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Hans Haider

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2005-01-24

Gedenken an Villacher NS-Terror

Vor sechzig Jahren wurde nicht nur die 2. Republik gegründet, wovon man uns in diesem unsäglichen "Gedankenjahr" aus vollen Rohren berichten wird. Vor sechzig Jahren, im Jänner 1945, funktionierte auch noch die nationalsozialistische Mordmaschinerie in Villach perfekt. Im Gestapogefängnis in der Villacher Ankershofengasse, etwa dort, wo sich heute die Köll-Passage befindet, wurden am 9. Jänner 1945 um 6.00 Uhr morgens die drei russischen Zwangsarbeiter Juan Sirokin, Michael Kassulin und Wasil Gollobin im Innenhof aufgehängt.

Wie aus dem Akt ersichtlich, machten sich die Gestapobeamten dabei die Hände nicht schmutzig, sondern sie zwangen zwei polnische Zwangsarbeiter die Exekution an ihren Kameraden durchzuführen. Ein Galgen war dazu nicht notwendig: Die drei zwanzigjährigen Russen wurden kurzerhand an den Fensterkreuzen aufgehängt. Dort blieben sie ein paar Tage hängen. Mit Lastwagen wurden immer wieder Zwangsarbeiter aus der Umgebung herangekarrt, um ihnen die Erhängten Leidensgenossen zur Abschreckung zu zeigen. Zur Zwangsarbeit eingeteilt waren die drei jungen Russen auf einen Gutshof in Treffen, von wo sie flüchteten und später erwischt wurden.

Über 60.000 Menschen wurden während des NS-Terrors in Kärnten zur Zwangsarbeit herangezogen. Davon wurden 26.000 Arbeitskräfte in der Landwirtschaft beschäftigt und 36.000 in der Industrie, im Handel, im Gewerbe, bei den Behörden und Parteidienststellen. Praktisch alle großen Industrie- und Bergbaubetriebe beschäftigten Zwangsarbeiter. Außerdem gab es kaum einen Bauern, der nicht Zwangsarbeiter auf seinen Hof hatte. Soviel zur ordentlichen Beschäftigungspolitik der Nazis, die vor nicht allzu langer Zeit von Landeshauptmann Haider gelobt wurde.

Im Jahre 1947 mußten sich die beteiligten Gestapobeamten Werba, Glatz, Demmelhuber und Conle dafür verantworten. Die Aussagen des Zeugen Johann Petschar aus Töplitz bei Villach, der damals als Polizei-Reservist bei der Gestapo Dienst machte, zeigen sehr deutlich, mit welcher Brutalität die Villacher Gestapo die Gefangenen behandelte. Es zahlt sich aus, dieselben zu lesen.

Abschrift des Strafakts aus dem Kärntner Landesarchiv.
Nr.: KLA LG Strafakten / Sch 257, Vr 2831/46
Abschrift gemacht von Hans Haider.

Villach, den 22. 09. 1947

Zeugen-Vernehmungsniederschrift.

Es erscheint auf Vorladung
Petschar Johann
geb. 23. 10. 1900 in Töplitsch, Bezirk Villach, Kärnten, nach Kellerberg, Bezirk Villach, Kärnten zuständig, röm. kath., verh., Landwirt, in Töplitsch Nr. 21, Bez. Villach wohnhaft.

Der Genannte wurde als Zeuge vernommen und gibt mit dem Gegenstande vertraut gemacht, zur Wahrheit ermahnt folgendes an:

Ich war während des Nazi-Regimes als Polizei-Reservist zum Polizeiamt Villach zur Dienstleistung eingezogen worden. Ungefähr 3 Jahre habe ich Dienst im Polizeigefangenenhaus des genannten Amtes gemacht.

Während der 3 Jahre meiner Dienstzuteilung als Arrestmeister hatte ich genügend Gelegenheit, die seinerzeitigen Gestapobeamten kennenzulernen. Je nach ihrer Mentalität hatten diese Beamten verschiedene Methoden bei Vernehmungen von Häftlingen. Besonders grob und unbeherrscht haben sich, soviel ich mich erinnere, Werba, Glatz und Demmelhuber benommen.

