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Walther Schütz

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2004-10-26

Staatsfeiertag im Land der Hämmer

Die wirklichen Hämmer aber kommen erst demnächst aus Brüssel.
Verkleidet als sogenannte 'Verfassung'

Was steht also da so drinnen in jener "Verfassung", die wir uns vermutlich wieder einmal nicht selbst geben dürfen, sondern die uns wie so vieles andere von politischen und wirtschaftlichen Eliten auf's Aug gedrückt wird?

Anmerkung: Die Nummern im folgenden Text beziehen sich auf die zur Unterzeichnung durch die Regierungen der EU-Mitgliedsländer anstehende Version CIG 87/04 vom 6. August 2004!!!!!!

Verpflichtung zur Aufrüstung

"Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.“ (Art. I-41, 3)

Rüstungsamt zur Ankurbelung der Aufrüstung

"Es wird eine Agentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeit, Forschung, Beschaffung und Rüstung (Europäische Verteidigungsagentur) eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Grundlage des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich Fähigkeiten und Rüstung zu beteiligen sowie den Ministerrat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen.“ (Art. I-41, 3)

Verpflichtung zur militärischen Teilnahme an der EU-Sicherheitspolitik

"Die Mitgliedstaaten stellen der Union für die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der vom Ministerrat festgelegten Ziel zur Verfügung.“ (Art. I-41, 3)

Ermächtigung des EU-Ministerrates zum weltweiten Kriegsführen

  • "Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik ... sichert der Union eine auf zivile und militärische Mittel gestützte Fähigkeit zu Operationen“ für „Missionen außerhalb der Union“ (Art. I-41, 1)
  • "Der Rat kann zur Wahrung der Werte der Union und im Dienste ihrer Interessen eine Gruppe von Mitgliedstaaten mit der Durchführung einer Mission (Militärmission, Anm. d. Red.) im Rahmen der Union beauftragen.“ (Art. I-41, 5)
  • Keine Bindung an ein Mandat des UNO-Sicherheitsrates (Art. I-41, 1)
  • "Kampfeinsätze im Rahmen der Krisenbewältigung“ - „Bekämpfung des Terrorismus ... unter anderem auch durch Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet.“ (Art. III-309, 1)
  • Einrichtung eines zentralen EU-„Anschubfonds“ von Militärinterventionen (Art III-313, 3)
  • "Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee“ als Interventionszentrale (Art. III-307)

Militärische Beistandsverpflichtung - schärfer als in der NATO

"Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates müssen die anderen Mitgliedstaaten nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen alle in ihrer Macht stehenden Hilfe und Unterstützung leisten. Dies lässt den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten unberührt. “ (Art. I-41, 7). Diese Beistandsverpflichtung ist schärfer als die der NATO, die es den Mitgliedstaaten überlässt, in welcher Form sie Beistand leisten wollen. (Dazu eine Anmerkung: Rein formal könnte das auch so interpretiert werden, dass die Neutralität nicht gefährdet sei. De facto unternimmt die Regierung aber alles, damit mit unserem besonderen „Charakter“ der Neutralität ein Mitmachen vereinbar ist!!!!!! Walther Schütz)

Weiters gibt es eine sog. „Solidaritätsklausel“, die eine militärische Unterstützung beim sog. „Anti-Terror-Kampf“ (Art. I-43) vorsieht, d. h. möglicherweise auch bei offensiven Militäraktionen (sog. „Präventivkrieg“).

Militärisches „Kerneuropa“ - Globale Kriegsfähigkeit innerhalb von 5 Tagen

Institutionalisierung einer „Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit“ (SSZ) der „Mitgliedstaaten, die anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten erfüllen“ (Art. I-41, 6; III-312). Ein Protokoll legt konkrete Rüstungspflichten der Mitglieder der SSZ bis 2007 fest. Darin findet sich u. a. die Verpflichtung, die „Verteidigungsfähigkeiten durch Ausbau seiner nationalen Beiträge und gegebenenfalls durch Beteiligung an multinationalen Streitkräften, an den wichtigsten europäischen Ausrüstungsprogrammen und an der Tätigkeit des Europäischen Amtes für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten intensiver zu entwickeln und spätestens 2007 über die Fähigkeit zu verfügen, ... bewaffnete Einheiten bereitzustellen, die auf die in Aussicht genommenen Missionen ausgerichtet sind, taktisch als Kampftruppen konzipiert sind, über Unterstützung unter anderem für Transport und Logistik verfügen und fähig sind, innerhalb von 5 bis 30 Tagen Missionen nach Artikel III-210 aufzunehmen.“ (Protokoll über die ständige strukturierte Zusammenarbeit, Art. 1)

Privilegierung der Atomindustrie

In einem Anhang zur EU-Verfassung wird der EURATOM-Vertrag bekräftigt: „Die Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft müssen weiterhin volle rechtliche Wirkung entfalten“ (Protokoll zur Änderung des EURATOM-Vertrages). Ziel des EURATOM-Vertrages ist die Atomenergie zur fördern, um „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“ (Präambel). Das „Anti-AKW-Land“ Österreich zahlt jährlich rd. 40 Millionen Euro für EURATOM.

