2005-05-09
Oskar Kraus - 'Korrekter' NS-Bürgermeister von Villach?
Reaktion auf einen Artikel von Gernot Rader
in der Kleinen Zeitung vom 7. Mai 2005
Dass der nationalsozialistische Bürgermeister von Villach, Oskar Kraus, wie Gernot Rader in seinem Artikel "Begegnung im Morgengrauen - Der Machtwechsel in der Stadt Villach zu Kriegsende 1945“ in der Kleinen Zeitung schreibt, am 7. Mai 1945 sein Amt feierlich, beinahe wie unter Freunden, an den Sozialdemokraten Viktor Petschnik übergab, ist höchst irritierend. Ob Oskar Kraus schützend seine Hand über Viktor Petschnik gehalten hat, weil er von den Nazis nicht verhaftet wurde, wie Gernot Rader in seinem Artikel weiter ausführt, wissen wir nicht. Wohl aber wissen wir, dass bei unzähligen anderen Villacherinnen und Villachern die schützende Hand des Oberbürgermeisters Oskar Kraus fehlte.
So wurden im Oktober 1941 über 100 Villacher Sinti, Kinder, Frauen und Männer, aus den Stadtteilen Seebach und Obere Fellach in das KZ-Lackenbach und von dort weiter nach Polen deportiert, wo sie allesamt umkamen. Unter ihnen auch Valentin Seger, im Volksmund Zigeuner-Falte genannt, der legendäre Tormann des FC-Seebach, mit seiner jungen Frau Emma. Dasselbe gilt für die Villacher Jüdinnen und Juden, die aus dieser Stadt vertrieben, deportiert und ermordet wurden. Wie zum Beispiel Amalia und Moritz Fischbach, Leopold Blau, der mit seiner Frau ein kleines Geschäft in der Weißbriachgasse besaß, oder Maria Gornik, die mit ihrem Mann Wilhelm eine kleine Greißlerei in Villach führte. Sie wurde in Auschwitz vergast.
Auch während des Novemberpogroms 1938, der sogenannten Kristallnacht, als die Wohnungen und Geschäfte unserer jüdischen Mitbürger verwüstet wurden und das zerschlagene Geschirr und die zertrümmerten Möbel aus den Fenstern geschmissen wurden, als unzählige Villacher auf dem Hauptplatz standen und skandierten: "Hoch hänge der Jude am Laternenpfahl" und "Jude verrecke im eigenem Drecke" war von der schützenden Hand dieses Nazibürgermeisters nichts zu bemerken.
Hunderte Villacherinnen und Villacher, Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschafter, Zeugen Jehovas, Menschen mit einer Behinderung, Menschen die im Gasthaus eine große Lippe riskierten, die einen Zwangsarbeiter ein Stück Brot gaben, die eine Liebschaft mit einem Zwangsarbeiter hatten, die einen Feindsender hörten usw. sind in den Gestapogefängnissen verschwunden, wurden hingerichtet oder wurden in verschiedene Konzentrationslager deportiert, ohne dass der Nazibürgermeister Oskar Kraus seine Stimme dagegen erhoben hat.
Noch im Jänner 1945 wurde fleißig weitergemordet und im Hof des Gestapogefängnisses – heute Köll-Passage – die drei russischen Zwangsarbeiter, Michael Kassulin, Wasil Gollobin und Juan Sirokin in den Fensterkreuzen erhängt. Die Hinrichtung mussten zwei polnische Zwangsarbeiter durchführen. Die anwesenden Villacher Gestapobeamten Demmelhuber, Glatz, Werba und Conle wollten sich die Hände nicht dreckig machen. Ein paar Tage ließ man die Leichen hängen und karrte während dessen Zwangsarbeiter aus der Umgebung heran, denen man die Erhängten zur Abschreckung zeigte.
Keine schützende Hand von Oberbürgermeister Oskar Kraus! Warum auch? Als überzeugter Nationalsozialist der ersten Stunde war Oskar Kraus mit all diesen Maßnahmen einverstanden. Sie entsprachen seiner nationalsozialistischen Weltanschauung, seiner Ideologie von der Volksgemeinschaft, der zufolge Schädlinge ausgemerzt werden müssen. Das ist der Punkt.
Oskar Kraus wurde Ende Mai 1945 verhaftet und nach einer Gerichtsverhandlung im Jahre 1947 zu 20 Monaten schweren Kerker verurteilt. Gernot Radar schreibt: „im Urteil wurde festgehalten, dass er als Oberbürgermeister vollkommen korrekt war“. Angesichts der unzähligen Verbrechen, die während der Amtsszeit von Oskar Kraus in Villach verübt wurden und für die er als Oberbürgermeister dieser Stadt mitverantwortlich war, eine ungeheuerliche Aussage!
Ob das Urteil dennoch so gelautet hat, kann man nicht überprüfen, denn der Gerichtsakt, der als Quelle dafür in Frage käme, ist aus dem Landesarchiv in Klagenfurt verschwunden. Aber vielleicht gibt es Leute, die Akteneinsicht bekommen und andere, die sie nicht bekommen. Auch das ist in Kärnten möglich.
Wie dem auch sei, wir Villacherinnen und Villacher haben keinen Grund Oberbürgermeister Oskar Kraus in ehrender Erinnerung zu behalten.
Quelle: Hans Haider, Nationalsozialismus in Villach, 2005, Edition kärnöl.
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