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2005-09-01 Trio Infernal Wie sich einst das Villacher Apollo-Kino bei der Programmierung des gleichnamigen Films mit Romy Schneider und Michel Piccoli ein wenig vertan zu haben schien, so scheint sich auch die Kleine Zeitung manchmal bei der Wahl ihrer Beiträge zu vertun. Und tatsächlich... KLEINE ZEITUNG vom 11. August 2005: Die große Party ist vorbei. Der Staat ist in der Wirtschaftspolitik nur noch in der Rolle des Zuschauers. Eine illusionäre Diskussion über Beschäftigungspolitik tut so, als wäre ein schwächelnder Nationalstaat noch Herr der Lage. Tatsächlich hat sich die Entwicklung zur „Weltgesellschaft“ so weit verselbstständigt, dass die Wirtschaftspolitik weitgehend in eine Zuschauerrolle gedrängt ist. Einige Tatsachen seien schonungslos vermeldet: Erstens: Bei offenen Märkten sind (in geringem Maße) Arbeitnehmer und Kapital (in hohem Maße) mobil. Es gilt das Gesetz des Ausgleichs der Faktorpreise. Wanderung des Kapitals, Direktinvestitionen und Verlängerung von Zulieferketten bedeuten: Große Unternehmen sind auf dem Sprung nach Asien, kleine Unternehmen wandern in die osteuropäischen Billiglohnländer. Die Kostenersparnisse sind für die Unternehmen und die billigeren Produkte für die Konsumenten günstig. Aber die Arbeitsplätze verschwinden. Zweitens: In den Industrieländern zeichnet sich eine Polarisierung der Einkommensverhältnisse ab. Eine kleine Gruppe von hoch qualifizierten Arbeitnehmern gewinnt, mittlere Qualifikationen werden weniger gebraucht, untere Qualifikationen sinken ab. Diesen Prozess kann man ebenso wenig verhindern wie den Anstieg des globalen Ölpreises. Drittens: Wenn man die beiden Ziele „Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ und „Sicherung von Mindest-Lebensstandards“ vereinen will, bleibt im unteren Segment nur die Maßnahme, dass eine Differenzierung zwischen Arbeitslosengeld und Mindestlohn herbeigeführt wird. Dazu dient eine (etwa durch eine Negativsteuer bewirkte) Aufbesserung der unteren Löhne, die unter Marktdruck geraten, und eine Attraktivitätssenkung von Arbeitslosigkeit. Viertens: Der Wirtschaftsprozess hat eine Dynamik erlangt, die dazu zwingt, jeweils an der Spitze von Innovation und Produktivität zu stehen. Alles, was man erreicht, ist bereits ein, zwei oder drei Jahre später wieder verloren, wird verlagert, ist abgewandert, wird imitiert und ist veraltet. Umfassende Standortstärkung – wo allerdings auf Dauer die Massenarbeitsplätze herkommen sollen, ist dennoch nicht recht absehbar. Fünftens: Lange Zeit hat man vermutet, es würden nur Fließband- und Routinearbeiten in die sich entwickelnden Länder abwandern. Mittlerweile werden Forschungseinrichtungen nach China und Software-Labors nach Indien verlegt. Luxusländer sind attraktiv zum Leben und unattraktiv zum Produzieren. Sechstens: Die große Party ist vorbei. Es gibt keine guten Gründe anzunehmen, dass sich der ungeheuerliche Anstieg des Wohlstandes aus dem letzten halben Jahrhundert wiederholen lässt. Manfred Prisching lehrt Soziologie an der Universität Graz Und fast noch besser: KLEINE ZEITUNG vom 20. August 2005 Zurück zum Feudalismus. Man könnte der entfeudalisierten Debatte mehr Stimme geben.Dieser Beitrag ist Manfred Prischings Debatte "Die große Party ist vorbei" vom 11. August tief verpflichtet. Seine Nummerierung wird fortgesetzt. Sie ist hilfreich, wenn es darum geht, persönlichen Beobachtungen einen unumstößlichen, scheinbar unbedingt gültigen Gesetzescharakter zu geben. 7. Für die Mehrheit der Leser ist Prischings "ungeheuerlicher Anstieg des Wohlstandes" keineswegs ungeheuerlich. Was er als "große Party" des letzten halben Jahrhunderts bezeichnet - man mag es "soziale Marktwirtschaft", "soziale Gerechtigkeit" oder "Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit" nennen - erscheint kaum als entbehrliches Vergnügen. 8. Das Umdeuten von verdienten Rechten zu fragwürdigen Vergünstigungen, das Erheben von wirtschaftspolitischen Theorien zu unumstößlichen Welterklärungen, das Darstellen von globaler Wirtschaftsdynamik als "Naturkatastrophe" und das Beschwören eines "schwächelnden Nationalstaates" soll den mit "ungeheuerlichem Wohlstand" überhäuften Lesern erklären, warum sie die Mühsal der Flexibilisierung erdulden müssen. Die Argumentation erinnert dabei an feudale Argumentationsmuster. 9. An Stelle von Grundbesitz sind Finanzvermögen, von Feudalherren Manager globaler Unternehmen, an Stelle der Bürger internationale Eliten ohne gesellschaftliche Bindung, an Stelle der Hintersassen Arbeitnehmer und Arbeitslose getreten. Unsere post-postmoderne Gesellschaft zeigt feudale Züge. 10. Das Netzwerk von politischen und wirtschaftlichen Eliten ähnelt feudalen Treuebeziehungen. In ihnen sind die Akteure mal als Bock, mal als Gärtner tätig: einmal als Finanzminister, Bundeskanzler oder Wirtschaftslandesrat, dann wieder als Manager in einem der politischen Kontrolle entzogenen Großunternehmen. 11. Die Umdeutung vermeidbaren Elends zum göttlichen bzw. wirtschaftlichen Prinzip, eine einst priesterlichen Funktion, wird nun durch Sachverständige erledigt. Politisch völlig unlegitimiert geben sie das nötige "wording" für harte Einschnitte vor. 12. Wie die einfachen Leute weiland Fürsten im Triumphzugbewunderten, können die Massen heute in den Medien atemlos das Befinden der VIPs verfolgen. Als Erlösung aus diesem globalen Jammertal wird ein zum Konsum mutiertes Paradies versprochen. 13. Die "Reduktion des Nationalstaats auf eine wirtschaftspolitische Zuschauerrolle" lässt sich hinterfragen. Auch die resultierende Unfähigkeit des Nationalstaates, Geldströme und multinationale Unternehmen zu kontrollieren oder Abwanderung von Arbeitsplätzen zu verhindern, ist kein Menschheitsschicksal. 14. Eine entfeudalisierte Debatte wird bisher von den durchnummerierten priesterlichen Klagen übertönt. Man könnte ihr aber mehr Stimme geben. 15. Vorzugsweise hier, von Nr. 16 bis Nr. 666? Wilhelm Hengstler lehrte Arbeitsrecht an der Universität Graz Lesen die Zankls, und wie sie alle heißen, überhaupt ihre eigene Zeitung?
Walther Schütz, 2005-09-01, Nr. 2063 Danke für die Wiedergabe dieser aufschlussreichen Beiträge, und wenn man genau schaut, blitzt manchmal auch bei Zankl und co. inmitten ihrer meist stramm konservativen Gedanken sowas wie der Graus vor den neoliberalen Visionen auf.
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