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2006-02-08 Der schwierige Umgang mit Arbeit Eine Rezension des Buches Dass immer weniger Menschen bei uns von der „Lohnarbeit“ leben können – das zu sagen ist beinahe banal. So sind im Jänner 2006 bereits mehr als 10% der Erwerbstätigen Arbeitslos oder in Schulungsmaßnahmen des AMS. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Wahrheit – dazu kommen weit mehr als die gleiche Zahl von Erwerbstätigen in einem Zustand, den man früher als „Kurzarbeit“ bezeichnet hätte: Geringfügig Beschäftigte oder Teilzeitarbeiter/innen, Scheinselbständige … Wenn man diese Zahlen zusammenaddiert, dann können bereits heute zwischen einem Viertel und einem Drittel der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nicht mehr am Arbeitsmarkt unterkommen und gleichzeitig (in einem rein monetären Sinn!) halbwegs gut leben. Soweit zur banalen Beschreibung einer Situation. Und dennoch werden diese Fakten verdrängt. Und zwar genau bei denen, die etwas zur Verbesserung der Situation tun wollen – nämlich bei denen, die „Arbeit schaffen“ wollen. Das war mein Eindruck, als ich vor eineinhalb Jahren (Juli 2004) an der Sommerakademie von ATTAC in Mürzzuschlag zum Thema ARBEIT teilgenommen habe. Zu dieser Sommerakademie ist nun das Buch „Losarbeiten – Arbeitslos“ erschienen, und gleich vorne weg: Es ist ein ganz ausgezeichnetes Buch! Und mit diesem Urteil bin ich nicht alleine: Sehr positiv nimmt es auch Christian Lauk in der Zeitschrift JUNGE WELT (30.1.2006) auf: „Dem Grundwiderspruch einer Gesellschaft, die zur Herstellung derselben Menge von Gütern immer weniger Arbeit benötigt, gleichzeitig jedoch den Verkauf von menschlicher Arbeitskraft zur Voraussetzung für den Zugang zum gesellschaftlichen Reichtum hat, kann einige Zeit durch eine kontinuierliche Ausweitung der Produktion ausgewichen werden. Doch sobald eine zum Ausgleich der Produktivitätssteigerung ausreichende Steigerung des Wirtschaftsvolumens nicht mehr so recht gelingen mag, wird dieser Widerspruch für immer mehr Menschen ganz konkret in Form von Arbeitslosigkeit und damit auch materieller Verarmung spürbar. Gehen wir davon aus, dass ein Zurück zu hohen Wachstumsraten nicht möglich und angesichts der ökologischen Krise auch gar nicht wünschenswert ist, so wird deutlich, dass nicht die Arbeitslosigkeit, also das Fehlen von Arbeit, sondern die Rolle der Arbeit in der Gesellschaft diskutiert werden muss: Was ist unter Arbeit zu verstehen? Welche Formen von Arbeit sind möglicherweise unterscheidbar? Wie haben sich die Arbeitsformen verändert, und welche Perspektiven gibt es, wenn überhaupt, für die Arbeit?“ 3 Positionen zur Arbeit "Losarbeiten - Arbeitslos?" gliedert sich in die vier großen Kapitel
in denen 21 Autor/innen im wesentlichen von drei verschiedenen Positionen ausgehen: Dem vergleichsweise klassischen "neo-keynesianischen“ Standpunkt, dass die Arbeitslosigkeit durch eine falsche, neoliberale Politik hervorgerufen sei und dass mit verschiedenen staatlichen Maßnahmen dem Problem begegnet werden könnte. Die Kategorie "Arbeit" als solche wird aber nicht hinterfragt. Von diesem Standpunkt klar unterscheiden sich die anderen beiden Positionen: Eine feministische Position, der es vor allem um eine Ausweitung des Arbeitsbegriffes geht – all die unbezahlten Tätigkeiten, die vor allem von Frauen geleistet werden. Diese Tätigkeiten bzw. "Arbeiten in einem weiten Sinne" werden – obwohl sie nicht am Markt getauscht und damit Lohn bekommen – sind für die Gesellschaft überlebenswichtig. Perspektiven dieses Ansatzes sind "Umverteilung und Umbewertung der Arbeit". Den umgekehrten theoretischen Schritt machen arbeits- und wertkritisch orientierte Autor/innen, die ihre Position in dem bereits legendären Manifest gegen die Arbeit vorgelegt haben: Statt den Arbeitsbegriff auszuweiten wird "Arbeit als Lohnarbeit verstanden, als abstrakte Kategorie, die erst mit der kapitalistischen Produktionsweise entstand. Verschiedene Tätigkeiten gebe es schon immer und werde es immer geben, doch nur in der Warengesellschaft werde ein Teil dieser Tätigkeiten unter der Kategorie »Arbeit« subsumiert, während ein anderer, vor allem von Frauen verrichteter Teil, weiterhin unabdingbar für das Funktionieren der Gesellschaft, jedoch aus der ökonomischen Sphäre ausgeschlossen bleibe. Diese Tätigkeitsbereiche »ehrenhalber in den Arbeitsstand« zu erheben, wie von den Ökofeministinnen angestrebt, ändere nichts an ihrer Abtrennung, betont Ernst Lohoff von der Krisis-Gruppe in seinem Beitrag." Was tun – welche Perspektiven? Während in weiten Teilen der Gesellschaft eine gewisse Perspektivenlosigkeit vorherrscht, überträgt John Holloway eine Geschichte Edgar Allan Poes auf unsere Situation: Demnach sind wir gleichsam in einem Zimmer, dessen Wände immer näher kommen und seine Bewohner zu erdrücken drohen. Doch statt den Ausbruch zu versuchen, stimmen die Bewohner nur über die Aufstellung der Möbel ab. »Und dann sehen wir sie: zwei große Risse in der Wand. Und der eine heißt Arbeit und der andere heißt Staat.« (Losarbeiten - Arbeitslos S. 124). Anstatt nun diese Risse zu kitten gelte es, sie für einen Ausbruch aus dem Zimmer zu nutzen. Wie das gehen soll? Ein Beitrag, nämlich der von Kai Ehlers, beschreibt dies anschaulich am Beispiel Russlands: Für ihn ist die Antwort auf die Frage, warum Russland trotz verheerender offizieller ökonomischer Daten nicht verhungere, in der Entwicklung von Versorgungsgemeinschaften zu finden. Für andere sind solche Anzeichen für ein Leben außerhalb des Zimmers etwa die Freie Software (Linux) … "Losarbeiten – Arbeitslos" ist für mich ein wichtiges Buch zu einer der "heiligen Kühe" unseres Lebens. Und es freut mich, dass ARBEIT zunehmend bei verschiedensten Gruppen thematisiert wird, so – natürlich – bei Losarbeiten – Arbeitslos P.S. Das Buch wird anlässlich des Internationalen Frauentages vorgestellt bei der Veranstaltung: Feminisierung der Arbeit - – Emanzipation im Widerspruch? Veranstalter/innen:Koordinationsstelle für Frauen- und Geschlechterstudien, Universität Klagenfurt, bündnis für EINE welt/ÖIE, Kulturinitiative KÄRNÖL Programm
Nähere Infos: 0463 / 27001023, Utto Isop, email:
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