allem eins: Für wen?
Die Antwort darauf gibt's auch gleich zu lesen: "Villach ist
der zweitgrößte Arbeitsmarkt Kärntens. Die Lage im Nahbereich der großen
Autobahnrouten A2 und A10 (und im Kärntner Zentralraum)
erschließt ein außerordentlich großes Arbeitskräftepotential. Innerhalb des
30-Min.-PKW-Einzugsbereiches leben 266.000 Menschen, etwa die Hälfte
der gesamten Kärntner Wohnbevölkerung."
Das macht Villach in der Tat sehr attraktiv. Attraktiv für
Großinvestoren. Attraktiv für Konzerne, die ihre personalintensiven,
verlängerten Werkbänke lieber auf dem Kärntner Lohnniveau ansiedeln als
auf einem mitteleuropäischen Durchschnitt. Das entgrenzte, neoliberale
Großkapital hat nachhaltige Investitionen noch nie dort getätigt, wo auch die
Renditen abgesahnt werden. Sehr wohl aber drängt es in jene Regionen, von
denen der Standortwettbewerb durch großzügige Steuerzuckerln und lukrative
Gegengeschäfte gewonnen wird.
Wie sehr Villach mit dem Großkapital kann, das zeigt bei weitem nicht nur
der Infineon-Konzern, dessen reale Steuerleistung interessanterweise an keiner
Stelle nachzulesen ist. Der fliegende Wechsel vom Villacher Rathaus in die
Vorstandsetagen der Kapitalgiganten ist übrigens ja auch nichts neues. Nein, großes
Kapital gibt's immer und überall. Der letzte PPP-Deal (PPP: public private
partnership) von Helmut Manzenreiter mit der milliardenschweren steirischen
Industriellendynastie Roth zeigt, dass der Villacher Bürgermeister nicht
nur (wie es ihm gut anstehen würde) an wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen
arbeitet, sondern in vorauseilendem EU- und GATS-Gehorsam auch schon alles
unternimmt, um die gesamten public services der Stadt Villach einer geifernden
Meute von Privatunternehmen vor die Füße zu werfen.
Werfen wir doch einmal einen Blick auf den neuen Partner der Villacher
Müllentsorgung, den Industriellen Saubermacher Roth: "Die Roth Unternehmensgruppe
ist eine steirische Erfolgsgeschichte. Gegründet 1945, umfasst das
Familienunternehmen heute sechs unterschiedliche Zweige:
- die Roth Baumärkte,
- die Roth Modehäuser,
- das Entsorgungsunternehmen Saubermacher,
- Interro (Import-Export),
- das Handels- und Transportunternehmen Martoni und
- Roth Heizöle, gegründet 1972."
Roth Heizöle? Tja, warum ist eigentlich nirgends nachzulesen, von wem
die Tankstelle des Villacher Wirtschaftshofes ihren Treibstoff bezieht?
Jenen Treibstoff, mit dem der Villacher Bürgermeister als sogenannter David
gegen die bösen, bösen Mineralölgoliaths angetreten ist. Ein weiterer Blick
auf diese Sparte des Roth-Imperiums läßt da schon die eine oder
andere Vermutung zu. Die nachstehende Tabelle zeigt die 10 größten
Unternehmen in der österreichischen Mineralölwirtschaft 1998 (Quelle:
Wettbewerbsbericht der AK Wien):
Nr | Unternehmen | Umsatz in Mio ATS |
1 | OMV AG-Gruppe | 64.950 |
2 | BP Austria AG & Co-Gruppe | 16.594 |
3 | Shell Austria AG | 8.904 |
4 | Avanti International Holding AG-Gruppe | 6.000 |
5 | Roth Heizöle GmbH-Gruppe | 3.800 |
6 | Esso Austria AG | 3.686 |
7 | Agip Austria AG | 3.650 |
8 | GENOL GmbH & Co | 3.200 |
9 | Aral Austria GmbH Gruppe | 2.104 |
10 | Manfred Mayer MMM Mineralölvertriebs GmbH | 1.383 |
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Könnte es sein, dass es sich hier um eine flexible und strategische Partnerschaft
handelt (wie es in einer Präsentationsunterlage der Saubermacher AG so schön heißt),
die weit über das hinausgeht, was aus den verschlossenen Verhandlungssälen
des Villacher Magistrats so werbewirksam hervordringt?
Wir würden es gerne wissen. Aber man sagt es uns nicht, weil nur Bürger solche
Fragen zu stellen haben. Arbeitskräfte haben zu arbeiten.