2005-12-18
Vierter Advent
Sabaoth ist in den Osten der Meditation entrückt. Miriam und ich werden auf einer Woge der körperlichen Liebe getragen. Die verschnupfte Gruppe hat sich aufgelöst und einen liebeskranken Leonhard hinterlassen, mit dem wir makrounbiotische Berglandspezialitäten teilen: Hasenbraten, Lämmerkeulen und Käsekrapfen.
»Hast du auf den Kalender geschaut?« erkundigt sich Miriam nach einer mitternächtlichen Woge der körperlichen Liebe.
»Morgen ist Weihnachten«, antworte ich, und fokussiere meine angenehme Müdigkeit in Mirimas elegant geschwungene Hüftarchitektur.
»Ich habe schon zum zweitenmal keine Mondphase gehabt.« Ich nicke geistesabwesend. »Jaja. So etwas kann vorkommen. Der Körper vibriert in den Rhythmen des Universums.«
»Ich bin schwanger, du Dummkopf.« Miriam küßt mich auf die Nasenspitze. In meinem Kopf beginnen sich bunte Kreisel zu drehen, das ganze Spektrum wirbelt sich zwischen meine Schläfen, und ich bin der Brennpunkt, in den sich das Universum fokussiert.
»Du bist...« Kalenderblätter flattern im Sturmwind, der durch meinen Schädel heult. »Oja. Ich bin.«
»Sabaoth!« höre ich mich schreien, »Sabaoth, Sabaoth! Sabaoth!«
»Wen meinst du?«
»Deinen fetten Esoteriker. Gabriel Masegg mit Hatschek. Sabaoth und keinen anderen!«
»Nein! Gabriel ist nicht...er hat nicht...wir haben nicht...«, wimmert Miriam aus der Finsternis, in die ich Bettpölster, Holzscheite und Hauspantoffel schleudere. Dann bin ich wieder durch den Schneewald geirrt, bis mir zu kalt wurde und ich Sehnsucht nach Miriam bekam. »Ich kann es nicht erklären«, erklärt sie um vier Uhr früh am Heiligen Abend, »ich habe nicht mit ihm geschlafen...und auch mit keinem anderen...ich schwöre es dir!« Die Kreisel drehen sich in meinem Kopf. Von Miriam scheint ein Gleißen auszugehen, das mich blendet, mich verbrennen will. Jede ihrer Poren ist mit einem St. Elms-Feuer besetzt, und alles Licht der Welt umgibt mich, als ich in Miriams Glanz ertrinke.