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Herbert De Colle

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2007-03-25

Debatte


Herbert De Colle: O.T., Mischtechnik, 70x90 cm, 1996

In der Kunstdebatte geht es unter anderem um die Frage, was denn heutzutage noch als Kunst bezeichnet werden könnte. Wenn Kunst dasjenige ist, was Aufmerksamkeit erregt und diese Aufmerksamkeit durch das Werk hindurch auf den Künstler ausstrahlt, kann sich jeder Rufreger Künstler nennen.

Es gibt über tausend Definitionen von Kunst und die von allen oder fast von allen akzeptierte Fassung lau¬tet: Kunst ist das, was von den Mitgliedern der Kunstgemeinschaft als Kunst ausgewiesen wird. Natürlich stellt sich sofort die Frage, wer zur Kunstgemeinschaft zählt. Künstler, Kritiker, Galeristen, Sammler... Man kann Kunst historisch betrachten und als Kunstreligion im Dienste der Kulte und der Religionen sehen. Dann will Kunst ein religiöses Weltbild vermitteln, dieses befestigen und rechtfertigen. In Afrika spielte ein eigenständiger Kunstbegriff bis heute noch keine große Rolle. Immer war dabei der Dienst an dem Kult im Vordergrund. Seit der Begriff Ästhetik in der Mitte des 18. Jahrhunderts von Baumgarten (1714-1762) eingeführt wurde, wird Kunst philosophisch reflektiert. Das Schöne ist, was allgemein gefällt und ohne materiellem Nutzen ist, meint etwa Kant. Kunstwerke zeigen nun, dass da etwas anderes ist, sie setzen sich mitunter mit dem ganz Anderen auseinander. Während die Romantiker verlorene Ursprünge suchen, haschen die Avantgardisten nach dem Uridarstellbaren und finden es auch in den Bedingungen der künstlerischen Arbeit selbst. Auf der Seite des Betrachters wird mitunter das sinnliche Wohlgefallen gedämpft und der Blick nach dem Dahinter gefordert.

Wenn Kunst für die Welt Autorität sein will, wird sie in die unglückliche Alternative von Affirmation oder Kritik gedrängt, und ihre Werke polarisieren. Einerseits wollen sich Menschen an Kunst erbauen, sie soll kathartisch wirken und andererseits soll sie Bewusstwerdungsprozesse in Gang setzen. Sie wird zur ästhetischen Erziehung des Menschen eingesetzt. Weil und indem Kunst mit dem Noch-nicht arbeitet, ist sie familienähnlich der Philosophie, es geht beiden darum zu zeigen, was zur Zeit ist und was möglich wäre. Je stärker im 20. Jahrhundert das Hintergrundrauschen technischer und kommerzieller Herkunft wird, desto pointierter und profilierter treten Künstler mit ihren Werken in der Öffentlichkeit auf bis zum Kunstterror eines Wiener Aktionismus.
Um die Aufmerksamkeit zu erregen, um zwischen Irritation und Langeweile, die der kanadische Verhaltensforscher Daniel E. Berlyne als wesentliche Emotionen für unser Wahrnehmungsverhalten erkannt hat, Fuß zu fassen, halten sich Künstler an zwei Strategien: Sie bieten Bilder, Worte, Klänge und Aktionen an, die ein Echo beim Adressanten erregen.Wenn sie die Lücke zwischen Langeweile und Irritation zu füllen vermögen, erzeugen sie im Betrachter ein positives Gefühl. Da wir angenehme Emotionen möglichst oft und intensiv erleben wollen und unangenehme vermeiden wollen, reagieren wir auch entsprechend auf Angebote der Kunst. Wenn sich Künstler in Randgebiete des Darstellbaren begeben, entfacht das eine rege Kunstdiskussion.


Mit freundlicher Genehmigung des Autors:
Herbert De Colle: „Teppichfransen“, edition nove, 2007, Seite 96-98
ISBN 978-3-85251-006-4

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