2005-12-09
Mythos Lesachtal
Der Mensch, besonders der Kärntner scheint Mythen zu brauchen. Seit der Glorifizierung des sanften Tourismus ist das Kärntner Sagenbuch um einen Mythos reicher.
Die Märchenerzähler der Tourismusindustrie glorifizieren im Mythos „Sanfter Tourismus“ die ausschließlich am Gewinn orientierte Vermarktung von Lebensräumen und Landschaften. Im „Tal der 100 Mühlen“, sei die Luft noch sauber und die Gastfreundlichkeit eine „ehrliche“, lautet die Botschaft und drängen so die Bewohner des Tales von der Dominanz der Kirchenmythen in die Abhängigkeit der Vermarktungsmythen.
Mit der Schaffung eines Mythos geht aber auch gleichzeitig eine Verschleierung, wenn nicht Verlust von Realität von statten. Die Wahrnehmung der Realität wird in den Nebel des Euroscheines gezerrt und somit einer sozialkritischen Reflexion entzogen.
Mit seinen lyrischen Landschaftsfotografien weckt der Fotograf Wolfgang Schuh in perfekter fotografischer Illusionstradition in uns die Sehnsucht das archaisch anmutende Lesachtal zu erwandern, sich in die Irrationalität der Idylle zurückzuziehen. So schön hat wahrscheinlich nicht einmal der Fremdenverkehrsreferent von St. Lorenzen seine Kindheitsregion wahrgenommen?
Werden Sie jedoch – wie heute Abend – von Engelbert Obernosterer auf Ihrer Wanderung durch das Lesachtal, dem Urlaubsziel Ihrer Träume begleitet, so werden aus Worte, Orte, aus Träumen, Räume, die der mythosabhängige Besucher gerne hoffnungsvoll, wie tausende Gailtaler in den 20er und 30er Jahren des 20ten Jahrhunderts, Richtung Amerika verlässt.
In einer gedanklich fundierten und nebenbei witzigen und wortgewandten Reflexion zerrt Engelbert Obernosterer Tal und Bewohner aus der mystischen Verklärungswahrnehmung – „aus Stallgeruch und miefigen Keuschen“ - in die Realität der technischen Vermarktung -„in die Dan-Küche eines Postchauffeurs“. Seine literarische Auseinandersetzung bildet auf diese Art und Weise eine schon längst fällige Korrektur der profitlastigen Wahrnehmung von Urlaub bei Freunden.
Dank dem kitab–Verlag und Wilhelm Baum dürfen wir heute Abend Engelbert Obernosterer bei kärnöl und im Cafe Platzl auf das Herzlichste Willkommen heißen.
Bevor er uns gemeinsam mit Burgschauspieler Franz Günther Haider aus seinem in kitab- Verlag erschienen Buch „Mythos Lesachtal“ einen Einblick in heute kaum mehr vorstellbare Sitten und Gewohnheiten der abgeschotteten Bergbauernwelt gewährt, darf ich Wilhelm Baum noch um eine kurze Vorstellung des Buches und des Autors bitten.
Im Namen von kärnöl wünsche ich Ihnen in Anlehnung eines Zitas aus dem Begleittext zum Buch „Mythos Lesachtal“ einen „Leseabend für Fortgeschrittene".