Es war üblich, dass der jeweilige Gestapobeamte, der einen Häftling zur Vernehmung brauchte, dies telefonisch dem Arrestmeister bekanntgab. Dieser hatte dann entweder selbst oder aber der Gefangenhausgehilfe den gewünschten Häftling dem Gestapobeamten vorzuführen.

Ich selbst habe derartige Vorführungen während meiner dreijährigen Dienstzeit sehr oft getätigt und unter anderem habe ich auch dem Gestapobeamten Werba verschiedentlich Häftlinge zur Vernehmung vorgeführt. Werba hatte bei den Vernehmungen die Gewohnheit, den vorgeführten Häftling auf das schwerste zu misshandeln, wenn dieser dem Beamten in Bezug auf das gewünschte Geständnis nicht einging. Werba benützte zu Misshandlungen stets einen Gummiknüppel in ungefährer Daumenstärke und ca. 60 bis 70 cm lang. Mit diesem Knüppel schlug Werba dann rückhaltlos und ohne auf bestimmte empfindliche Körperteile zu achten einfach blindlings auf den Häftling los. Bei derartigen Misshandlungen fielen auf den Häftling hageldichte Schläge über Gesicht, den Kopf und hinter die Ohren. Sehr oft wurden Häftlinge auf diese Art blutig geschlagen. Es kam sogar vor, dass bei Häftlingen, die Misshandlungen erleiden mussten, der Austritt der Exkremente in die Hose erfolgte.

Ein Fall ist mir gut in Erinnerung. Es handelte sich damals um drei Ausländer und zwar um die russischen Staatsangehörigen
SIROKIN JUAN, geb. 30. 08. 1924 in Kursk/Russland
KASSULIN MICHAEL, geb. 05. 02. 1923 in Kursk/Russland und
GOLLOBIN WASIL, geb. 10. 03. 1924 in Wasowska bei Kursk/Russland

Die genannten wurden wegen ihrer angeblichen Bandentätigkeit in Treffen und Umgebung durch die Gestapo Villach in Haft gesetzt. Sie standen mit anderen Verbrecherbanden in Kontakt und sollen verschiedene Raubüberfälle, darunter auch einen Bauern mit 7 Kindern erschossen haben. Die Gestapo dürfte damals mit dem Gendarmariepostenkommando in Treffen bei Villach die diesbezüglichen Erhebungen geführt haben. Über den genauen Verlauf dieser Erhebungen ist mir jedoch nichts bekannt.

Unterschrift:
Hans Petschar

Am 9. Jänner 1945 gab mir der Gestapobeamte Demmelhuber fernm. den Auftrag, den genannten Ausländern keine Abendkost zu verabreichen. Auf meine Frage über den Grund dieses Befehls, erklärte er mir, ich soll ihnen sagen lassen, sie hätten ihre Zelle nicht in Ordnung gehalten. Aus welchem Grunde diese Massnahme getroffen wurde, war mir zu dieser Zeit nicht bekannt. Kurz darauf erkundigte er sich, wieviel Schliessketten das Polizeigefangenenhaus verfüge. Ich hielt es aber als eine selbstverständliche Pflicht ihnen das Abendessen zu geben. Um ca. 20.00 Uhr des 9. Jänner gab Demmelhuber den neuerlichen Auftrag, dass die besagten Russen um 6.00 Uhr Früh gestellt sein müssen, ohne jedoch irgend eine andere Bemerkung zu machen.

