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Christa Wichterich

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2005-11-23

Die Millenniumsziele – vom Ethos globaler Verantwortung unter neoliberalen Vorzeichen

Teil 3 über sogenannte nachhaltige Alternativen innerhalb des Systems

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Im September haben sich die Regierungschefs der Welt bei den Vereinten Nationen zu einem Gipfel getroffen, um die bisherige Umsetzung der Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) zu überprüfen und ihre Bereitschaft zu bekräftigen, bis 2015 die globale Armut zu halbieren. Die MDGs, mit denen die Regierungen sich selbst vor fünf Jahren acht entwicklungspolitische Gebote für den Weg ins 21. Jahrhundert verhängten, haben vor diesem Summit eine politische Hype und eine Mobilisierungswirkung ausgelöst, wie kein anderes UN-Projekt der jüngsten Zeit.
Diese Euphorie war für uns Anlass, Anfang November diese Millennium-Ziele näher anzusehen. Erste Vorüberlegungen stellte Walther Schütz bereits r im Beitrag vom 31. Oktober an. Hier nun von der Referentin Christa Wichterich die Analyse:

Die MDGs sind ein politisch multifunktionales Programm. Als die Vereinten Nationen im September 2000 die Millenniumserklärung 1) und die acht Entwicklungsziele verabschiedeten, war dies eine Reaktion auf das Scheitern des Washington Konsenses und der Strukturanpassungsprogramme. Deren neoliberales Kalkül, durch Stabilisierung der Haushalte, Exportproduktion und Rückzug des Staates aus dem Markt Wachstum zu erzeugen und Armut zu beseitigen, war entwicklungspolitisch nicht aufgegangen. Es war aber auch eine Antwort auf die mangelnde Umsetzung der Aktionspläne und Ziele, die die UN sich selbst in ihrer Serie von Megakonferenzen der neunziger Jahre gesetzt hatten.

Mit dem Doppelpack von Millenniumserklärung als normativem Rahmen und den acht Entwicklungszielen als operativen Koordinaten schrieben die UN zudem nicht nur einen Entwicklungsfahrplan für das beginnende Jahrhundert, sondern auch ein Programm für ihre eigene Daseinsberechtigung, das den Anspruch der Global Governance bekräftigte. Die Erklärung klingt wie ein konzertierter Versuch, die Vereinten Nationen aus ihrer Glaubwürdigkeitskrise durch eine Doppelstrategie zu retten: zum einen beschworen die Regierungen emphatisch die ursprüngliche Mission der UN, ihr Prinzip des Multilateralismus, die Ethik globaler Verantwortung und die Wertorientierungen von Frieden, Menschenrechten und Kooperation zwischen souveränen Staaten. Zum anderen aktualisierten sie ihre entwicklungs- und sicherheitspolitischen Aufgaben in Kohärenz mit den neoliberalen Agenden der Bretton Woods Organisationen und der WTO.

Dieser Doppelansatz reflektiert sich auch im zugrundeliegenden Verständnis von Entwicklung: Die Millenniumserklärung geht von einem „Recht auf Entwicklung“ aus, knüpft an verschiedene UN-Menschenrechtskonventionen an und stellt sie sogleich in den wirtschaftspolitischen Rahmen von Freihandel und Marktöffnung. Die „Wegbeschreibung“ zu den Zielen hält am zentralen Dogma des neoliberalen Paradigmas fest, dass „dauerhaftes und flächendeckendes Wachstum Voraussetzung für Entwicklung und Armutsminderung“ und Marktliberalisierung die universelle Rezeptur dafür ist 2) . So integriert die Millenniumserklärung in ihrem Entwicklungskonzept das alte Kernanliegen der UN, den Menschenrechtsansatz, mit der Freihandelsagenda. Die zentrale Frage, wie sich das Menschenrechtsregime zum neoliberalen Regime verhält, welche Ziele prioritär und welche Ziele untergeordnet sind, lässt sie offen.

