2006-05-06
Politik – oder was?
oder über den soziopathischen Zustand der Spezies Politik.
„Die Sprache ist so alt wie das Bewusstsein – die Sprache ist das praktische, auch für andere Menschen existierende, auch für mich selbst erst existierende wirkliche Bewusstsein, und die Sprache entsteht wie das Bewusstsein erst aus der Notdurft, dem Bedürfnis des Verkehrs mit anderen Menschen.“ (Marx/Engels-Studienausgabe, Bd. I, S. 95)
Wenn dem so ist, dann müssten wir den derzeitigen psychosozialen Zustand der Spezies Politik nach dem internationalen Diagnoseschlüssel (ICD) der Weltgesundheitsorganisation mit folgenden psycho- und soziopathologischen Symptomen beschreiben:
1. Elektiver Mutismus : Die pathologische Scheu der Politiker mit seinen Wählern über einen Zeitraum von mindestens vier Jahren nicht mehr zu sprechen. Oft noch verstärkt durch eine frühe narzisstische Persönlichkeitsstörung und einem unbefriedigten frühkindlichen Geltungs- und Machtbedürfnis. Typische Verhaltensweisen wären z.B. redundante Reden neben geduldigen Gipfelkreuzen oder die inflationäre Herausgabe von „Komm sing mit“ Büchern.
2. Reaktives Delirium: Eine Bewusstseinstrübung, die sich in Verwirrtheit und Wahnvorstellungen äußert. Z.B. die Erwartung durch das Ahnlegen eines Sparbuches den Kapitalismus vor dem neoliberalen kollektiven Suizid zu bewahren.
3. Somatogener Autismus: Das passive Verharren der Spezies Politik in der Kontaktschwäche, die durch seine aktive Isolierung von seiner Umwelt noch weiter verstärkt wird. So zeigt die Spezies Politik die Tendenz sich durch die Einvernehmung und den Rückzug in burgähnlichen öffentlichen Gebäuden zu isolieren. Aufgrund ihrer somatogen bedingten eingeschränkten Fähigkeit zum Perspektivenwechsel, lässt sie diese von gut konditionierten Wachmenschen - auch bekannt unter dem Namen „Group For You“ - schützen.
4. Selektive Miktionshemmung: Bei vorhandenem Harn- und Kommunikationsdrang ist der Politiker nicht fähig diese öffentlich zu zulassen. Das heißt in öffentlichen Räumen, z.B. in Gasthäusern und dergleichen, hat der Politiker den Drang Pissoirs zu meiden und verschließbare Räume aufzusuchen, um seine Bedürfnisse, begleitet mit rhetorisch makellosen Selbstgesprächen befriedigen zu können.
Diesen Zustand der gegenwärtigen Politiklandschaft greift Bruno Kathollnig unter anderem in seinem Buch „Politik – oder was?" auf, seziert sie mit seinem Sprachskalpell auf pointierte, engagierte, ironische, sarkastische, manchmal zornige Weise und ermöglicht dadurch nicht nur Ihnen heute Abend im Cafe Platzl – ich hoffe auch der unter Kapitalparanoia leidenden Spezies Politik - einen soziohygienischen und umweltschonenden Perspektivenwechel. Denn:
Wenn die Gehirnwäsche
nicht mehr wahrgenommen wird,
dann hat sie
ihr Ziel erreicht.
(Bruno Kathollnig)