Am 10. Jänner 1945 um 6.05 Uhr wurde ich durch den Gestapobeamten Demmelhuber telefonisch beauftragt, die Tür im ersten Stock des Polizeigefangenenhauses zu öffnen. In der Tür erschien der damalige Kommissar der Gestapo, namens Conle, und die Gestapobeamten Werba, Glatz und Demmelhuber. Der Kommissar Conle erkundigte sich kurz, wo die drei Ausländer sich in Haft befinden, machte die Türe zur Zelle 3 oder 4 auf und ging mit den besagten Ausländern in die Aufnahmekanzlei. Dort wurden ihnen die Schliessketten von einem Gestapobeamten angelegt. Nachher gingen alle zusammen mit den 3 Häftlingen in den Polizeigefangenenhof. Kurz darauf holte ein Gestapobeamter , der Name desselben ist mir nicht mehr in Erinnerung, die beiden Gestapospitzel, die polnischen Staatsangehörigen
Fall Michael, geb. 16. 11. 1918 in Isdebki, Polen, und
Kowal Wasil, geb. 11. 09. 1919 in Isdebki, Polen
und ging mit ihnen in den Gefangenenhaushof. Die beiden befanden sich zu dieser Zeit im Polizeigefangenenhaus nicht in Haft. Ich verblieb aber weiter in der Aufnahmekanzlei und erledigte schriftliche Arbeiten. Auf Grund der zweimaligen Aufforderung des Kommissars Conle sah ich mich gezwungen, gleich darauf auch in den Gefangenenhaushof zu gehen, wo dann die Exekution der 3 Ausländer stattfand. Das Todesurteil wurde zuerst durch einen der zwei Gestapospitzel in russischer Sprache verlesen, worauf der Kommissar Conle die Übersetzung in deutscher Sprache bekanntgab. Er erklärte unter anderen wörtlich:

“Der Führer hat diesen Menschen Arbeit und Brot gegeben, sie haben es aber vorgezogen, ihre Arbeitsstätte zu verlassen und sich den Banditen anzuschliessen. Darunter haben die genannten zahlreiche Einbrüche verübt, die Bevölkerung in Furcht und Unruhe versetzt und einen Familienvater von 7 Kindern erschossen. Daher hat sie der SS-Führer und Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, zum Tode durch den Strang verurteilt.“

Nach der Verlesung des Todesurteils durch Conle erfolgte die Exekution der 3 Ausländer durch die beiden Gestapospitzel Fall und Kowal. Die Ausländer SIROKIN, KASSULIN, und GOLLOBIN wurden durch Stricke an den Fensterkreuzen des Hofes erhängt. Die anwesenden Gestapobeamten übten dabei keine Henkertätigkeit aus. Der Tod der genannten Ausländer dürfte gleich eingetreten sein und die Erhängten blieben in ihrer Lage zur weiteren Besichtigung durch die in Villach und Umgebung beschäftigten und wohnhaften Ausländer. Die Ausländer wurden kurzerhand mit Kraftwagen zum Polizeigefangenenhaus gebracht und mussten sich die 3 Gehängten dort ansehen. Bei jeder Besichtigung wurde durch Conle, bzw. durch einen Gestapospitzel das Todesurteil neuerlich verlesen.

Zur Zeit der Exekution war es im Polizeigefangenenhaus noch sehr dunkel und dürfte schon aus diesem Grunde der Verlauf derselben von anderen Polizeiangehörigen kaum beobachtet worden sein. Später jedoch wurde dieser Vorfall auch anderen Personen im Polizeiamte bekannt.

Ich erkäre nochmals, dass an der Exekution der 3 Ausländer, die anwesenden Gestapobeamten keine Hand angelegt haben.

Die von mir in vorstehender Vernehmungsniederschrift gemachten Angaben entsprechen in jeder Hinsicht der vollen Wahrheit und ich bin selbstverständlich bereit, sie vor Gericht zu beeiden.

Unterschrift:
Hans Petschar

Reaktionen Auf den Beitrag reagieren

walther schütz, 2005-01-24, Nr. 1719

hallo hans, danke für deinen - traurigen - und umso aufschhlussreicheren beitrag zur lokalen geschichte

walther

erika, 2005-01-26, Nr. 1737

LH!

Deinen Beitrag zu lesen ist grausam und erweckt in mir Angst und Furcht. Deiner Arbeit mit dieser schrecklichen Vergangenheit gebührt meine ganze Achtung und auch mein
Dank. Verdrängtes verkehrt auf einen Esel setzen, würde sich manchmal aber auch lohnen denn eine gewissen Distanz macht manches leichter erträglich und oft in ähnlicher Weise deutlich.

LG
Erika

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