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2005-01-25 Linux - Eine Mehlspeise? (Teil II) Biisher erschienen: Nachdem der erste Teil die Entwicklung der Free Software Community zum Inhalt hatte, geht's in diesem Teil um die Konsequenzen proprietärer Software, wie wir sie alle tagtäglich zu spüren bekommen. Die Zumutungen und Anmaßungen, denen wir uns dabei täglich gegenüber sehen, sind in der Tat unerhört. Es wird Zeit, Konsequenzen zu ziehen.
Wichtige Links zum Thema
www.fsf.org www.fsfe.org legacy.ffs.or.at www.gnu.org swpat.ffii.org www.nosoftwarepatents.com www.sourceforge.net www.freshmeat.net www.kernel.org www.linux.at www.heise.de www.mozilla.org www.openoffice.org Die Tendenz, wonach in immer höherem Ausmaß die Allgemeinheit für Entwicklungen zu bezahlen hat, deren Ergebnisse die Gewinne einzelner Konzerne maximieren, findet sich ja nicht nur in der Softwareindustrie sondern letztlich in allen ökonomischen Bereichen und Branchen. Wie weit aber die Politik bereits tatsächlich von diesen so genannten "Gesetzen der freien Marktwirtschaft" durchdrungen ist, zeigt sich gerade dieser Tage an Hand der Beschlussfassung des Europäischen Parlaments, wonach Software auch in Europa patentierbar zu machen sei. Als einziges Land verhinderte Polen einen diesbezüglichen Beschluss. Das wiederum führte dazu, dass die "Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen" am 21. Dezember 2004 im Landwirtschaftsrat beschlossen werden soll. Damit könnten über 30.000, bereits angemeldete Patente in Kraft treten, die so triviale Dinge wie "Fortschrittsbalken", "Mausklicks in Online-Bestellformularen" oder das "Scrollen in Fenstern" unter Lizenzgebührpflicht stellen würden. Damit müssten Softwareentwickler für ihre eigenen und vollständig selbst geschriebenen Programme von heute auf morgen Lizenzgebühren abliefern, sollte darin eines dieser sogenannten "Patente" verletzt werden. Das wäre das Ende für jede freie Software, würde aber weit darüber hinaus auch alle anderen, besonders Klein- und Mittelbetriebe treffen, die sich die Kosten für die Recherche nach eventuellen Patentverletzungen sowie die, aus diesem Titel benötigte Rechtshilfe schlicht und einfach nicht leisten können. Womit ich zum Titel dieses Artikels zurückkommen möchte. Denn unter den genannten Umständen gerät es plötzlich tatsächlich in den Bereich des Denkmöglichen, dass einer der wenigen Bereiche, die noch nicht von Patenten betroffen sind, Gegenstand einer Beschlussfassung im Europäischen Parlament wird: Das Backen und Kochen. Da ja gerade Softwarentwicklung oft (und zurecht!) mit dem Erstellen von Kochrezepten verglichen wird, werden dann wahrscheinlich nicht nur die Rezepturen patentierbar, sondern auch die Handhabung diverser Küchengeräte wie das "Umrühren mittels Kochlöffel", das "Vergrößern der Oberfläche von Teig mittels Nudelwalker" oder das "Aufschlagen von Eiern am Pfannenrand" als schützenswert eingestuft werden. Damit können dann von jenen Konzernen, die genügend Mittel für Patentanmeldungen zur Verfügung haben, für den, im Cafehaus genossenen Apfelstrudel, Lizenzgebühren lukriert werden. Um diesen Entwicklungen einen Riegel vorzuschieben, bedarf es des massiven Engagements jedes einzelnen mit dem Ziel, die freie Nutzung und Entwicklung von Software zu stärken.