Liberalisierung wird als Blaupause für Entwicklung – ungeachtet unterschiedlicher Bedingungen in den Entwicklungsländern und Weltregionen - bestätigt, aber nicht länger darauf vertraut, dass der Markt aus eigener Dynamik Wohlstand für alle richten und Armut beseitigen könnte. Vielmehr wird der Kampf gegen die Armut als öffentliche Aufgabe definiert und der Staat in seiner Rolle als Entwicklungsagent mit einer Investitions- und Fürsorgepflicht re-installiert. Beseitigung der schlimmsten Armutsformen, von Analphabetismus. Hunger und epidemischer Krankheiten gehört zu Good Governance und ist eine Voraussetzung für eine neoliberale Politik, die gute Rahmenbedingungen für die Privatwirtschaft, Auslandsinvestitionen und Marktöffnung bereitzustellen hat.

Ein fataler Widerspruch der MDGs liegt darin, dass die Regierungen des Südens gefordert sind, öffentliche Mittel in genau die Bereiche zu investieren, wo die Weltbank, der IWF und die WTO sie drängen oder zwingen zu de-investieren und zu privatisieren.

Achteckig, praktisch, gut

Die acht Millenniums-Entwicklungsziele sind ein dürres operatives Gerüst zielgerichteter Handlungsanweisungen an die Regierungen. Sie reflektieren das Menschenrechtskonzept nicht. Die mit den MDGs erfolgte Prioritätensetzung ist nicht Ergebnis eines demokratischen Selektionsprozesses, sondern bildet einen von Experten identifizierten Minimalkonsens ab, der als magere Restgröße aus den verschiedenen Aktionsplänen der großen UN-Konferenzen der neunziger Jahre destilliert ist. Deswegen finden sich weniger konsensfähige Ziele - von der Reregulierung der Märkte durch Mindeststandards bis zu sexuellen und reproduktiven Rechten von Frauen - nicht in dem Katalog.

Milleniums-Entwicklungsziele
  1. Beseitigung von extremer Armut und Hunger
  2. Primarschulbildung für alle
  3. Förderung von Geschlechtergleichheit und Empowerment von Frauen
  4. Reduzierung der Kindersterblichkeit
  5. Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Müttern
  6. Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen Krankheiten
  7. Ökologische Nachhaltigkeit
  8. Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung

Mit dem spröden Charme einer Gebrauchsanweisung kommen die 8 Ziele, 16 Unterziele und 48 Indikatoren dem Anspruch von Operationalisierbarkeit, Mess- und Überprüfbarkeit entgegen. Während sich die Millenniums Erklärung als moralisch-politische Legitimation der UN liest, stellen die in der Mehrzahl quantitativen Entwicklungsziele einen Lackmustest für die Mobilisierungsfähigkeit und vor allem die Effektivität der UN dar.

In der entwicklungspolitischen Weltöffentlichkeit gelten die MDGs, losgelöst vom normativen Rankenwerk der Millenniumserklärung, seither als ultimativer Kraftakt der UN, um die Serie gescheiterter Entwicklungskonzepte mit einem pragmatischen Hauruck-Verfahren zu beenden. Der Katalog erhebt den Anspruch, die archimedischen Punkte der Befreiung von Armut zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu benennen. Der harte Kern der geforderten Maßnahmen ist Top-Down und geldförmig: öffentliche Investitionen der Länder des Südens, um Infrastruktur, soziale Dienste, Grundversorgung und humanitäre Hilfe, vor allem Gesundheitsversorgung, Bildung, Ernährung und Umweltschutz zu verbessern. Die Summe der quantitativen Verbesserungen soll dann in linearer Kausalmechanik die Halbierung von Armut bewirken.

Die MDGs wurden als völkergemeinschaftliches Anliegen und globale Verantwortung etikettiert, die Zuständigkeit für die Umsetzung jedoch vor allem den Entwicklungsländern als „nationale Ziele“ zugeschrieben. Nur das achte MDG einer „globalen Partnerschaft für Entwicklung“ bezieht sich explizit auf die Geberländer und ist bizarrerweise das einzige, das keine überprüfbaren Zeitziele setzt und keine Berichterstattung verlangt.