Neoliberalismus: „Offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“

  • "Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb“ (Art. I-3)
  • "Freier Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr sowie die Niederlassungsfreiheit“ (Art. I-4, III-130ff)
  • Die „unternehmerische Freiheit“ wird in Verfassungsrang erhoben (Art. II-76)
  • "Die Tätigkeit der Mitgliedstaaten und der Union umfasst ... die Einführung einer Wirtschaftspolitik, die ... dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist." (Art. III-177)
  • Dem wird auch die Sozialpolitik untergeordnet: Die Sozialpolitik trägt „der Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten, Rechnung.“ (Art. III-209)

Freihandel als Verfassungsauftrag

  • Ziel der Außenpolitik ist u. a. „die Integration aller Länder in die Weltwirtschaft ... unter anderm auch durch den schrittweisen Abbau von Beschränkungen des internationalen Handels“ (Art. III-292)
  • Ziel der EU ist die „schrittweise Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr und bei den ausländischen Direktinvestitionen" (Art. III-314)

Druck in Richtung Privatisierung der öffentlichen Dienste

  • Die EU bekommt die Kompetenz „Grundsätze und Bedingungen, insbesondere jene wirtschaftlicher und finanzieller Art“ für „Dienste von allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“ (EU-Jargon für „öffentliche Dienste“) festzulegen (Art. III-122). Der ÖGB sieht die Gefahr, dass die EU-Kommission nach den vielen Sektorliberalisierungen (Strom, Gas, Telefon, Post, Verkehr) nun mit dem Rasenmäher über alles fährt, von Sozialdiensten bis zur Bildung.
  • Verbot für die EU-Staaten, öffentliche Unternehmen besonders zu fördern bzw. aus staatlichen Mitteln Beihilfen zu gewähren (Art. III-166, ...) Ausnahmeregelungen haben den Charakter von Gummiparagraphen und können durch Beschluss des Ministerrates bzw. Klage der EU-Kommission beim EuGH zu Fall gebracht werden (Art. III-57).

Europäische Zentralbank als „demokratiefreier Raum“

"Das vorrangige Ziel des Europäischen Systems der Zentralbanken ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten“, also die Interessen der großen Vermögensbesitzer zu bedienen. Marktwirtschaft ohne Adjektive ist angesagt: „Das Europäische System der Zentralbanken handelt im Einklang mit dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb.“ (Art. III-185)

Damit die Interessen des großen Geldes nicht politisch unter Druck kommen, wird demokratische Einflussnahme auf die EZB per Verfassung untersagt: „Bei der Wahrnehmung der ihnen durch die Verfassung und die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen, Ämtern oder Agenturen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen.“ (Art. III-188)

Weitere Zentralisierung und Hierarchisierung der Politik

  • Veränderung der Stimmgewichte in den EU-Räten zugunsten der großen Nationalstaaten
  • Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen (von 34 auf 70 Tätigkeitsfelder)
  • Vorrang des EU-Rechts vor nationalem Recht (Art. I-6)
  • Schaffung des Amtes eines EU-Außenministers, der nicht nur die EU-Außenpolitik bestimmt, sondern auch direkten Zugriff auf einen militärischen Interventionsfonds (Art. III-313, „so ermächtigt der Rat den Außenminister der Union zur Inanspruchnahme dieses Fonds“) hat und die Militärmissionen der Union koordiniert (Art. III-309, allerdings erlässt der Rat die Beschlüsse über Missionen, der „Außenminister der Union sorgt unter Aufsicht des Rates und in engem und ständigen Benehmen mit dem Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee“ für die Koordinierung).
  • Festschreibung der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik als ausschließliche EU-Kompetenz (Art. I-15); die Mitgliedstaaten verpflichten sich, diese „aktiv und vorbehaltlos“ zu unterstützen (Art. I-12, 4; I-16) (III-294.

Friedenswerkstatt Linz, Adaptierung an die neue Nummerierung durch Walther Schütz
aus: guernica 3/2004

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