2004-11-26
VISOCUSTIK - CUSTIKVISO
VISOCUSTIK – CUSTIKVISO zwei Wörter, die sie/wir in keinem Wörterbuch finden werden sind das Motto der heutigen kärnöl Veranstaltung. Und doch weisen uns die Wortschöpfungen auf die wesentlichen Inhalte der Ausstellung hin.
Das Erste erinnert uns an die Wörter:
„Visualisieren“ - optisch darstellen,
„Visage“ - Gesicht, Anblick,
„videre“ – sehen,
das Zweite an:
„Akustik“ - Klangwirkung,
„akustisch“ – das Gehör betreffend.
Auge und Ohr, zwei zentrale Sinnesorgane des Menschen, die den Wahrnehmungsprozess unserer heutigen Gesellschaft dominieren, ohne die unser Leben kaum erinnerungswert erscheint.
„Erinnerung ist die Mutter der Musen“ schreiben Mairitsch, Kana und Garbe (2002) und verweisen darauf, dass Kunst grundlegend durch die Herbeiholung des Inneren, demnach durch die Erinnerung gekennzeichnet ist. Kunst er-innert zur Kreativität, ernährt, versorgt Ideen von Innen heraus.
Der Augenblick, die Gegenwart der Erinnerung, ist der Ausgangspunkt für Maria Grimm´s Bilderzyklus „Lokalkolorierte Schnappschussgemälde“.
Ein leichter Druck auf den Auslöser des Fotoapparates und die Mimik von „Visagen“, Alltagsgesichter eines Lokals ritzen ihre Lichtspuren in die chemische Leinwand der Erinnerung.
Ein Schnappschuss - digitaler Lidschlag des Sehens - ist für Maria Grimm gleichsam der Startschuss für ihren kreativen Prozess. In künstlerische Weise konfrontiert sie uns mit alltäglichen kognitiven und psychischen Wahrnehmungsverarbeitungsprozessen. Unter Herbeiholung ihres Inneren und Verwendung zusätzlicher gestalterischen Ausdrucksmedien interpretiert und visualisiert Maria Grimm die Selektivität unserer Wahrnehmung.
Erinnerung - Fragment einer subjektiv erlebten Realität - impliziert sämtliche menschliche Sinne. „Viso“ impliziert „Custik“, ein Bild - ein Wort - ein Bild, die Assoziationskette ließe sich ins Unendliche fortsetzen. Die Künstlerin kann sich entscheiden. Erika Stengl hat sich für das Wort entschieden.
Mit dem Doppelcharakter des Wortes – Wortklang und Wortbild – begleitet sie die Bilder von Maria Grimm und konfrontiert uns gleichzeitig mit dem Janusgesicht der Sprache. Die Zuordnung ihrer, aus der sprachlich reflektierten Erinnerung erstandenen Texte bleibt jedem selbst überlassen. Die Fehlerhaftigkeit ihrer lyrisch abstrahierten Erinnerung ist nicht beabsichtigt jedoch gewollt.
Der Augenblick, die Gegenwart der Erinnerung, wird durch den künstlerischen Prozess zur Betrachtung der Augenblicke. Maria Grimm´s „Lokalkolorierte Schnappschussgemälde“ und Erika Stengl´s Texte „kärnöl–intern“ manifestieren gleichsam einen Zeitpunkt dieses Erinnerungsprozesses, frieren ihn ein, statten ihn mit lokalkolorierten Trachten aus. Sie erinnern uns daran, dass Kunst nichts mit Wahrheit, mit Dogma zu tun hat, sondern zur emanzipatorischen Kreativität er-innert und zum emanzipatorischen Genuss er-mutigt.
Literatur:
Mairitsch, Kana und Garbe: „http://DESIGN!“,redmonds das buch (2002)