2005-05-23
Was ist Öffentlichkeit
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Workshop von Karin Küblböck und Gabriele Michalitsch
Paolo Freire Zentrum Wien
Das Bündnis für Eine Welt/ÖIE, kärnöl und die AGEZ laden gemeinsam mit dem Paulo Freire Zentrum zu einem Workshop im Rahmen des entwicklungspolitischen Reflexionsprozesses 2005 ein. Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem Kasten "Zum Vormerken"
Öffentlich ist nicht öffentlich
Niemand darf in einer öffentlichen Schule zu einem öffentlichen Picknick einladen. Die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ist an den Erwerb eines Fahrausweises gebunden. Sogar öffentliche Plätze unterliegen Zugangsbeschränkungen, wenn sie etwa wie ein Teil des Wiener Karlsplatzes zur Schutzzone deklariert werden. Wem gehört die Öffentlichkeit?
Gleichzeitig gilt weiterhin der Anspruch, dass öffentliche Einrichtungen „für alle“ arbeiten sollen. In „der Öffentlichkeit“ sollen sich ein/e jede/r einbringen können, wenn er/sie etwas zum politischen Gemeinwesen beizutragen hat. "Geh doch in die Öffentlichkeit damit", raten wohlmeinende Verwandte, wenn ihnen von Missständen erzählt wird. Die Erwartungen an die Öffentlichkeit sind hoch, zu hoch, will es scheinen, nimmt man die Realität einer geteilten und zerteilenden Öffentlichkeit in den Blick. Angesichts dessen erstaunt es wenig, wenn sich viele vom Glauben an die Sinnhaftigkeit eines Kampfes um öffentlichen Raum und öffentliche Einrichtungen abwenden. Öffentlichkeit hat ihr Versprechen breiter demokratischer Partizipation nicht gehalten.
Ist Öffentlichkeit also ein großer Widerspruch? Oder bleibt die Forderung nach Öffentlichkeit weiterhin der große Einspruch gegen die zunehmende Privatisierung aller Lebensbereiche? Uneinlösbares Versprechen oder konkrete Utopie – am Begriff der Öffentlichkeit kommt keine politische Reflexion vorbei.
Engagierte Entwicklungspolitik sieht sich heute mit gravierenden Veränderungen der Struktur der Öffentlichkeit konfrontiert. Privatisierungen von Staatsunternehmen, ehemals zur Entwicklung peripherer Regionen errichtet, läuteten die Privatisierung öffentlicher Dienstleitungen ein. Kaum ein Papier multinationaler Entwicklungsagenturen verzichtet auf die Privatisierungsforderung, die heute einen entwicklungstechnologischen common sense darstellt.
Welche Erfahrungen machen die betroffenen Länder im Zusammenhang mit Privatisierungsvorgängen? Halten diese ihre Versprechungen, besser der Entwicklung zu dienen als ehemals Verstaatlichungen? Wieso ist es heute möglich, die Privatisierung von öffentlichen Gütern zugunsten von transnationalen Konzernen als Gewinn der NutzerInnen darzustellen, trotz der Evidenz der tatsächlichen Erfahrungen?
Welche Konzepte von privat und öffentlich stehen hinter diesen Vorgängen? Bleibt da überhaupt noch Platz für die Rede von der Öffentlichkeit? Welche Qualitäten müsste diese haben, um tatsächlich dem Wohl aller zu dienen?
Bei diesem Workshop sollen in Form von kurzen Inputs Positionen aus zwei Perspektiven zur Frage der Öffentlichkeit präsentiert und zur Diskussion gestellt werden: Wie laufen Prozesse der Privatisierung, der Umwandlung öffentlichen Eigentums in privates Eigentum in der Praxis ab? Wie lässt sich der Begriff der Öffentlichkeit vor dem Hintergrund politikwissenschaftlicher und feministischer Reflexionen bestimmen? Was bedeuten diese Bestimmungen und Erfahrungen im Hinblick auf entwicklungspolitische Fragestellungen?