2006-02-20
Themenschwerpunkt Arbeit
Über die verquere Logik eines Systems, das auf Arbeit beruht
Infineon hat Absatzprobleme
[…] Dem Standort Villach, der zu 80 % Chips für die Automobil-Industrie produziert, fällt der derzeit schwächelnde Automarkt auf den Kopf. […] Die Produktion wurde gedrosselt. Aber noch ein zweites starkes Auslastungsproblem hat das in München beheimatete Unternehmen und damit das Werk in Villach: Aufgrund der kraftlosen Konjunktur bringen etliche Handyhersteller ihre "nächste Generation" verspätet auf den Markt – wieder Wartezeit für die Chips [...]
(Kleine Zeitung, 25. Januar 2005, S. 25)
Nun ist es soweit, kärnöl hat seinen Themenschwerpunkt Arbeit gestartet. Endlich, werden Sie sich vielleicht sagen. Wo wir doch so eine hohe Arbeitslosigkeit haben, wo wir uns doch längst "Arbeit" schaffen sollten - angesichts der Not der Menschen.
Nun, da müssen wir Sie enttäuschen - uns geht es schlichtweg um die Problematisierung, ja die Abschaffung der Arbeit. Vielleicht bleibt Ihnen an dieser Stelle die Spucke weg und Sie denken sich: Die spinnen, wer soll denn all das Essen herstellen, die Alten pflegen, ... so was Abgehobenes, blöde Hirnwichserei!
Nun, so einfach machen wir es uns nicht, uns geht es nicht um das Tätigsein an sich, sondern um eine spezifische Form: die "Arbeit". Als Annäherung an die Thematik eine kleine Geschichte, zu der ich durch einen kleinen Artikel in einer Tageszeitung animiert wurde (Kasten links):
Man stelle sich vor, …
… da wäre ein Marsbewohner (nehmen wir an, ein Ökologe), der mit einem Teleskop vom All aus die Erde beobachtet. Sicher wäre dieser Forscher vom Mars froh, wenn die Erdbewohner das Tempo der Automobilproduktion und ihrer Bestandteile zurückfahren würde. „Angesichts des Zustandes des Planeten ein längst überfälliger Schritt – aber diese Erdlinge sind doch eine intelligente Gattung.“ Der Forscher vom Mars würde sogar in seinen Forschungsbericht schreiben, dass nun die Lebenserwartung der Mitarbeiter/innen der Firma Infineon steigen würde, weil sie ja nun weniger Stress hätten, langsamer tätig sein könnten.
Aber was ist das? Der Forscher traut seinen Augen nicht, seine Beobachtungsobjekte verfallen nun in großes Wehklagen. Das kann er nicht verstehen, denn die materiellen Entwicklungen (und nur die sieht der Beobachter vom Weltall aus) weisen ja auf eine gute Entwicklung hin. … Dann würde der Forscher vom Mars beobachten, dass allmählich auch andere Bereiche seiner Beobachtungsobjekte auf der Erde ihre Aktivitäten zurückfahren – etwa in der gegenseitigen Pflege, in der Betreuung der Alten, im Unterricht des Nachwuchses. Dabei hätten doch nun die einen, die endlich weniger von den selbstzerstörerischen Geräten erzeugen, Zeit, den anderen bei der Pflege zu helfen.
Auf all dies könnte sich der Beobachter im All keinen Reim machen. Schon wollte er in leicht resignativ-ratloser Stimmung seinen Forschungsbericht mit einem großen Fragezeichen an die marsianische Heimatbasis beamen, als Bewegung in die Szenerie kommt:
Ein grauhaariger älterer Erdbewohner Namens Frank[1] betritt das Areal. All die Erdlinge eilen zu ihm hin (die Leithammel allen voran, laut den Begriff SPEED grölend), fallen auf die Knie, klatschen mit ihren Vordergliedmaßen. Und als der Ältere „Grias enk, Karntna“ spricht, liegt für den Beobachter vom Mars klar auf der Hand: Der alte Mann ist ein Hohepriester.
Und in ihm würde die Erkenntnis reifen, dass seine Ausgangsthese falsch gewesen war: Autos herzustellen ist kein zweckrationales Verhalten, sondern für die Erdbewohner ein fetischistischer Akt. Es muss sich bei den Erdbewohnern um eine Klutur handeln, die er bereits von anderen Planeten kannte: Arbeit, Wachstum, Konsumieren als Selbstzweck. Nun würde der Forscher sehr traurig, denn bereits in vielen Fällen waren solche Kulturen untergegangen. Würden die Erdlinge die Wende schaffen und dem fetischistischen Wahn entkommen?
[1] Im Frühjahr 2005 besuchte Frank Stronach Villach und versprach in der Kongresshalle vor vielen vielen Kärntnerinnen und Kärntnern ganz ganz viele Arbeitsplätze.
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