Die UN setzten einen gigantischen Apparat mit großen Beschäftigungseffekten für Experten in Betrieb: zu jedem MDG-Ziel wurde eine Task Force bestellt, um Strategien und Ressourcen zu identifizieren. Drei Jahre lang untersuchte das „UN Millennium Projekt“, ein Team unter Leitung des US-Ökonomen Jeffrey Sachs, die Umsetzungsbedingungen und legte einen über 3000-seitigen Bericht vor. Bilaterale Hilfe wird MDG-kompatibel restrukturiert. Die Weltbank und der IWF schließen die MDGs in ihre Überprüfungsmechanismen für Kreditvergabe ein. UN-Organisationen erheben Daten und unterstützen Entwicklungsländer bei der Erstellung von Zwischenberichten. UNDP soll mit der „UN Millennium Kampagne“ die Zivilgesellschaft mobilisieren. 2004 jubelte Kofi Annan bereits, dass die MDGs „das Antlitz der globalen Entwicklungszusammenarbeit verändert“ hätten.3)

Tatsächlich ist den UN eine weitgehende Mobilisierung gelungen, bis zur G7 und der Wirtschaftselite in Davos. Das heißt aber nicht, dass der Fahrplan eingehalten wird: so ist bereits das Zeitziel, Geschlechterunterschiede in der Primär- und Sekundarbildung bis 2005 zu beseitigen, verpasst. Es besteht kein Zweifel daran, dass trotz punktueller Fortschritte die Gesamtbilanz im September ernüchternd ausfallen wird, während neue Daten von der in einzelnen Regionen absolut wachsenden Zahl armer und hungernder Menschen zeugen. Die Weltbank schlug bereits vor, den Terminkalender der MDGs bis auf das Jahr 2050 auszudehnen.

Die Machbarkeit der Armutshalbierung

Welches Konzept von Armut und von Armutsbekämpfung liegt diesem entwicklungspolitischen Katechismus im McDonaldisierten Format zugrunde?

Armut scheint ein macht- und verteilungsunabhängiges Symptom eines gesellschaftlichen Ungleichgewichts zu sein. Das Problem der Armut ist abgelöst von seinen strukturellen Ursachen, von makro-ökonomischen Prozessen, von politischem Machtgefälle, sozialen Ungleichheiten, von Ungerechtigkeiten in der Verteilung von Ressourcen, Wohlstand, sozialer Sicherheit und Macht auf der Mikro-, Meso- und Makroebene. Entsprechend wird Armutsbeseitigung als eine Frage punktgenau auf die Symptome gerichteter Investitionen und materieller Verbesserungen konzipiert. Armutshalbierung soll machbar sein, ohne die sozialen Mechanismen von Ausschluss und ökonomischen Strukturen ungleicher Verteilung anzurühren. Sie erscheint als ein quantitativ kalkulierbares Projekt, das konfliktfrei, ohne Auseinandersetzung mit Ausbeutung, Diskriminierung, Gewalt und Herrschaft im nationalen und globalen Maßstab, umgesetzt werden kann. Damit liegt den MDGs ein entpolitisiertes Armutsverständnis zugrunde, das Ursachen, Ungerechtigkeiten und Macht ignoriert.

Die einkommensorientierte Armutsdefinition von einem Dollar pro Tag fällt hinter die komplexen Armutsdefinitionen zurück, die zum Beispiel von UNDP im Anschluss an Amartya Sens Analysen entwickelt wurden. Armut wird ursachenignorant und kontextabgelöst verdurchschnittlicht und nicht zwischen verschiedenen Armutsformen in unterschiedlichen Ländern und Regionen oder zwischen „chronischer“ und neuer Armut differenziert. Osteuropäische NGOs beklagen, dass der MDG-Katalog der spezifischen Armut, wie sie sich in den Staaten der früheren Sowjetunion entwickelt hat, nicht angemessen ist.

Das Ziel der Armutshalbierung und der Fokus auf investive Interventionen als öffentliche Aufgabe orientieren darauf, Armut, soziale Ungleichheit und das damit einhergehende Konfliktpotential auf ein managebares Maß zu reduzieren. Die Dynamik, die die MDGs in Gang setzen, ist Top-Down und nicht die Dynamik eines Empowerments der Machtlosen. Insofern stellt der investive Ansatz der MDGs ein Gegenstück zu Ansätzen der Partizipation und Selbsthilfe, aber auch einen Kontrapunkt zur Ownership, wie sie von der Weltbank propagiert wird, dar.

