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2007-02-01 Kärntner Landtag fordert Bettlerlager Aufgrund der Zunahme des Bettlerunwesens fordert der Kärntner Landtag nun die Errichtung von eigenen Bettlerlagern. Der Beschluss des Landtages lautet im Wortlaut: „Der Herr Landeshauptmann von Kärnten wird dringend ersucht, dafür Vorsorge zu treffen, dass auch im Lande Kärnten ähnlich wie in Oberösterreich zur Bekämpfung des Bettler- und Landstreicherunwesens und für die Anhaltung arbeitsscheuer Personen sofort eigene Arbeitslager eingerichtet werden.“[1] Der Landesgewerbeverband für Kärnten interveniert ebenfalls für die Errichtung von Haftlagern. Auch die Landwirtschaftskammer äußert in einem Schreiben an die Landesregierung „ein besonderes Interesse, dass geeignete Maßnahmen zur Eindämmung des Bettlerunwesens getroffen werden. Die Landwirtschaftskammer ersucht daher, die in Kärnten auf diesem Gebiete zu treffenden Maßnahmen zum Gegenstande einer eingehenden Aussprache zu machen.“[2] Eine Baufirma hat sich bereits gemeldet, die sich zur Errichtung von Bettlerlagern in Kärnten empfiehlt, sie könnte „die benötigten Unterkunftsobjekte in kürzester Zeit anliefern, sie seien zerlegbar und transportabel“ [3] und auch gegen Ungeziefer und Fäulnis entsprechend präpariert. Nach dem Bekanntwerden des Gesetzesentwurfes melden sich schon die ersten Interessenten für die Zwangsarbeiter. Die Arbeitskräfte sollen in Wolfsberg zur Herstellung von Güterwegen verwendet werden, wozu die Interessenten sogar einen finanziellen Beitrag leisten würden. Für die Bewachung des Lagers sollte die Sicherheitsdirektion kostenlos sorgen. Allerdings weist der Sicherheitsdirektor, der zusätzliche Arbeiten auf sein Ressort zukommen sieht, darauf hin, dass er die Bewachungsmannschaft nicht stellen könne. [4] Der Bürgermeister von Klagenfurt will die Arbeitskräfte für „wichtige Verbesserungsarbeiten auf den Wörtherseegrundstücken der Stadtgemeinde und allenfalls zur Verbesserung der Abflussverhältnisse der Glanfurt“ zur Verfügung gestellt bekommen, da dies der Stadtgemeinde „mit voll bezahlten Arbeitskräften bei der derzeitigen knappen Finanzlage der Gemeinde unmöglich ist.“ .[5] Nachdem er aber um seine Mitwirkung an der Errichtung des Lagers befragt wurde, macht der Klagenfurter Bürgermeister inzwischen wieder einen Rückzieher: Er teilt mit, „dass die Maßnahmen zur Eindämmung des Bettlerunwesens gewiss begrüßenswert sind, dass jedoch die Stadtgemeinde nicht in der Lage ist, ein geeignetes Objekt zur Unterbringung des Lagers bereitzustellen. Mit Rücksicht auf die finanzielle Lage der Stadtgemeinde wird es ihr auch nicht möglich sein, einen Beitrag für diese Zwecke zu leisten.“[6] In Oberösterreich gibt es bereits ein solches Lager und dort hat der oberösterreichische Landtag bereits zwei Ausführungsgesetze [7] und einen Durchführungserlass [8] beschlossen. Die nach diesen Bestimmungen zu behandelnden Personen, „das sind solche, die unter anderem auch dadurch Missbrauch treiben, dass sie bei Privatpersonen um Unterstützung vorsprechen“[9] , müssen der Ortsgemeinde übergeben und vom Bürgermeister für die Dauer von sechs Wochen in das Haftlager überstellt werden. Eine Berufung dagegen ist unzulässig. Wenn es im Haftlager freie Plätze gibt, kann der Bürgermeister auch „im Gemeindegebiet sich aufhaltende nachgewiesenermaßen arbeitsscheue Personen“ in das Haftlager geben. Dazu ausführlicher Gernot HAUPT, Armut zwischen Ökonomie und Ideologie. Über die (Un)-Wirksamkeit wirtschaftlicher Argumentation gegenüber Verelendung am Beispiel der Bettlerlager 1935/36
sowie Politische Ausbeutung der Bettler Diese Diskussion findet nicht 2007, sondern 1935/36 in Kärnten statt. Wohin sie geführt hat, ist bekannt. Wer also heute, 2007, als Politiker in der Öffentlichkeit vom „Bettlerunwesen“ spricht [10] , der sollte wissen, in welcher Tradition und in wessen Geist er spricht. Lernen Sie aus der Geschichte, meine Herren Politiker! . - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Anmerkungen [1] Dieses und alle weiteren Zitate aus Originalquellen entstammen dem „Sammelakt Bettlerlager“ im Kärntner Landesarchiv, Fasz. 5242/1938, hier Ldt.Nr. 68/16 vom 24. Juli 1935 ... zurück zum Text [2] Zl. 5291/35-ST/B vom 28. August 1935 ... zurück zum Text [3] KAWAFAG-BAU [im Original unterstrichen] ... zurück zum Text [4] 9. April 1936, Zl. SD I-386/1/26 ... zurück zum Text [5] Schreiben vom 28. März 1936 ... zurück zum Text [6] 14. Mai 1936, Zl. 11.986/35 ... zurück zum Text [7] Armengesetznovelle (Landesgesetzblatt Nr. 23 vom 9. Juli 1935) und Haftlagergesetz (Landesgesetzblatt Nr. 24 vom 9. Juli 1935 ... zurück zum Text [8] Erlass bezüglich Einlieferung in das Haftlager vom 29. Juli 1935 ... zurück zum Text [9] a.a.O. [Hervorhebung im Original] ... zurück zum Text [10] Antrag an den Landtag im Jänner 2007 sowie Mag. Raimund Grilc, ÖVP, zit. nach ORF Kärnten, Streitkultur, 29. 01. 2007 ... zurück zum Text
Hans Haider, 2007-02-01, Nr. 3118 Was bei diesem Artikel auffällt sind die Jahreszahlen, die bei den Dokumenten dabei stehen. Die Dokumente stammen nicht, wie man vermuten könnte, aus der Nazizeit, sondern sie sind allesamt zwischen 1934 und 1938 verfasst worden. Also während der Zeit des Austro-Faschismus, als die Vaterländische Front - eine chistlich-soziale Partei - also die Partei aus der die heutige ÖVP hervorgegangen ist - die alleinige Macht ausübte. Wenn die ÖVP heute wiederum vom "Bettlerunwesen" spricht, könnte man sagen sie kehrt zu ihren "christlichen" Wurzeln zurückt. Scheußlich! Oder? |
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