2005-04-05
Abschied ohne Tränen
Herzlichen Dank für diesen Text an die AL-Antifaschistische Linke (www.sozialismus.at)
Nun hat ihn sein Boss also doch noch zu sich geholt. Er hat ihn lange
genug zappeln lassen, bevor er sich dazu durchgerungen hat, ihn von
seinem Leiden auf Erden zu erlösen.
An die 70.000 Groupies hatten in den Tagen und Nächten zuvor unter
dem Palast in Rom ausgeharrt, offensichtlich in der Hoffnung, durch
Gebete seinen Tod doch noch zu verhindern. Ein Großereignis, das
angesichts der Tatsache, dass es sich um den Tod eines absoluten
Herrschers handelt, zu Denken gibt. Der Person des Papstes
unterstehen eine Milliarde Menschen und ein hierarchischer Apparat
von Priestern, Bischöfen und Kardinälen, der jeglicher demokratischen
Idee spottet.
Der durch seinen beinahe militanten Antikommunismus auffallende
Johannes Paul II war auch sonst ein Papst der Superlativen: Äußerst
inflationär war seine Seligen- und Heiligenernennungspolitik des
Papstes (1820 Stück), kaum ein Kirchenoberhaupt war hier so aktiv wie
Johannes Paul II. Eine seiner jüngsten Seligsprechungen betraf den
österreichischen Ex-Kaiser Karl, immerhin ist durch seine Anbetung
eine brasilianische Schwester von ihrem Krampfadern geheilt worden.
Bei soviel Christentum hat ihm Johannes die Verantwortung für
Giftgaseinsätze und die Putschversuche in Ungarn im Jahr 1919 gern
verziehen. Mit rechten Revanchisten dürfte Wojtyla überhaupt wenig
Probleme gehabt haben, hat er doch die ultra-rechte Opus Dei Sekte
hofiert und gefördert.
In seinen 27 Amtsjahren ernannte er 234 Kardinäle, was bei seiner
auch innerhalb der katholischen Kirche oft beanstandeten reaktionären
Einstellung notwendig dazu führen wird, dass auch der Thronerbe
keinen liberalen Weg einschlagen wird. (Allerdings wäre das auch
grundsätzlich kaum möglich, da das System Kirche sich durch seine
undemokratische und hierarchische Struktur gegen jede Veränderung
schützt.)
Leider geht das auch Außenstehende etwas an, denn das kirchliche
Verbot von Verhütungsmittel und Schutz vor Geschlechtskrankheiten
wird auch weiterhin für Millionen Menschen den Tod bedeuten. Denn
große Teile gerade ärmerer Länder in Afrika oder Asien wurden und
werden von der Zentralgewalt in Rom missioniert, also gebildet, was
einer Gehirnwäsche gleichkommt.
Der Tod eines Diktators kann für die radikale Linke kein Trauertag
sein, vielmehr stellt er eine gute Gelegenheit dar, die individuelle
und gesellschaftliche Abhängigkeit zu konstatieren, in der sich
weltweit wohl mehr Menschen befinden, als effektiv Clubmitglieder
eingetragen sind. Aussagen wie "Ich würde mein Leben für ihn geben"
(Zitat einer verzweifelten Anhängerin am Petersplatz) können nur als
pathologisch bezeichnet werden. Schmerzverzerrte Gesichter als
Massenhysterie und die absolute Präsenz des Ablebens eines einzelnen
Menschen in Printmedien und Fernsehen sind angesichts des
gleichzeitigen Massensterbens, etwa in Westafrika, und des
unaufhörlichen Mordens im Irak (übrigens im Auftrag christlicher
Fundamentalist-Innen) schlicht hirnlos.
Doch egal, welcher Herrscher in Rom den Thron wärmt, jede
fortschrittliche Person muss sich die Frage stellen, warum sie noch
immer zahlendes Mitglied dieses Vereins ist.