Die Finanzierungsfrage – und nicht Fragen der Strukturveränderung oder der Umverteilung - ist der strategische Knackpunkt der Umsetzung. Die groß inszenierte UN-Konferenz zu Entwicklungsfinanzierung 2002 in Monterrey löste keine Wende aus. Zwar erhöhten sich die Entwicklungshilfemittel 2004 um 4,6 % auf 78 Milliarden Dollar. Die im Sachs-Bericht als notwendig veranschlagte Verdopplung der Mittel auf 135 Milliarden US Dollar im Jahr 2006 ist jedoch illusorisch. Mit der mechanischen Ausdauer einer Gebetsmühle wiederholen die UN die alte Forderung nach Erhöhung der Entwicklungshilfemittel auf 0,7 Prozent des BNP. Deutschland krebst unverändert bei 0,28 Prozent, obwohl für 2006 ein Anstieg auf 0,33 zugesagt wurde. Die Peinlichkeit des Scheiterns vor Augen machten Schröder, Chirac und Blair sich zu Beginn dieses Jahres für neue Finanzierungsinstrumente stark: Besteuerung von transnationalen Finanzspekulationen und von Flugbenzin oder ein Schuldenerlass für die ärmsten Länder, damit die Regierungen mehr in der Kasse haben. Da jedoch absehbar nicht ausreichend öffentliche Mittel zu Verfügung stehen, sollen private Investitionen und Public-Private-Partnership-Projekte hinzukommen, um den Regierungen aus der Finanzierungspatsche zu helfen. Damit schließt sich der Kreis von MDGs und neoliberaler Agenda.

Der ganzen Feilscherei um die Erhöhung von Mitteln liegt jedoch der Trugschluss zugrunde, dass durch ein Mehr an investiven Interventionen die Armut beseitigt werden kann. Zweifelsfrei hilft es einigen Armen, wenn durch diese Maßnahmen Bildung verbreitet, Krankheiten gelindert, die Wasserversorgung verbessert und die Umwelt geschützt werden. Doch weder werden mit diesen Maßnahmen diese Armen dazu in der Lage versetzt, aus eigener Kraft und mithilfe von Rechtsansprüchen ihre Lebensgrundlagen dauerhaft armutsfrei zu sichern, noch werden die Strukturen angetastet, die immer neu Armut erzeugen. Im Gegenteil: ein Entwicklungskonzept, das Liberalisierung allüberall als goldenen Schlüssel zu Wohlstand und Armutsreduktion begreift, ignoriert die Armutseffekte von Marktöffnung. Beispiel: Während das MDG 1 die Zahl der Hungernden halbieren will, wird zeitgleich in den WTO-Verhandlungen der Druck auf Länder des Südens verstärkt, ihre Zölle auf Agrarprodukte weiter zu senken. Das wird zu Dumping und erhöhten Importen aus der EU und den USA führen, mit denen die einheimischen kleinbäuerlichen Betriebe nicht konkurrieren können, sodass sie nicht mehr für die Binnenmärkte anbauen und damit Ernährung nicht mehr lokal sichern. Wer den Hunger z.B. in Afrika bekämpfen will, muss auch eine politische Auseinandersetzung gegen Liberalisierung und für den Schutz lokaler Märkte führen. Hier zeigt sich paradigmatisch der Widerspruch zwischen dem Menschenrechtsansatz – z.B. einem Recht auf Ernährung – und einem Marktansatz – z.B. Freihandel mit Agrarprodukten - , in dem sich das Recht des Stärkeren durchsetzt. Armutsbeseitigung ist ohne politische Positionierung für die Interessen der Armen und gegen die Macht der Starken nicht möglich. Die Armen helfen keine Almosen, sondern Gerechtigkeit.

Der Staubsaugereffekt

Als Anfang März in New York im Rahmen der regulären Sitzung der Frauenrechtskommission die Umsetzung der Beschlüsse der 4.Weltfrauenkonferenz von Peking überprüft wurde, stand die Konkurrenz der Global-Governance-Instrumente ganz oben auf der Tagesordnung: die MDGs gegen die Aktionsplattform von Peking. Mit der Energie einer Dammwalze hatte sich das Thema MDGs im Programm der Peking+10-Sitzung breitgemacht und führte vor Ort vor, was viele Frauenorganisationen aus verschiedenen Ländern des Südens berichteten: die Millenniumsziele ziehen das politische Interesse von den Nachfolgeprozessen der großen UN-Konferenzen der neunziger Jahre – Menschenrechts-, Bevölkerungs-, Frauen- und Habitatkonferenz sowie dem Weltsozialgipfel – ab und lenken alle politische Aufmerksamkeit und alle finanziellen Mittel auf sich. Für die Umsetzung der Aktionsplattform von Peking fehlen das Interesse und das Geld.