Jüngstes Erfolgsbeispiel ist der freie Browser Mozilla-Firefox. In den ersten vier Wochen nach Erscheinen der Version 1.0 wurde das Programmpaket 10 Millionen mal heruntergeladen. Damit ist Firefox der zweitmeist genutzte Internet-Browser der Welt. Und das mit stark steigender Tendenz. Die Innovationskraft, die von freier Software ausgeht, ist an den Projekten abzulesen, die auf eigens dafür eingerichteten Servern derzeit in Arbeit sind. So wird etwa auf Dieses ungeahnte Potential versucht aber auch Microsoft zu nutzen und hat, als größter Gegner der Open Source Bewegung, ebenfalls zwei Projekte bei Sourceforge laufen. Dass der größte Softwarekonzern der Welt die Einrichtungen der Open Source Community zur Entwicklung eigener Projekte benutzt, kann letztlich nur mehr als peinlich bezeichnet werden. Denn erwiesenermaßen nutzen selbst einige Versionen des proprietären Windows offenen Sourcecode. Die Konsequenz, die jeder einzelne für sich daraus ziehen sollte, lautet eindeutig: So viel freie Software wie nur irgend möglich! Alle Verantwortlichen in Firmen, Behörden und Institutionen sollten die Frage lautstark stellen, warum sie sich noch immer in der Geiselhaft (hauptsächlich amerikanischer) Großkonzerne befinden. In der Geiselhaft von Firmen, deren Lizenzpolitik immer unwirklicher wird. Bei den neuesten Ankündigungen von Microsoft, nur mehr registrierten Benutzern Updates und Sicherheitsfixes zur Verfügung zu stellen, zeigt sich dieser Realitätsverlust besonders deutlich. Nicht nur, dass der Kunde dort fehlerhafte Produkte kauft und bei der Registrierung seine persönlichen Daten bekannt geben muss. Nein, er gewährt Microsoft auch den vollen Zugriff auf sämtliche Daten, die er auf dem eigenen Computer gespeichert hat. Und das verlangt gerade jene Firma, welche die Sicherheit von Computern als ihr Hauptanliegen propagiert. Es ist schon schlimm genug, dass der Staat den "gläsernen Bürger" fordert. Die Tatsache aber, dass von einer privaten Firma (unter dem Deckmantel des Schutzes vor illegalen Kopien) Zugriff auf die Festplatteninhalte aller Kunden verlangt wird, ist so unfassbar, dass es nur noch Schweigen ist, was bleibt. Um die Zumutung und Anmaßung der Forderungen von Microsoft in vollem Umfang zu verstehen, ist es nützlich, zu wissen, dass in Österreich Kopien für den privaten Gebrauch gesetzlich zulässig sind und mit dem Kauf jedes beschreibbaren Rohdatenträgers eine Urheberrechtsabgabe an die Austromechana bezahlt wird. Diese so genannte Leerkassettenvergütung kann man für Datenträger, die mit nicht urheberrechtlich geschützten Daten beschrieben werden, gemäß §42b(6)Z2 UrhG, zurückfordern. Ein dafür vorgesehenes Formular kann unter ffs.or.at heruntergeladen werden. Es ist geradezu angeraten, von dieser Möglichkeit des Widerstandes Gebrauch zu machen, zumal ähnliche Präventivgesetze in ganz anderen Rechtsbereichen zur Zeit förmlich in der Luft liegen. Da wäre etwa eine KFZ-Steuer mit integrierter Übertretungsgebühr. Vorsorglich eingehoben. Zumal ja jeder einmal zu schnell fährt und dabei nicht erwischt wird. Die teilweise vorhandene Rivalität zwischen Free Software Foundation und Open Source Initiative sollte nicht vom gemeinsamen Ziel ablenken. Vielleicht sind die idealistischen und politischen Ziele der Free Software Foundation nur durch die wirtschaftskompatiblen Lizenzen der Open Source Initiative zu erreichen. Genau diese Form der Unterwanderung bestehender Regelwerke der kapitalistischen Marktwirtschaft könnte eine Chance darstellen, die Ziele Richard Stallman's zu verwirklichen. Denn schon die bisherige Entwicklung der freien Software und der Open Source Community stellt eine sensationelle weltweite Revolution dar. Es ist beispiellos in der Geschichte des Kapitalismus, dass eine gesamte Sparte der Wirtschaft von einer ganzen Reihe völlig wertloser Produkte über den Haufen geworfen wird. Der reichste Mann der Welt, der sonst jeden Konkurenten entweder aufkauft oder durch seine Marktmacht in den Ruin treibt, findet plötzlich keinen Angriffspunkt mehr, da die Community der freien Softwareentwicklung weder seinen noch irgendwelchen anderen kapitalistischen Regeln folgt. Ganze Staaten wie Venezuela, Brasilien oder eine ganze Reihe asiatischer Länder und Städte wie München beschließen, ihre Verwaltungs-EDV auf Open Source Software umzustellen. Neueste Umfragen zeigen, dass in Österreich bereits 54% aller Firmen für bestimmte Aufgaben Linux einsetzen. Tendenz stark steigend. Abgesehen davon, dass Open Source Produkte propietärer Software in punkto Qualität und Stabilität um nichts nachstehen, kann durch die massive Verwendung von Open Source Software durch alle mündigen Benutzer von Computersystemen etwas gelingen, was im bisherigen Wirtschaftsleben einzigartig wäre und die scheinbar unumstößliche Wert- und Verwertungsordnung ein wenig ins Wanken bringen würde. Das wäre auch die Chance über andere "wertlose" Produkte nachzudenken und den Geist und die Freiheit der freien Software Community auf andere Bereiche der Gesellschaft zu übertragen.
Matthias Reichl, 2005-01-28, Nr. 1756 Multis als Monopolisten
Gottfried, 2005-01-31, Nr. 1765 Nach Studium der beiden Artikel habe ich gedacht, was wird denn der Referent bei der Freitag Veranstaltung noch zu erzählen haben - falsch gedacht!
Christian Markowitz, 2005-01-31, Nr. 1766 Gratulation an Daniel Kirchmeier....
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