Mit ihrer Mobilisierungskraft und ihrer moralischen Autorität setzen die MDGs eine neue Zielhierarchie: alle anderen entwicklungspolitischen Ziele sollen sich in den Windkanal der Armutsbekämpfung einreihen und sich den MDG-Prioritäten unterordnen.

Aus genderpolitischer Sicht fällt beim Vergleich der beiden UN-Instrumente eine strategische und inhaltliche Inkohärenz auf. Bei den MDGs ignorieren die UN die zentrale strategische Botschaft der Pekinger Aktionsplattform, nämlich Gender zu mainstreamen oder zu deutsch, als Querschnittsthema zu verankern. Stattdessen ist die „Förderung von Geschlechtergleichheit und das Empowerment von Frauen“ als eigenständiges Ziel benannt, das nur durch das Unterziel „Geschlechterunterschiede in der Primar- und Sekundarschulbildung“ zu beseitigen, konkretisiert wird.

Während die Aktionsplattform von Peking auf einem integrierten Konzept von Frauenrechten und einem entsprechend ganzheitlichen Verständnis von Entwicklung basiert, sind die MDGs eine Schmalspuragenda, die Frauen auf die stereotypen Rollen als (Schul-)Mädchen im Zusammenhang mit Bildung, Schwangere und Mütter im Zusammenhang mit Kinder- und Müttersterblichkeit reduziert. Sie sind Zielgruppe von Investitionen in die soziale Infrastruktur, Empfängerinnen von Hilfsmaßnahmen, nicht aber Rechtssubjekte, die einen Anspruch auf Armuts- und Diskriminierungsbeseitigung haben, und Akteurinnen von Entwicklung sind. Die Bedeutung des Rechtsansatzes in Frauenbewegungen lag im Unterschied zum Bedürfnisansatz in seiner Mobilisierungs- und Empowermentwirkung. Die Speicherkapazität der MDGs ist gering: sie haben keine Erinnerung an den komplexen Frauenrechtsansatz.

Die Weltbank hat schon immer vorgemacht, wie sich der Rechtsansatz innerhalb der neoliberalen Agenda instrumentalisieren lässt. Sie setzt sich für Geschlechtergleichheit in der Bildung und Förderung weiblichen Humankapitals ein (MDG 2+3), weil dies Standorte für Investoren attraktiver macht und die ökonomische Effizienz steigert. Wenn, so die ungeschminkte neoliberale Argumentation, Geschlechterungleichheit in der Bildung reduziert wird und Mädchen besser gebildet sind, werden Investoren Jobs für Billigarbeitskräfte schaffen und auf der Grundlage von Lohndiskriminierung das Wachstum ankurbeln. 4)

Eine entwicklungspolitische Frauenarmada von UNIFEM über BMZ/GTZ bis zu Frauennetzwerken verfolgt nun den Ansatz, die MDGs zu „engendern“ und systematisch mit der Aktionsplattform von Peking und der Frauenrechtskonvention CEDAW zu verknüpfen, um sie in den komplexen Frauenrechtsrahmen einzubinden. Aufgrund der großen Sogkraft der MDGs sahen die NGOs jedoch keine Alternative, als sich pragmatisch auf sie beziehen, sie zu nutzen und gleichzeitig darauf zu insistieren, dass Armutsbeseitigung ohne Veränderung von Geschlechterungleichheiten nicht machbar ist und die MDGs nicht als Ersatzprogramm für die Aktionsplattform von Peking und CEDAW gelten können.

Anm. 1 UN (2000): United Nations Millennium Declaration, Resolution Adopted by the General Assembly, A/RES/55/2 Zurück

Anm. 2 UN (2001): Road Map to the Implementation of the UN Millennium Declaration, Report of the Secretary General, A/56/236, New York, 18-32 Zurück

Anm. 3 UN (2004): Implementation of the UN Millennium Declaration, Report of the Secretary General, A/59/282, New York Zurück

Anm. 4 Abu-Ghaida, Dina /Klasen, Stephan (2004): The Costs of missing the Millenium Development Goal on Gender Equity Zurück

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